Folge 11: Männlichkeiten: Dann lieber doch Mensch sein
Ich habe schon Stunden damit verbracht, mich in die Psyche irgendwelcher Typen reinzudenken, die gerade die Leben meiner Freundinnen schwer machten. Und immer wieder die Frage: Sind diese Männer wirklich so rational, so unemotional? Mittlerweile weiß ich: Das muss so. Unsere patriarchale Kultur ist Schuld. Sie hat Männlichkeiten herausgebildet, von denen manche sogar toxisch sind. In welchem Zusammenhang Männlichkeitsnormen sogar Grund für so ziemlich alle großen Weltprobleme sind und wie Männer sich vom Druck, Manns genug zu sein, befreien könnten, erfährst du in dieser Folge.
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Shownotes zur Podcastfolge:
Jens van Tricht: Warum Feminismus gut für Männer ist
Queertopia / Kritische Männlich*keiten-Workshops mit blu
Laurie Penny: Unsagbare Dinge (Kapitel „Verlorene Jungs“)
Raewyn Connell: Der gemachte Mann
Studie: Toxische Männlichkeit macht psychisch krank
bell hooks: The Will To Change
Sabine Bode: Nachkriegskinder / Kriegsenkel
Klaus Theweleit: Männerphantasien
Sorority: No more Bullshit – Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten
Christoph May über den Film „Joker"
Fikri Anıl Altıntaş auf Instagram
Studie: Jede dritte Frau in Europa über 15 Jahren hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren.
Julia Korbik: Stand up! Feminismus für alle
Studie: Aller 3 Tage ein Femizid in Deutschland.
Doku auf Netflix: The Mask you live in
Pierre Bourdieus „Habitus“ auf Wikipedia
Doku auf Youtube: „The Feminist in Cellblock Y“
Männerwelten Video von Pro Sieben
Margarete Stokowski über Männerwelten
Weiterführendes:
TED Talk von Tony Porter: Ein Appell an die Männer
Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland
Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben
Christoph May: 12 Tipps für den pro_feministischen Mann
Credits:
1000Dank an blu, Christoph May, Fikri Anıl Altıntaş und alle Sprachnachrichter*innen!
Coverdesign: Svenja Limke
Titelmusik: Louis Schwadron
Transkript
Die Folge als Text!
Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit noScribe Vers. 0.5 erstellt und ist nicht perfekt.
S09 [00:00:21]: Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund ums F-Wort. Mit mir, Laura. (..) Ich habe schon Stunden am Küchentisch verbracht, um mich in die Psyche irgendwelcher Typen reinzudenken, die gerade die Leben meiner Freundinnen schwer machten. Wir analysierten Interpunktion und Satzaufbau von Kurznachrichten und die Zeitintervalle, in denen sie geschrieben wurden. Wir nahmen minimales Minenspiel auseinander und versuchten tiefgreifendes Schweigen auszuwringen, um irgendwie an Informationen ranzukommen, die uns dieses oder jenes Verhalten verständlich machen würden. Wir haben es nie verstanden. Ich habe oft gedacht, dass wir sehr wahrscheinlich nicht viel zu viel in dieses Nichts hineininterpretierten, was die Schwärme meiner Freundinnen uns vor die Füße warfen. Konnte es denn sein, dass sie schwiegen, weil sie wirklich nichts zu sagen hatten? Dass sie wirklich so rational, so unemotional waren? Können Menschen überhaupt so sein? Und dann sind da ja auch noch meine männlichen Freunde, mit denen ich reden kann, die sensibel sind und von denen sich so mancher [00:01:26] seit seiner Jugend die Birne wegkifft, weil so viel Gefühl ist von Typen dann auch nicht erwünscht. Pausenlos zocken ist auch eine Möglichkeit oder eben saufen. Was weiß ich. Irgendwann halten diese Freunde inne und sind erschrocken, wie gleichbleibend diese letzten Jahre waren. Erträglich, aber gleich. Und jetzt, ohne Rausch, kommen die Gefühle, aber eben auch die Probleme und das verdammte Gedankenkreisen zurück. Ein riesen Haufen Arbeit wartet, aber wieder rangehen. In der letzten Folge ging es darum, wie sich vordergründig Cis-Männer profeministisch verorten können. Was sie für die Gleichstellung aller tun können. Zum Ende der Folge wurde jedoch immer klarer, dass alle Tipps und Tricks nichts helfen, wenn wir uns nicht zuerst mit Männlichkeiten beschäftigen. Denn die Schwierigkeit ist, nur weil ein Mann sich als Mann identifiziert, wird er nicht unbedingt als männlich wahrgenommen. Er muss seine Männlichkeit immer wieder unter Beweis stellen. So viel zur Ausgangslage. Denn [00:02:26] bevor wir da so richtig schön tief reintauchen, möchte ich noch mal danken, love and happiness, an meine Supporterin Tim, Magdalena, Marie, Sophie, Lea, Lucien, Katharina, Katrin, Lotta, Sophia und Malte rausschicken. Ich hab mich wirklich sehr gefreut. Wenn du auch möchtest, dass das hier noch ein Weilchen so weitergeht, findest du in den Shownotes die Links zu meinem Paypal und Steady-Account. Außerdem ist Teilen ausdrücklich erwünscht und so eine Bewertung bei Apple Podcasts immer gern gesehen. Und wer sich nach einer visuellen Ebene sehen kann sich ja mal auf feminismusmitvorsatz.de oder meinem Instagram-Kanal umschauen. Dort verkünde ich übrigens auch die heißen News, wie zum Beispiel, dass ich ab jetzt offiziell zum Team vom Lila Podcast gehöre. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie das wird. Ja, und wer sich bei all den Sprachnachrichten im Podcast hier immer fragt, wie die eigentlich da reinkommen, kann gern einfach mitmachen. In den Shownotes findest du die Links zum Telegram-Kanal oder zur WhatsApp-Gruppe. Je nach Präferenz. Dort stelle ich in unregelmäßigen Abständen Fragen, [00:03:28] auf die du via Sprachnachricht antworten kannst. Doch nun, verehrteste Hörende, geht's los. (.) Erstmal ganz grundlegend gefragt. Was soll diese Männlichkeit überhaupt sein? S04 [00:03:41]: Ich glaub, man kann jetzt gewisse Normen, gewisse Vorstellungen von Männlichkeit nennen, die ich aber irgendwie manchmal nicht ganz bedienen kann, weil im Grunde möchte ich eigentlich einfach sein, tun, handeln, nach dem, was es mir ist. S06 [00:03:56]: Obwohl ich das nicht will, merke ich, dass bei mir selber unendlich sehr klar definierte Kategorien bestehen, was Männlichkeit ist. Dasselbe gilt auch für Weiblichkeit, wobei ich sagen würde, dass Männlichkeit sogar stärker besetzt ist. Das fängt bei ganz kleinen Sachen an, wie Kleidung. Also ich bin ja gerade eben ein bisschen im Dating-Business und habe daher die Möglichkeit, Feldstudien zu führen, bei denen ich mich tatsächlich regelmäßig selbst dabei ertappe, wie ich Männer in männlich und nicht so männlich einstufe. Also einfach das Beispiel, ich habe mich mit jemandem getroffen, der einen Ring getragen hat, so einen Hasenring an seinem einen Finger und eine Kette und auch sonst relativ feminine Gesichtszüge hatte, was auch immer das genau bedeutet, also relativ zart. Und das sofort was mit mir gemacht hat, also mich sofort in ein anderes Verhältnis zu ihm gestellt hat, die dann nicht die weibliche Rolle einnehmen kann, die ich vielleicht doch insgeheim einnehmen möchte. Und ich da viel strenger bin bei Männern als bei Frauen. (.) S09 [00:04:55]: Jens van Tricht, der Autor von Warum Feminismus gut für Männer ist, sammelt während seiner Workshops zusammen mit den TeilnehmerInnen gern zunächst typisch männliche Eigenschaften. Dabei kommen meist folgende Ergebnisse raus. Ein echter Mann muss stark, risikofreudig, sexuell aktiv, kompetitiv, rational, heterosexuell, lösungsorientiert, durchgreifend, selbstsicher, unabhängig sein. Diese Eigenschaften ergeben die sogenannte Manbox. Danach wird die Übung mit typisch weiblichen Eigenschaften wiederholt. Und van Tricht stellt die Frage, welche der Eigenschaften sind denn nun ausschließlich männlich oder weiblich? Also welche von all diesen zum Beispiel männlichen Eigenschaften kann eine Frau nicht haben? Die einzigen Merkmale, die die TeilnehmerInnen als exklusiv männlich oder weiblich sehen, sind die körperlichen oder biologischen, also vom Geschlecht abhängigen. Und was ist mit Männern mit Brüsten oder Frauen mit Gesichtsbehaarung? [00:05:59] Einigkeit besteht dann aber über die Reproduktion. Männer gebären nun mal keine Kinder. Aber was ist mit Transpersonen, die eine Gebärmutter haben? Doch die Manbox ist eine stabile Kiste und wir alle wissen, was in ihr ist. Männer weinen nicht, Männer sind Ernährer, Männer sind rational und S10 [00:06:18]: greifen durch. Wenn es jetzt um Männern geht, ist mir aufgefallen, dass es da auch viel Verunsicherung gibt, wie mit Männlichkeit umzugehen ist, dass es viel um Performance geht, wie Performance-Druck da ist, die ganze Zeit aufkommt und diese Personen im Laufe ihres Lebens auch Sachen hinter sich lassen, Sachen verstecken müssen, die sie nicht mehr ausleben können, weil das gesellschaftlich nicht anerkannt ist, weil das mit den Männlichkeitsanforderungen nicht übereingeht. S09 [00:06:44]: Das war nochmal Blue von Queertopia. Für Blue verwende ich übrigens kein Pronomen, weil sich Blue als nicht-binär Transsternchen identifiziert. In der letzten Folge hatte ich das nicht erwähnt und Blue wurde dadurch zu sehr bei den männlichen Sprechern eingemeinet. Doch zurück zur Manbox, denn da nicht reinzupassen scheint ja irgendwie recht einfach zu sein. S04 [00:07:06]: Ich würde gerne nähen, ich würde gerne, glaube auch manchmal, Hausmann sein und ich dann aber ehrlich sagen muss, dass das gesellschaftlich so besetzt ist, dass es nicht von vornherein her eben eine einfache Sache ist. S06 [00:07:21]: Der Mann darf nicht blabil sein, der Mann darf nicht weinen, der Mann darf sich nicht zu viel Gedanken um seine Kleidung machen. Also ich empfinde das als Frau schon facettenreichter. S09 [00:07:33]: Echte Männer dürfen so viele Sachen nicht wollen, schreibt Lori Penny in ihrem Buch Unsagbare Dinge. Dass sich jemand um sie kümmert, dass jemand mit ihnen kuschelt, dass sie kreative Arbeit verrichten, die kein Geld einbringt, dass sie weinen, dass sie Vollzeitvater sind, dass sie mit Make-up rumprobieren, Verletzlichkeiten eingestehen, einen Pflegeberuf ergreifen oder ohne jede Ironie Taylor Swift. (.....) S03 [00:08:03]: Patriarchat heißt eben auch, dass wir alles, was wir mit der Frau und Weiblichkeit assoziieren, geringer achten als das, was wir mit Männern oder Männlichkeit assoziieren, schreibt Jens von Tricht. S09 [00:08:13]: Und mit wir meint er uns alle, inklusive aller cool Girls, die schon in der vierten Podcastfolge ihren großen Auftritt hatten. Patriarchat bedeutet, dass Autonomie und Unabhängigkeit wichtiger als Verbundenheit und Fürsorglichkeit sind. Reden wichtiger als Zuhören. Gewalt gilt als legitimes Mittel, um Konflikte beizulegen. Verstand ist wichtiger als Gefühl und Arbeit ist wichtiger als Fürsorge. Echte Männer dürfen deswegen auf gar keinen Fall feminin sein. Sie sind schließlich alles, was Frauen nicht sind. Sie sind nicht Frauen. Jede Feminisierung bedeutet gesellschaftliche Abwertung. Und dann? Männer sind dann Mädchen, Homos, Weicheier, Tontig, Muttersöhnchen, Pussys. Ja, das sind die Möglichkeiten anscheinend. Echter Mann oder verweichlichter Waschlappen. Noch schlimmer, sie sind sogar umso männlicher, je stärker sie alles Feminine ablehnen und Frauen abwerten. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ist ja nicht so, dass ich mich nicht schon mein ganzes Leben in weiße [00:09:18] Zismänner einführen würde. Jahrelang las ich Bücher von männlichen Autoren, sah Filme aus männlicher Perspektive und betrieb die angesprochene Küchenpsychologie zur Rettung der Seelen meiner Freundinnen. Aber ich sah nicht, dass Männlichkeiten diese vielen und auch negativen Seiten haben können, dass Männer darunter leiden könnten. Ich sah das Actionreiche in den Filmen, ihre Macht, ihre körperlichen Fähigkeiten oder ihr unabhängiges freies Verhalten in ihren Beziehungen. Doch diese Manbox scheint nichts weiter als ein Gefängnis zu sein. (....) Dabei ist die Manbox, die all diese angeblich typisch männlichen Eigenschaften umfasst, natürlich ein vereinfachtes Bild. Sie zielt im Grunde darauf ab, was jetzt immer häufiger toxische Männlichkeit genannt wird. Der Autor vom Buch Boys Don't Cry, Jack Irwin, schreibt, (13 Sekunden Pause) [00:10:27] So benehmen sich ja natürlich nicht alle Männer. S13 [00:10:30]: Es gab schon immer Männer, die zu arm, zu queer, zu sensibel, zu behindert, zu einfühlsam oder einfach zu klug waren, S09 [00:10:37]: schreibt Laurie Penny. Deswegen spricht die Soziologin und Transfrau Raven Cornell auch von mehreren Männlichkeiten. Cornell hat diese Männlichkeiten auch beschrieben, ihnen schwierige Namen gegeben und sie in eine Hierarchie gepackt. Ich übersetze das mal in meine Fluchsenworte. Zum einen gibt es da die hegemoniale Männlichkeit. Hegemoniale Männlichkeit beschreibt das, was meist weiße heterosexuelle Cis-Männer denken tun zu müssen, um ihre übergeordnete Position beizubehalten. Sie schließen Frauen und Männer, die nicht in ihr Bild eines echten Mannes passen, aus und sichern ihre Dominanz mit Hilfe von Gewalt und Unterdrückung. Damit alles schön so weitergeht wie bisher und keine Vorteile abhanden kommen. Aus diesem Diskurs um hegemoniale Männlichkeit ist dann auch die toxische Männlichkeit entstanden. Und die kann sogar psychisch krank machen. Das ergab eine Metastudie der Indiana University Bloomington. Die WissenschaftlerInnen analysierten Daten aus 78 Forschungsarbeiten mit insgesamt mehr als 19.000 Teilnehmern [00:11:41] und stellten dabei fest, dass Männer, die sich als Playboys geben und Macht über Frauen wichtig finden, eher psychische Probleme bekommen. Neben der hegemonialen Männlichkeit, die in der Hierarchie ganz oben angesiedelt ist, nennt Connell noch die komplizenhafte Männlichkeit, die marginalisierte Männlichkeit und die untergeordnete Männlichkeit. Hegemoniale, komplizenhafte, marginalisierte und untergeordnete Männlichkeit. Dabei sind die allermeisten Männer Komplizen. Also nicht ständig am Übertreiben mit ihrem Machotum und insofern eigentlich ganz cool, aber eben auch still und leise, wenn Gewalt und Unterdrückung passieren. Warum? Weil sie als Männer ja auch davon profitieren, wie es gerade ist. Sie können sich zwar dahinter verstecken, keine aktiven Machos zu sein, aber letztendlich lassen sie die anderen einfach die Drecksarbeit für ihre Privilegien machen. Die marginalisierte Männlichkeit schaut intersektionaler auf Männlichkeiten und meint Männer, die zum Beispiel [00:12:41] keine Kohle haben oder BIPOCs, also Black Indigenous and People of Colour sind und deswegen nicht dem Idealbild vom weißen Mann mit Moneten entsprechen. (.) Und untergeordnete Männlichkeit meint dann alle Männer, die nicht heterosexuell sind, also Transpersonen und Homosexuelle. (.) Vor allem hegemoniale und komplizenhafte Männlichkeiten verursachen, dass es unmännlich ist, sich mit Frauen zu solidarisieren und feministische Ziele zu unterstützen. S10 [00:13:11]: Eine Sache, die vielleicht auch so ein Schlüsselmoment war, dass ich mich mit Sexismus, Antisexismus auseinandergesetzt habe und Feminismus und immer wieder gemerkt habe, Männlichkeit ist da so eine Leerstelle. Wieso redet eigentlich keine Person über Männlichkeit? Und das ist doch das Problem, oder? Da sollten wir doch hingucken, was Männlichkeit an Problemen produziert, Männlichkeitsanforderungen und was da gemacht werden kann. S09 [00:13:36]: Bevor wir uns also fragen, wie sich Männer mit Feministinnen solidarisieren können, müssen wir eigentlich erst mal schauen, ob sie diese ganzen Männlichkeitsanforderungen für sich schon geknackt haben und ernsthaft darauf scheißen können, dass es das mit dem Mackertum ein für alle Mal war. Sich profeministisch einzusetzen, ist insofern wahrscheinlich ein Klacks gegen das, was Männer vorher tun müssen, sich und ihre Männlichkeit kritisch hinterfragen. Gründe dafür gibt's genügend. Laut Jens van Tricht sind Männer und Jungen die Hauptverursacher dringender sozialer Probleme. Kriminalität, Schulabbruch, Benachteiligung von Frauen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit, Homophobie, Krieg, Radikalisierung, Gewalt, Verkehrsrisiken, wirtschaftliche Ungleichheit, Finanzkrise. (.) Interessanterweise wird aber zum Beispiel in der Gewaltforschung, obwohl die meisten Gewalttäter Männer sind, eher nach der Bildung, Erziehung, Religion, Kultur oder natürlichen ethnischen Zugehörigkeit des Täters gefragt. [00:14:38] Dabei ist der Hauptfaktor die krampfhafte Männlichkeit der Täter. Nach der fragt aber irgendwie keiner. (.) Ein paar persönliche Nachteile dieser krampfhaften Männlichkeit kennst du schon aus der letzten Folge. Männer begehen dreimal so häufig wie Frauen Selbstmord und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfälle und Gewalt, meist durch andere Männer, sind Ursachen, warum der Tod für Männer vor ihrem 50. Lebensjahr anderthalbmal wahrscheinlicher ist als für Frauen. (..) Ja und auch wenn ich meinen küchenpsychologischen Aktivitäten zu Hetero-Beziehungen und zahlreichen SMS-Interpretationen unterstelle, hier und da mehr zu sehen, als letztendlich da ist, mir stellt sich schon die Frage, wieso manche Männer das machen. Immer geht es ihnen gut und wenn es ihnen nicht gut geht, sind sie verschwunden oder verschwiegen oder suizidal? Ich weiß nicht, wie läuft das? Wie verarbeiten sie? Mit wem reden sie? S10 [00:15:30]: Ich glaube, dass ein großer Knackpunkt in der Arbeit um Männlichkeit Gefühle sind, um Gefühle zuzulassen und an die eigenen Gefühle heranzukommen. Weil ich glaube, dass es mit Männlichkeit sehr stark zusammenhängt, nicht so viel zu fühlen, sich seinen eigenen Gefühlen nicht bewusst zu sein und diese auch nicht auszudrücken. Und dass uns das aber auch sehr viel von anderen Menschen abschneidet und dazu beiträgt, Privilegien und eine machtvolle Position zu erhalten. Und ich glaube, wenn da mehr Zugang zu Gefühlen wäre und würde auch ein größeres Verständnis einhergehen und auch eine größere Einsicht und darüber ließen sich die Verhältnisse, wie sie gerade sind, gut überwinden. (.) S00 [00:16:13]: Männern wird von Kindesbeinen an beigebracht, männlich zu sein bedeutet, keinen Wert auf soziale und emotionale Kompetenzen zu legen. Im Gegensatz zu Frauen bestehe die gesunde Art, wie Männer klarkommen darin, mit Hilfe von Musik oder Sport mit Stress oder Sorgen fertig zu werden und nicht mit Reden. S09 [00:16:32]: Schreibt Jack Irwin in seinem Buch Boys Don't Cry. (.) Ja, wenn mein Freund früher ein Mann oder Maus zu hören bekam, hieß das im Grunde ja auch, schluck's runter und mach kein Getöse. Neben dem Runterschlucken von Problemen bleibt ja immerhin noch die Flucht in Arbeit, Status oder materielle Dinge, Draufgängertum, in übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum, Spiel- oder Sexsucht oder gewalttätiges Verhalten. Das sind anscheinend die Optionen. Und das kommt dabei raus, wenn wir sagen, Jungs weinen nicht und dann keine Erklärung parat haben, welche Möglichkeiten es noch gibt, Gefühle herauszulassen. (....) Vermutlich ist diese emotionale Sprachlosigkeit ein Erbe aus den Weltkriegen. Überlebende Soldaten hatten nie die Möglichkeit, ihre Traumata aufzuarbeiten, waren unfähig, sich ihren Kindern emotional zu öffnen oder sie gar zu lieben. (.) Zum Beispiel habe ich in der allerersten Folge mal meinen Opa erwähnt, der nicht auf die Idee gekommen war, nicht nur meinen Cousin, sondern auch mich in die Welt des Handwerks einzuführen. [00:17:35] Und als ich jetzt Bell Hooks The Will to Change nicht las, sondern anhörte, erinnerte mich eine Szene des Buches wieder an ihn. (....) Da ging es um eine Frau, die ihren Vater zusammenbrechen sah, zu ihm eilte und ihn festhielt, während er sich langsam aus dem Leben verabschiedete. Sie trauerte um den Sterbenden, aber sie trauerte auch noch um etwas anderes. Denn tatsächlich geschah es zum ersten Mal in ihrem Leben, dass sie ihren Vater in ihren Armen hielt und ihm Geborgenheit und Liebe gab, die er nicht abwehren konnte. Und na klar, ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich meinen Opa zum letzten Mal im Krankenhaus sah. Er war ein völlig anderer Mensch. Alles kraftstrotzende Patriarchale war dahin und erst das Wissen um den anstehenden Tod veranlasste ihn dazu, Schwäche zuzulassen und mich beim Abschied sogar auf die Wange zu küssen. Das hatte er noch nie getan. Wär doch eigentlich nett gewesen. (....) Für traumhafte Erben deutscher Soldaten oder einfach nur Interessierte lohnt es sich, ein, zwei Blicke in die Bücher von Sabine Bode zu werfen. [00:18:40] Sie hat zum Beispiel Nachkriegskinder oder Kriegsenkel geschrieben. Ich habe beide gehört und fand sie sehr eindrücklich, weil naja, der Krieg ist zwar lange her, aber so viele Generationen sind seitdem ja auch wieder nicht, die sich um die psychischen Wunden kümmern konnten. Da gibt es noch einiges zu tun. Klaus Teweleit war einer derjenigen, die sich um diese Wunden gekümmert hat. Er hat Ende der 70er einen fetten, fetten Wälzer zu Männerfantasien veröffentlicht. Ich sagte aber auch in kürzeren Schriftstücken, Interviews und so sehr schlaue Sachen über Männlichkeit und Faschismus. Zum Beispiel prägte Teweleit den Begriff der Verpanzerung des Mannes und wie diese verpanzerten Männer weitere Panzermänner aufzogen. S03 [00:19:22]: Ich habe ein Rollenbild als Vater gehabt, der mit seiner Emotionalität nicht sonderlich gut umgehen konnte bzw. damit nicht sonderlich offen war, weil er auch wiederum vermutlich einen Vater hatte, der ähnlich war. Und so bin ich vielen jungen Männern begegnet, die auch Väter hatten, die sicherlich Emotionalität wahrgenommen haben, aber Schwierigkeiten hatten, damit gut umzugehen. Und da zeigt sich sehr schön, wie dann aus einer Person, die mit Emotionen nicht so gut umgehen kann oder aus einer Gesellschaft, die Männer als unemotional entwirft, dass daraus viele andere junge Männer werden, die dann in Beziehungen oder in Partnerschaften oder in Freundschaften landen, in denen sie mit dem Thema Emotion erst mal auf eine bestimmte Art und Weise umgehen. Und dann plötzlich vielleicht auch lernen müssen, anders damit umzugehen, als sie es selbst vorgelebt bekommen haben. S09 [00:20:08]: Männer, die nicht emotional kommunizieren können, ziehen Männer auf, die nicht emotional kommunizieren können. Und schwups werden die Symptome, die wir heute von posttraumatischen Belastungsstörungen kennen, zu Synonymen für Männlichkeit. Schon ein bisschen crazy. (.) Es heißt oft, sagt Männertherapeut Björn Süfke, Männer können ihre Gefühle nicht ausdrücken. Aber es ist eigentlich noch schlimmer. Sie wissen nicht mal, wie sie den Zugang zu ihren Gefühlen bekommen können. (.) S15 [00:20:36]: Also für mich zum Beispiel war das eine ziemlich lange Geschichte zu kapieren, dass ich nicht wirklich in der Lage bin, Scham wahrzunehmen und damit umzugehen. Dann auch das Scham eigentlich so ein Gefühl ist, was eine Funktion hat. Und die Funktion ist auch gesellschaftlich von enormer Bedeutung. Also so ein Typ wie Trump zum Beispiel, der kennt keine Scham. Der ist schamlos. Und das ist der Wettbewerb, der heutzutage stattfindet. Und für Männer ist das, so ist meine Erfahrung, schwierig zu erkennen, wann sie sich schämen sollten eigentlich. Und Männer haben es aber wahnsinnig gut drauf, Schamvermeidungsstrategien anzuwenden, so wie Wut zum Beispiel. Oder weggehen einfach oder schweigen, statt zu merken, dass sie sich schämen. Überlegen, warum schäme ich mich dann? Habe ich vielleicht was falsch gemacht? Und dann sich vielleicht auch mal zu entschuldigen. Also ich bin damit nicht groß geworden mit Entschuldigung. Und ja, für Frauen ist das die Normalität. S09 [00:21:34]: Oftmals ist die Beziehung zu einer Frau für Männer der einzige Ort, wo sie sich erlauben, Schwäche zu zeigen. (.) S13 [00:21:40]: Diese Generation ist reich an verlorenen Jungs. Und wenn wir einen von ihnen lieben, bedeutet das, dass sie uns aushöhlen, um Platz zu schaffen, damit er sich verkriechen kann. Schreibt Lori Penny. S08 [00:21:51]: Also die klassisch ansozialisierte Stereotype Männerrolle in unserer Gesellschaft ist ja schrecklich anstrengend. Und das ist dann so der Ort, wo das dann mal lässt. Irgendwie schön, dass es solche Orte gibt. Auf der anderen Seite natürlich auch wieder problematisch, wenn dann Frauen das so tragen müssen. (.) S09 [00:22:07]: Sehr interessant fand ich Jens van Trichts Theorie, dass Sex oftmals so wichtig für Männer ist, weil er ähnlich wie eine Liebesbeziehung, wie ein Gefühlscontainer funktioniert. Da im Alltag so wenige Gefühle erlaubt sind, können Männer beim Sex endlich dem Bedürfnis, gehalten zu werden, nachkommen. Oder dem Wunsch nach körperlicher Zuneigung, Zärtlichkeit und Geborgenheit. Andererseits zu viel Kuscheln geht ja dann auch wieder nicht. Zu unmännlich. Dazu der Autor Fikri Anja Artintas. S17 [00:22:36]: Natürlich gibt es und gab es die Situation, wo man dann natürlich auch die Erwartungshaltung, Männer sollten immer Bock auf Sex haben, sollten immer eine bestimmte Form von Sex performen. Zu sagen so, ey, warum wollen wir jetzt so rummachen? Lasst doch jetzt mal miteinander schlafen. Aber gleichzeitig ist mir dann auch nicht eingestehen, eigentlich habe ich Lust auf Kuscheln, aber eigentlich sollte ich da jetzt auch mal. S09 [00:22:55]: Die Gleichung ist doch ganz einfach. Wenn du mit einer Frau zusammen bist, musst du immer Lust haben. Wenn du Lust auf Sex hast, musst du immer einen Steifen bekommen. Wenn du einen Steifen hast, muss immer penetriert werden. Und dafür braucht ein Mann dann in vielen Fällen eine Frau. Aber was tun, wenn er zwar Lust auf Sex hat und sie nicht? Keine Lust auf Sex zu haben, wird dann zum Problem gemacht, da Lust auf Sex schließlich die männliche Norm ist. So ein Stress. (.) S17 [00:23:25]: Das war drei Jahre später und das habe ich teilweise bis ins Studium hinein, wie immer so sorgfältig in so einem kleinen Heft notiert, mit wem ich rumgemacht habe, mit wem ich geschlafen habe. Also auch so ein bisschen darin zu prallen. Manchmal habe ich dieses Heft rausgeholt und dachte so, boah, cool, mit der hast du schon was. S09 [00:23:39]: Aber das ist noch nicht alles. Von Arnel wird nochmal überdurchschnittliche Performance erwartet, seitens der Frauen. S17 [00:23:46]: Es werden auch Dinge auf mich projiziert und die haben meist orientalistische Blicke. Also ich werde anders gemacht und so Vorstellungen wie ich muss leidenschaftlich sein und noch krasser im Bett sein und was auch immer das heißen mag. Das waren alles Erwartungen, die auf mich letztendlich geprasselt sind und mit denen ich mich dann auch erst mal beschäftigen muss. S09 [00:24:04]: Ja, eigentlich ganz schönes Beispiel für eine Intersektionalität und auch wieder eine Lebensrealität, die ich ohne dieses Interview nicht auf dem Schirm gehabt hätte. Ist doch krass. Und übrigens ist es wohl auch eher der zerstörerische Mythos vom allzeitwilligen Mann, der dazu beiträgt, dass es zu Erektionsstörungen kommt. Ursache ist also eher das herrschende Männlichkeitsbild und nicht irgendwas physisches. (.) Deswegen nochmal zur Erinnerung. Die allermeiste Zeit sind Penisse schlaff und Männer haben keinen Sex. (.) Jack Irwin fragte für sein Buch Boys Don't Cry mutig bei seiner Ex-Freundin Megan nach, welche Probleme sie in der Zeit, in der Jack ihr Freund war, eigentlich so hatte. S07 [00:24:46]: Ich glaube, das größte Ding war, dass deine Unfähigkeit zu kommunizieren es dir schwer gemacht hat, deine eigenen Gefühle überhaupt wahrzunehmen und zu verarbeiten, antwortete sie. Noch mehr als deine Unfähigkeit, sie mir gegenüber zum Ausdruck zu bringen, warst du es so gewohnt, alles wegzudrücken, dass du den Kontakt mit der Realität deiner Gefühle verloren hattest. Selbst wenn ich mit dem Finger auf eine problematische Situation zeigen konnte, hast du sie schlicht geleugnet. Ich musste schwierige Themen also nicht nur durchackern, sondern stand schon vorher vor der unüberwindlichen Aufgabe, dich dazu zu bringen, zuzugeben, dass da überhaupt etwas durchzuackern war. S16 [00:25:25]: Ist man jemals Männern begegnet, die keine Beziehungsunfähigkeit ausgeentwickelt haben, die nicht in Beziehungen angefangen haben? Also ich kenne keine Frauen, die nicht in Beziehungen jemals mit Männern gestruggelt haben und Männern versucht haben, dazu zu kriegen, endlich irgendwas zu sagen. S09 [00:25:39]: Das ist wieder Christoph May, den ich bereits in der letzten Folge vorgestellt hatte. Er betrachtet Männlichkeiten vor allem in der Popkultur. S16 [00:25:46]: Das ist eine Katastrophe für Beziehungen, dass Männer nicht sprechen, dass man mit Männern nicht darüber spricht, dass Männer nicht teilnehmen an dieser ganzen Sorgearbeit. S09 [00:25:53]: Ach ja, alle elf Minuten verliebt sich irgendwer und in derselben Zeit haben sich tausende verstritten, weil wieder nur der Fiked Freeze Fliked Modus greift, anstatt zu sprechen. Jack Irwin stellt nach dem vernichtenden Feedback seiner Ex-Freundin Megan fest, dass ja eigentlich jede und jeder weiß, dass Kommunikation der Schlüssel zu jeder guten Beziehung ist. In der irren Annahme, dass diese Regel aber nur für andere gilt, brettete er munter durchs Leben. Sein Zaubermittel dagegen? Reden. Oder wenn das schwer fällt, so wie Jack Irwin, Schreiben. Auch Irwin hatte einen Vater, der starr an seiner Männlichkeit festhielt und ja letztendlich auch daran zugrunde ging. Deshalb ist sein Buch Boys Don't Cry erst entstanden. Auf die Beziehung zum Vater lässt sich, soweit ich das küchenpsychologisch abschätzen kann, ja eine Menge ableiten. Und das, obwohl die meisten Väter ja nicht mal wirklich da sind, wenn Kinder aufwachsen. Oder vielleicht gerade deshalb? S16 [00:26:46]: Die Väter sind nicht da. Die Söhne haben keine Vorbilder. Haben die Vorbilder in den Frauen natürlich. Es sind nicht zwingend männliche Vorbilder nötig. Aber wenn Männer denn da wären, dann müssten sie halt so, dann zeigen sie auf keinen Fall irgendwie so eine emotionale Präsenz. Das heißt, wir wachsen alle nicht mit männlichen Vorbildern auf, die emotional integer sind. Und das ist nicht nur in Filmen und Serien so, sondern Film und Serien reproduzieren da nur die Wirklichkeit. Also wir sind alle mit Vätern aufgewachsen, die in diesen Leistungen, in diesem Lobby und Karrierekulturen festhängen. Und im Grunde wird das in den Filmen und Serien immer wieder thematisiert. Das ist die Dominante aller Geschichten von Darth Vader, Luke Skywalker, bis hin zum Mandalorian aktuell, der auch in so unfreiwillig in diese Vaterrolle rutscht und jetzt auf das kleine Baby Yoda aufpassen muss. S09 [00:27:28]: Das erinnert mich auch an diesen Graphic Novel von Liv Strömquist bei Ursprung der Liebe. Da hatte sie auch so eine Theorie aufgezeigt, dass wenn man halt eher mit der Mutter aufwächst, dass man als Junge denkt, dass Männlichkeit halt einfach das Gegenteil von dem ist, was die Mutter repräsentiert. Und deswegen, wenn sie dann empathisch ist, bin ich halt unempathisch. Wenn sie emotional ist, bin ich unemotional und so weiter. S16 [00:27:52]: Das spielt eine große Rolle. Diese Abwehr der Frau, das schreibt Rolf Pohl auch in seinem Buch Feindbild Frau, ich weiß nicht, ob du das kennst. Da schreibt er, dass die männliche Sozialisation im Grunde nicht zu denken ist, ohne die Abwehr von Frauen. Und Männer müssen das Weibliche abwehren, so wachsen sie auf. Und deshalb ziehen sie sich auch in ihre Männerbude zurück. Frauen werden draußen gehalten, weil Frauen im Grunde alles repräsentieren, was nicht sein darf. Und eine Männlichkeit ohne die Abwehr von Frauen ist im Grunde nicht denkbar. Wir sind darauf trainiert, dass wir Frauen objektivieren, dass wir Frauen nicht ernst nehmen, dass wir Frauen nicht supporten. Und wenn dir die Rapmusik oder Hip Hop oder immer wenn diese ganzen Stereotypen, ich fick dir deine Mutter und so aufhören, dann hast du genau mit diesen Frauen-Männerbildern zu tun. S09 [00:28:35]: Anfang diesen Jahres, als Kinos noch Kinos sein durften, war der Joker ja so ein gehypter Film. Ich hatte irgendwie auch das Gefühl, dass es hier um einen Film geht, den muss man einfach gesehen haben. Also bin ich mit meinem Freund hin und fand es ziemlich erschreckend. Ich konnte aber auch nicht so richtig zuordnen, warum. Einige Zeit später haben die Grünen dann ein Webinar mit Janosch und Christoph May zu kritischer Männlichkeit organisiert und Christoph hat den Joker nochmal angesprochen. Und es hat mich total abgeholt, weil es meine Gedanken einfach besser sortiert hat. Deswegen habe ich nochmal genauer nachgefragt. S16 [00:29:07]: Ich bin ins Kino gegangen, als das noch möglich war. Ich schreibe dann immer ein bisschen mit, was mir da so auffällt. Und dann ist mir halt relativ schnell aufgefallen, der Typ bespieht ständig Prügel. Also wird hier vielleicht irgendwie eine Opfergeschichte erzählt. Männlichkeit als Opfer, Leidensweg und so diese Story. Und dann bin ich ein bisschen mehr reingestiegen und habe gesehen, okay, sein Name ist Arthur Fleck, der spätere Joker. Also kommt das auch von Azur Fleck, von blauen Flecken. Also diese ständige Prügel steckt im Grunde schon in seinem Namen drin. Dass er ständig verprügelt, verlacht, gedemütigt wird. Man guckt ja zu und denkt jetzt halt auch bitte nicht noch einen so krank, traumatisiert, zwanghaft. Er ist deformiert, er ist entstellt, verrückt, humorlos, arbeitslos, er ist sowieso. Sein Vater ist auch nicht da. Er ist ungeliebt, dumm, einsam und so. Und diese ganze Frauen-Hass auch. Und dass er zum Schluss noch seine Psychiaterin killt und blutig da durch den Flur schleift. Und seine Mutter mit dem Kissen und so. Also das ist wirklich, am Ende habe ich gedacht, wow. S09 [00:29:59]: Als wir nach dem Kinobesuch nach Hause gingen, war ich einfach nur platt und beschwerte mich, was jetzt bitte die Aussage von diesem Film gewesen sein soll. Mein Freund war eher so, ja, so ein guter Film, gut gemacht. Aber letztendlich transportiert der Joker doch eine furchtbare Botschaft. Männer, wenn ihr leidet, inszeniert eure Opferrolle und radikalisiert euch. Das ist dann nämlich voll männlich. Bloß nicht drüber reden, sich helfen lassen und die Opferrolle auflösen. S16 [00:30:25]: Die meisten Männer rezipieren das eben nicht so. Die sehen da den Aufstand der armen Bevölkerungsschicht gegen das Establishment oder so. Aber das ist der Ebene der Filmgeschichte sicherlich auch richtig. Aber wenn man die strukturelle Gewalt, also die Repräsentationsgeschichte irgendwie liest, also guckt, was hier wirklich gerade passiert, in der man, warum eine männlich dominierte Film- und Serienindustrie es nötig hat, jetzt so eine krasse Leidensgeschichte zu erzählen von dem Joker, dann ist man schnell dabei zu sehen, hey, was hier verhandelt wird, ist im Grunde ein Opferstatus, der im Grunde mega unangenehm und selbstmitleidig ist. Und hier werden gerade Symbol- und Identifikationsfiguren verhandelt, die absolut sprachlose Männlichkeit, emotional sprachlose Männlichkeit im Grunde repräsentieren. Und dieser Joker ist ja im Grunde die maskierte Symbol- und Identifikationsfigur für sprachlose Männlichkeit. Und Joker ist aus irgendeinem Grund der eine Milliarde Dollar eingespielt, dann dicht gefolgt von anderen Männergeschichten wie Deadpool, Wolverine, Neo-Matrix und so. Aber dieser Überdruss an männlichen Monokulturen, weiß nicht, der führt wahrscheinlich jetzt dazu, [00:31:26] dass Männer sich irgendwie als Opfer stilisieren, inszenieren müssen. Ich weiß nicht, also... S14 [00:31:31]: Ich hab auch gerade überlegt, weil in deinem Artikel, hat ich gelesen, S09 [00:31:34]: das fand ich so ganz schön zusammengefasst, dass das eigentlich das größte Fakio an die MeToo-Realität ist. Hast du denn das Gefühl, dass sich seit MeToo inhaltlich was in Hollywood verändert hat? S14 [00:31:46]: Also sind irgendwelche Filme positiv beeinflusst wurden dadurch? Weil der Joker ist ja jetzt wirklich so ein krasses Negativbeispiel in die schwierige Richtung. S16 [00:31:56]: Hm. Sicherlich. Die Diskussion ist angestoßen und Weinstein ist irgendwie im Knast. Und das größte Problem sind, ja, die Inhalte sind das eine, würde ich sagen, aber die strukturelle Gewalt, also daran hat sich bisher nichts geändert. Das ist seit MeToo 2015 sogar rückläufig. Der Anteil der Frauen bei den Drehbüchern, der Anteil der Frauen bei den Regisseurinnen beträgt sieben Prozent oder acht Prozent. Also die Geschichten sind nach wie vor strukturell männlich geprägt, die ganze Industrie. Und das ist das Problem. Das heißt, so eine Industrie, so eine Monokultur, Schweigekultur kann eben keine anderen Geschichten und Inhalte hervorbringen, außer sich immer wieder selbst zum Thema zu machen. Aber das dreht sich zwangsläufig im Kreis. S09 [00:32:36]: Diese Männerbünde sind natürlich nicht nur in Hollywood ein Riesenthema. Fußballclubs, Stammtische, Chefetagen, you name it. Und überall gilt dasselbe wie im Film Fight Club. Die oberste Regel des Männerclubs ist, nicht über den Männerclub zu reden. Der Bro Code verpflichtet zur Verschwiegenheit. S02 [00:32:55]: Also wo ich sehr gut anknüpfen kann, ist in Männerrunden mit der Monotonie, dass ich mich da super, super unwohl fühle. Das ist immer noch so und auch da weiß ich nicht wirklich, wie ich intervenieren soll. Es gab gestern so eine Situation, da waren wir seinen Nachbarn eingeladen. Er hatte Geburtstag und es waren einfach fast nur Jungs, Mitte 20 und sie haben einfach nur darüber geredet, wer wen lachgelegt hat und es war so, ja, also eine super, super unangenehme Stimmung so. Aber über eine halbe Stunde, dreiviertel Stunde kam einfach nichts anderes. Und es war so, ja, aber es ist halt irgendwie Realität und es ist häufig und es ist überall so. Ich ziehe mich davon häufig zurück, halte mich da einfach raus und suche Kontakte mit Frauen. Aber es ist häufig der Fall, dass ich eben nicht eingreife, nicht interveniere, nicht zack, einfach weil, ja. S09 [00:33:38]: Das war nochmal einer der Teilnehmer aus Blues Workshop zu kritischen Männlichkeiten. Und er spricht ja genau das an, was dieser Bund bewirkt. Selbst wenn Männer spüren, dass da gerade irgendwas falsch läuft, macht niemand den Mund auf. Oder weil man es schlicht vorzieht, persönliche Gespräche zu führen. Man will nicht ausgestoßen werden, man will seine Freunde nicht verraten, hat Angst vor dem Unbekannten. Ein Leben ohne die Jungs, wozu? Wie? S16 [00:34:05]: Es hat ewig gedauert, dass ich bemerkt habe, mit welchen Männerbünden ich so mein Leben lang sozialisiert wurde und welche Männerbünde sich da auch immer wieder abgewechselt haben, weil ich einfach blind dafür war, wie alle Männer blind dafür sind, weil sie eben privilegiert sind und weiß und heterosexuell. Und kürzlich habe ich diese Doku gesehen, The Last Dance, über die Michael Jordan, Chicago Bulls Zeit damals, Basketball, Mitte der 90er Jahre. Und da habe ich gemerkt, dass mich das auch sehr geprägt hat. Ich war damals mit der 90er auch sehr an Basketball und sehr auf dem Hof immer gespielt und mir jedes Chicago Bulls Spiel reingezogen. Und diese Doku zeigt total gut, wie krass Michael Jordan da Leistung abliefert die ganze Zeit. Und da habe ich gemerkt, wow, dieser Sportmännerbund hat mich tatsächlich auch damals geprägt. Andere männliche Monokulturen, mit denen ich aufgewachsen bin, war die Berliner Graffiti-Szene, hypermaskuline Szene bis heute. Dann in Literaturwissenschaften habe ich studiert, da habe ich auch gemerkt, wir haben fast nur Männer gelesen, also Christa Wolf, okay, aber alles waren immer nur Thomas Mann bis Günter Grass und so. Da haben wir Bergheim gearbeitet, Party-Männlichkeiten, homosexuelle Männlichkeiten, diese ganzen Inszenierungen von Sexwelten, das ist auch alles hypermaskulin. [00:35:10] Immer Fußballfetische und so Lazarett- und Military-Fetische, die da bedient wurden. Das sind so die Männerbünde, die mich in meinen Leben begleitet und sozialisiert haben. Und damit wäre ich auch mal in der zweiten Hälfte meines Lebens zu tun, die in Frage stellen, zu durchbrechen. Und ich bin eigentlich traurig darüber, dass ich in so einer Monokultur groß geworden bin. Ich wäre gerne in einer Welt groß geworden, in der nicht nur Männlichkeit repräsentiert wird, überall und ständig. Weil der kulturelle Reichtum war im Grunde eine riesengroße Armut und war im Grunde eine Monokultur. Und das wieder aufzuholen, das nochmal irgendwie anders zu erleben, da habe ich zum Glück noch eine Weile. Aber das finde ich total schade. Also ich wäre gerne in einer Welt groß geworden, der faktisch von Gleichstellung herrscht, was das angeht. S14 [00:35:53]: Ich finde das Bild mit den Monokulturen auch richtig gut, weil ich denke bei Monokultur halt an so einen Birkenwald. Und wenn man halt nur einen Birkenwald kennt, aber ja weiß, was es noch alles für Pflanzen gibt, dann ist das ja mega krass. Weil man einfach nur als Birke in einem Birkenwald aufwächst. (.) S16 [00:36:10]: Das wäre krass, ne? (.) Guter Vergleich. (.) S09 [00:36:14]: Der Männerbund spielt auch eine große Rolle, wenn Männer mitbekommen, dass ihr Body sexuell übergriffig war. Dann beginnt nämlich oftmals das laute Schweigen. Zuletzt zeigte sich das prominent in Hollywood im Dunstkreis von Harvey Weinstein, von dessen Taten George Clooney gerüchteweise gehört habe und Brad Pitt zumindest in einem Fall wusste, weil ihm seine damalige Freundin Gwyneth Paltrow anvertraute, dass Weinstein sie belästigt hatte. Und das war Mitte der 90er. Und? Hat es einer der Männer zutage gebracht? (.) Mh, nö. S16 [00:36:46]: Weil ich das selber erst so spät gecheckt habe, ist das, dass es am wichtigsten ist und am schnellsten geht, wenn man den Männern sagt, okay, lasst uns darüber sprechen, wie ihr am schnellsten erkennt, dass ihr gerade in einem Männerbund agiert, mit Männern umgeben seid. Also euch in der männlichen Monokultur bewegt. Denn Männer sind die Allerletzten, denen das auffällt. Selbst wenn du abends in die Kneipe gehst und nur mit Männern unterwegs bist, ist das ein Problem. Du reproduzierst im Grunde genau das, was du eigentlich durchbrechen solltest. Ich weiß auch, dass wir das nicht mehr miterleben werden, wir beide. Es ist so schade, aber ich sehe das nicht, dass wir diese Männergünde in Zukunft aufbrechen werden. Ich kann es einfach nicht sehen. Ich bin da nicht sehr optimistisch, würde ich mal so sagen. S09 [00:37:21]: Nee, ich auch nicht. Du hast ja vorhin dieses Beispiel angesprochen mit, man ist unter Männern in der Kneipe. S14 [00:37:28]: Und mein erster Impuls war halt, du kannst doch jetzt den Männern nicht verbieten, unter Männern in der Kneipe zu sitzen. (.) Selbst bei mir ging dann irgendwie so was los von wegen, das ist doch ihr Recht. S09 [00:37:42]: Aber ich weiß natürlich, was du meinst. S16 [00:37:45]: Klar ist es ihr Recht. Die können das schon machen. Nur ihnen muss klar sein, dass sie dann auch wieder genau das reproduzieren, was sie eigentlich vielleicht durchbrechen sollten. Ich habe neulich mit einem gesprochen und der hat mich gebeten, ihm noch seine Männlichkeit gegenzuchecken. Und der ist so totaler Eiserne-Union-Fan in Berlin, Fußballclub. Und dem habe ich gesagt, hey, dir muss klar sein, ich will dir nicht verbieten, zu Fußballspielen zu gehen und deine Mannschaft anzufeuern. Das kannst du schon machen. Ich will dir nur klar machen, dass solange wir keine Weltmeisterschaften im Fußball haben, in denen Männer und Frauen diverse zusammen auf dem Platz gemischt spielen, (.) solange reproduzierst du das immer wieder, indem du dir männliche Spiele anguckst, reproduzierst du immer wieder das, was du eigentlich lösen willst. Und dann hat er gesagt, wie soll ich jetzt nicht mehr so zu Spielen gehen? Ich soll mir das jetzt nicht mehr angucken? Ich habe gesagt, nee, kannst du schon machen. Ich will nur, dass dir bewusst wird, dass du in diesem Augenblick, wo du das machst, einen Männerbund, die Macht von einem Männerbund repräsentierst, den du, du schreibst die Strukturen weiter und tust alles andere, als sie zu durchberechnen. Und dann hat er gesagt, wie Männer und Frauen zusammen spielen auf dem Fußballplatz, ist das gar nicht denkbar, [00:38:46] dass wir jemals Weltmeisterschaften im Fußball sehen, in denen alle gemischt miteinander spielen. Aber bevor das nicht passiert, haben wir keine Gleichstellung erreicht in der Gesellschaft. Sorry, bevor unsere Söhne nicht weibliche Vorbilder im Poster an einer Wand hängen haben, haben wir keine Gleichstellung erreicht. Du bist ja derjenige, der das eigentlich lösen muss. Überlass das nicht den Frauen, überlass das nicht den Minderheiten. Männer begreifen gar nicht, dass sie das Problem sind und auch die Lösung sein können. Das ist so fern, das ist so weit weg. S09 [00:39:12]: Und auch das hängt doch wieder damit zusammen, dass vor allem Menschen, die nicht von Diskriminierung betroffen sind, nur schwerlich strukturell denken. Sie müssen es ja auch nicht. Ich als Frau dachte lange, dass ich aufgrund meiner Persönlichkeit benachteiligt werde. Aber ich meine, irgendwann fiel der Groschen und mir wurde auch klar, dass ich nur eine von vielen bin und es an etwas anderem liegen muss. Wenn weiße Cis-Männer nun kaum in diese lehrreiche Situation kommen, wird es schwer, rauszuzoomen und the bigger picture zu sehen. Fikri Anja Altintasch beschäftigt sich ja als freier Autor mit der Überschneidung von Rassismus und Männlichkeiten und hat mich auf einen Umstand aufmerksam gemacht, den ich so klar auch noch nicht gesehen hatte. S17 [00:39:54]: Nach der Silvesternacht in Köln 2016 wurde ja viel gegen muslimische Männlichkeiten gehetzt, auch von natürlich weißen FeministInnen. So Emma und die sind ja per se, finde ich, also es gibt auf jeden Fall progressivere Organisationen. Was ich aber auch merke ist, dass gerade auch viele Männer, die sich zu den Themen auch Artikel schreiben, auch in größeren Zeitungen Artikel schreiben, das sind weiße Männer, die es teilweise auch nicht lassen können, rassistische Vorurteile gegenüber eben nicht weißen Männlichkeiten auszuspielen. Es wird immer getan, als ob dann die muslimischen Kinder und muslimischen Männer nichts im Haushalt machen, halt so faul sein, weil es ja gewöhnt ist, dass die Frauen alles tun würden. Aber dabei wird immer oft vergessen, so, Deutschland ist genauso auch ein fucking Patriarchat. Das sind Leute, die auch von dem Patriarchat profitieren. Das sind auch Leute, in deren Familien vor allem zum Großteil Frauen die Care Arbeit haben, wo Frauen die Mental Load haben. So das ist, it's not like, it's different. Ich weiß natürlich um Herausforderungen, ich weiß um gewisse Rollenbilder, die stattfinden so. Und das dann auch anzusprechen, ist meine Pflicht. Aber, dass gerade dann auch, wenn es dann zum Beispiel Männer sind, die dann sagen, [00:40:56] ach boah, das sind irgendwelche Macker, das sind irgendwelche Macho-Türken. Das ist dann extrem einfach, weil sie dann sagen, das sind die Macho-Türken, deshalb brauche ich mich nicht ändern, weil da ist das Problem. S09 [00:41:06]: Ja, also so manchen weißen, bio-deutschen Männern fällt es nicht schwer, die strukturelle Ebene bei den anderen zu sehen. Aber, dass sie selbst in patriarchalen Strukturen sitzen, das haben sie noch nicht mitbekommen. Da schauen sie dann wieder nur auf sich selbst, das Individuum und stellen fest, moi, Sexist, Rassist, no. (.) Woanders läuft es schließlich immer nochmal beschissener als in Deutschland. Hauptsache, man muss sich nicht um den eigenen Mist kümmern. (..) Ja, schon frustriert genug, ich würde ja gerne sagen, dass das der Tiefpunkt war. Aber genau über diese gewaltigen Auswirkungen von Männlichkeiten, vor allem auf alle anderen Beteiligten, haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen. Außer in der fünften Podcast-Folge, aber das ist ja jetzt schon ein bisschen her. S17 [00:41:51]: Ein Beispiel, das ich immer gerne für mich als Startpunkt der ganzen Diskussion nehme, ist ganz klassisch, ich so mit 13, 14, wir hatten die ersten Faschings-Partys bei uns in der Umgebung. Wir wussten halt ganz genau, wir gehen halt nur auf diese Partys, um irgendwie bei Mädchen zu landen. Und das haben wir halt immer in einer sehr, sehr dominanten Art gemacht. Das heißt, wir haben in den Raum geschaut, wir haben gesagt, wer hat Lust. Man hat die Person so mit Blicken durchbohrt und dann, wenn es dann mal zu so einer Situation kam, gab es natürlich auch eine Bedrängung, eine Form von, okay, warum denn nicht? Komm, lass doch mal. Also das, was ich meinte mit Selbstverständlichkeit. Ein Moment auch, wo ich Freude dabei gehabt hatte, wie sie an Fasching sich tatsächlich T-Shirts drucken lassen mit der Zahl der Frauen, mit denen sie schon mal was hatten. Das heißt, so diese bewusste performative Reduktion von Frauen auf Zahlen war da halt sehr sichtbar. Das haben da so voll viele Typen gemacht, das kann ich nicht machen. Aber klar, ich hatte auch überlegt, ich muss jetzt auch irgendwas tun, um meine Männlichkeit nicht infrage stellen zu lassen. (.) S09 [00:42:45]: Objektivierung, Sexismus, das ist für viele Frauen Alltag und meistens geht der Kram nun mal von Männern aus. Dass Frauen unter Männern stehen, untermauert schließlich die gute alte Ordnung und bewahrt die Privilegien vieler Männer. In Blues Workshop zu kritischen Männlichkeiten hörten wir einen Poetry Slam, in dem Bente Walemann klar macht, was es bedeutet, wie ein Objekt behandelt zu werden. Hier ein Ausschnitt. S01 [00:43:05]: Und dann sind da Menschen, die meinen, mich einfach anfassen zu können. An meinen Arm, an meinem Rücken, an meinem Kopf und an meinem Arsch. Manchmal im Vorbeigehen, so als ganz zufällig getarnt oder auch mal ganz offensichtlich. Wenn ich mich dann wehre und ich will mich gar nicht wehren müssen, also wenn ich mich dann trotzdem wehre, mit Worten oder auch mal mit der Hand, dann kann ich mich nicht immer auf Unterstützung verlassen. Denn dann kommt mir häufig irgendwer mit, das war ein Versehen, das ist doch ein Kompliment, wenn dich jemand berührt, sei doch nicht so empfindlich. Oh, hab ich jetzt deine Gefühle verletzt? Ich fasse niemanden einfach so an, auch nicht im Vorbeigehen. Ich kann Komplimente auch anders ausdrücken. Ich bin nicht empfindlich, denn das ist mein Körper und ich bestimme, wer meinen Körper anfassen darf. Meine Gefühle sind nicht verletzt. Ich werde einfach behandelt wie ein Gegenstand und das will ich nicht. S09 [00:43:51]: Will das Objekt nicht so, wie der Anfassende will, kann es brenzlig werden. Und damit gebe ich jetzt auch eine Triggerwarnung raus, denn wenn du dich jetzt gerade lieber nicht mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzen möchtest, lass es besser. (....) Nach einer EU-weiten Studie von 2014 hat jede dritte Frau in Europa über 15 körperliche und oder sexuelle Gewalt erfahren. Marginalisierte Gruppen wie Transpersonen, BIPOCs und Menschen mit Behinderung sind noch mal mehr betroffen als weiße Cis-Frauen ohne Behinderung. Hinzu kommt, dass jeden dritten Tag ein Mann in Deutschland seine Partnerin oder Ex-Partnerin tötet. (.) Klar, die übergroße Mehrheit der Männer übt keine Gewalt gegen Frauen aus. Ein Nischenthema ist es trotzdem nicht, auch wenn es immer wieder als solches behandelt wird. Denn Vergewaltigungen gehören zu unserer Lebensrealität wie der Tod und Steuern. Gewalt gilt als sexy und Sexualität als gewalttätig. Diese Gewalt wird verharmlost, verleugnet oder sogar für gut befunden. [00:44:54] Geht es um sexualisierte Gewalt, nennt sich das Ganze dann Rape Culture, Vergewaltigungskultur. Diese Rape Culture beinhaltet erstens Täter-Opfer-Umkehr. Also, dass Frauen empfohlen wird, zum Beispiel keine knappe Kleidung zu tragen, weil naja, ist ja klar, was dann passiert. Genauso gut könnte Männern empfohlen werden, nicht zu vergewaltigen. Das wird aber irgendwie nicht gemacht. (.) Rape Culture beinhaltet zweitens, dass ein Nein einer Frau im Grunde Ja bedeutet. Sie will es eigentlich schon gerne, ziert sich nur kokett, um den Mann noch mehr in Rage zu treiben. Dass erst ein enthusiastisches Ja für Sex vonnöten wäre, halten die meisten für völlig übertrieben. (.) Rape Culture beinhaltet drittens den Mythos des fremden Vergewaltigers im Park, während die Täter in Wahrheit überwiegend aus dem Bekanntenkreis des Opfers kommen. Und Rape Culture beinhaltet viertens, dass Frauen unterstellt wird, dass sie, wenn sie jemand mal so richtig eins reinwürgen wollen, einfach falsche Vergewaltigungsvorwürfe erheben. [00:45:54] Da aber nur 10 bis 15 Prozent aller Opfer sexualisierter Gewalt überhaupt Anzeiger statten, belaufen sich die Falschbeschuldigungen auf einen sehr geringen Anteil der Anschuldigungen. S15 [00:46:04]: Oktoberfest zum Beispiel ist es immer wieder, wo ich dann von anderen Männern zu hören kriege, wegen den Vergewaltigungen, die da ja auch passieren. Wenn die Frauen aber auch ihr Mieder und so weiter, ihre Tracht und dann den Busen und so alles auf dem Tablett darstellen, wo ich auch nur sagen kann, ja, weswegen hat der Mann denn das Recht? Sind wir in einer Steinzeit oder was? S09 [00:46:24]: Eine andere 2014 veröffentlichte Studie zeigte, dass sich 34 Prozent amerikanischer College Studierenden vorstellen könnten, eine Frau zum Geschlechtsverkehr zu zwingen, wenn niemand je davon erführe und es keine Konsequenzen gäbe. Als die Frage so umformuliert wurde, dass auch der Begriff Vergewaltigung darin vorkam, sank die Zahl auf 13,6 Prozent. Von Erinnerung 34 Prozent. (.) Abgesehen davon, dass 13,6 Prozent immer noch ziemlicher Wahnsinn sind und ich insgeheim hoffe, dass da irgendwas nicht stimmt, das Beispiel zeigt, dass die Studierenden keine Ahnung haben, was Vergewaltigung überhaupt ist. Genauso wenig wissen viele Vergewaltiger nicht, in 98 Prozent der Fälle in Europa ist der Täter ein Mann, dass sie Vergewaltiger sind. Dein Date war eigentlich zu betrunken, um überhaupt noch zuzustimmen. Deine Freundin hat schon geschlafen, aber du hattest nun mal noch Bock? Provokant könnte man sagen, Vergewaltigen ist gar nicht mal so schwer. Denn wenn du Sex mit einer Frau hast, obwohl sie gesagt hat, sie will es nicht oder zu bewusstlos ist, um irgendwie zu reagieren, ja. (.) S08 [00:47:32]: Das Gefühl, der Mainstream-Diskurs ist noch an dem Punkt, wo Frauen noch ganz viel zu Opfer stigmatisiert werden, wo es dieses Bild gibt, die Frau wird beim Joggen überfallen und vergewaltigt, was halt einfach in meinen Augen, das ist statistisch gesehen, das macht mich wirklich wütend, eine Minderheit im Vergleich dazu, wie viele Frauen von Freunden und Bekannten vergewaltigt werden. Also das ist einfach so eine höhere Zahl von Menschen, die das einfach im nahen Umfeld erfahren. Und es ist ein ganz perfider Mechanismus in unserer Gesellschaft, das auf Fremde zu schieben. Der fremde Mann im Park, irgendein verzweifelter Perverser oder so, am Rand der Gesellschaft stehende. Und damit verhindert unsere Gesellschaft, dass wir uns damit auseinandersetzen, was in unseren Beziehungen stattfindet, wie da die Machtgefälle sind. Also es zementiert halt so einen Mann in Beschützerposition und Frau in Opferposition. Und wie viele Frauen kenne ich, die, und jetzt ja auch nicht unbegründet, ich will das auch nicht kleinreden, aber die irgendwie dann im Dunkeln Angst haben oder so. [00:48:34] Und das hat auch was damit zu tun, dass man uns unser Leben lang sagt, dass Frauen im Dunkeln Angst haben. Weil es könnte ja potenziell alles passieren. Und das haben viele, viele Frauen auch in ihrem Selbstbild verankert. Und das finde ich extrem traurig. S09 [00:48:47]: Dank des fremder Mann im Park Mythos haben viele Frauen Probleme damit zu erkennen, dass das, was sie erfahren haben, Vergewaltigung war. Einfach weil es in den meisten Fällen nicht in die gängige Definition passt. Tatsächlich waren in der EU-Umfrage von 2014 77% der von sexueller Gewalt betroffenen Frauen der Täter bekannt. Ob Partner, Freund oder Bekannter, Date oder Verwandter, ob nach einer Party, im Urlaub oder im eigenen Zuhause. Die Frau könnte bereits Sex mit dem Täter gehabt haben, ihn vielleicht sogar mögen. Ohne Zustimmung ist Sex aber kein Sex. Am sichersten gehst du nun mal, wenn Partner oder Partnerin aktiv zustimmen. Ganz nach dem Motto, Ja heißt Ja. (.) Ohne Zustimmung hat das Ganze nicht mehr viel mit Sex, sondern eher mit Macht zu tun. Deswegen gibt es ja auch so viele Vergewaltigungen in Kriegsgebieten. Sie sind ein Mittel der Unterdrückung. (........) Und mit der Macht ist es so eine Sache. (.) S13 [00:49:49]: In ihrer Jugend wurde ihnen suggeriert, sie würden die ganze Welt auf einem Silbertablett serviert bekommen. Und jetzt können sie sich nicht selten aus Bequemlichkeit nicht ein Mal im Brot schmieren. Das höre ich zumindest von den anonymen Männern im Internet, die mir sagen, ich soll in die Küche gehen und ihnen eins schmieren. S09 [00:50:06]: Laurie Penny merkt an, dass die meisten Männer überhaupt nicht mächtig sind. Patriarchat bedeutet ja auch, dass wenige mächtige Männer über den Rest der Gesellschaft herrschen. Das ist ja wohl das Mindeste, dass Männer wenigstens gegenüber Frauen und Kindern Macht ausüben. S13 [00:50:20]: Das wirkt dann wie eine Beruhigungspille. S09 [00:50:22]: Diese Machtgefälle gibt es natürlich auch unter Männern. S03 [00:50:25]: Wenn ein Junge morgens den Schulhof betritt, zieht er die Schulter nach hinten und streckt die Brust raus. Er sondiert die Lage, schaut, ob die Luft rein ist, ob mögliche Mobber da sind und hofft das Beste. Die meisten Jungen und Männer kennen die Bedrohung, die von anderen Geschlechtsgenossen ausgeht. S09 [00:50:40]: Das erklärt auch meine Verwirrung gegenüber Männern, die sich als besonders hart und stark inszenieren. Als Frau bin ich es ja gewohnt, dass sich Frauen eher für Männer schön machen als für sich selbst. Aber so viele harte Jungs, wie es gibt, gibt es wirklich so viele Frauen, die darauf stehen? So war meine Rechnung. (.) Aber die Rechnung ging halt nie richtig auf. Dass Männer gern gefährlicher wirken, als sie sind, gilt ja eher anderen Männern. Das machen die nicht aus Flirtgründen mit Frauen. Sie machen das, damit sie einfach ihre Ruhe haben und keinen Stress mit anderen Männern bekommen. Darüber habe ich vorher tatsächlich so nie nachgedacht. In der Netflix-Doku The Mask You Live In gibt es dazu eine berührende Szene, in der in Stuhlkreismanier unter Jungs reflektiert wird, was tatsächlich in ihnen vorgeht. Sie bekommen eine Art Maske und schreiben erstmal vorne drauf, was sie aussagen soll. Ja, da steht dann sowas wie Stärke, Selbstbewusstsein. Auf die Rückseite wird dann notiert, was wirklich los ist. (........) S03 [00:51:43]: Frauen überlegen, was sie anziehen, welche Wege sie gehen können, zu welcher Uhrzeit und mit wem. Männer sorgen dafür, dass ihre Kleidung, ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre Gestalt signalisieren, man solle sich besser nicht mit ihnen anlegen. Angriff ist die beste Verteidigung. S09 [00:51:58]: Wenn das alles so blöd für alle, auch für Männer ist, warum sind wir dann nicht schon längst viel weiter? Ein Grund könnte sein... S08 [00:52:06]: Wenn Männer von ihren Freundinnen oder von ihren PartnerInnen oder von ihrem näheren Umfeld darauf gestoßen werden, sich mal mit ihrer Männlichkeit auseinanderzusetzen, dann berührt das wahrscheinlich als erstes die Beziehungsebene. Und es kommt irgendwas an von wegen du bist ungenügend, du bist falsch, du bist auch so ein Macho, Arschloch, Sexist. Und dann baggert man sich wahrscheinlich erstmal ewig durch dieses Beziehungsverletzungsgeflecht, bevor man zum eigentlichen Punkt kommt. Oder noch viel schlimmer, es läuft richtig schief und bei dem Mann geht irgendwas zu und er kommt da erstmal gar nicht mehr dran. Da ist eine Mega-Blockade oder so. Das ist bestimmt auch häufig vorgekommen. S09 [00:52:40]: Männer, die noch nicht mit der kritischen Reflexion ihrer Männlichkeit begonnen haben, sind das eine. Doch wie geht es denen, die schon losgelegt haben? (.) S15 [00:52:49]: Ich versuche wirklich aufmerksam zu sein, aber der Habitus sitzt so drin. Manchmal haben wir eigentlich beide das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Aber wir können uns immer wieder gut einfangen und kriegen es immer wieder positiv weiter, weil doch vieles einfach da ist. Aber es ist ein echtes Arbeiten. S09 [00:53:08]: Habitus ist übrigens auch so ein soziologisches Konzept. Pierre Bourdieu meint damit kurz gefasst, dass man an Menschen anhand ihres Verhaltens ablesen kann, aus welcher gesellschaftlichen Schicht sie kommen. Wie und was wir trinken, was wir schön finden, wie wir sprechen, mit welchem Selbstverständnis wir Räume betreten und unser Umfeld, gravieren uns den Habitus ein und verraten, wo wir herkommen. Der Habitus lässt sich verändern, aber nie ganz vergessen. Wenn jetzt also der Workshop-Teilnehmer von Habitus spricht, meint er vermutlich all die übermäßig männlichen Verhaltensweisen, die er ja nicht mehr leben wollte, aber die nun mal eingraviert sind und nicht so schnell verändert werden können. Ein weiterer Grund, warum wir also nicht schon viel weiter sind, ist also, es dauert und es ist sau viel Arbeit. Was noch? (.) S13 [00:53:59]: Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, in der es für jede männliche Person strukturell schwierig und existenziell aufreibend ist, sich nicht wie ein komplettes Arschloch aufzuführen. S09 [00:54:09]: Schreibt Lori Penny. Und auch ein Freund meinte neulich zu mir, ganz ehrlich, ignorant lebt es sich eben auch ganz gut. Es ist der einfache Weg. Zum Glück liest dieser Freund aber auch The Will to Change von Bell Hooks. Ich höre das wie gesagt gerade und kann es nur empfehlen. Das Buch ist übrigens auch Grundlage in einem Kurs, der mal in einem US-Gefängnis angeboten wurde. In der Doku The Feminist in Cellblock Y auf YouTube kannst du Mördern und Bankräubern ernsthaft dabei zuschauen, wie sie über das Patriarchat diskutieren und das, was sie auf die schiefe Bahn gebracht hat, mit ihrer übertriebenen Männlichkeit in Verbindung bringen. Augenöffnend fand ich besonders eine Szene, in der einer der Häftlinge darauf hinwies, dass das ja alles schön und gut wäre und dass er auch wirklich versuchen möchte, das Gelernte in seinem eigenen Leben anzuwenden. Aber was soll er mit seinem Sohn machen? Wenn er ihm beibringt, dass all diese vermeintlich unmännlichen Verhaltensweisen okay sind, dann könnte er in der Schule gemobbt werden und manche Mobbing-Opfer begehen sogar Selbstmord. [00:55:09] Also wie soll das gehen? Der Kursleiter antwortet dann, ich verkürze das jetzt, dass ganz schön viel hypothetisches Was-wäre-wenn da drin ist und wir damit schlecht begründen können, dass wir uns weiter männlich aufführen und mobben, damit wir selbst nicht gemobbt werden. (......) Irgendwie muss der Kreislauf ja unterbrochen werden. Das beantwortet meine, warum sind wir eigentlich nicht schon viel weiter-Frage auch ein bisschen. Die Männer können sich gar nicht vorstellen, wie ein Leben ohne diese Männlichkeitsnorm aussehen sollen. Es ist die Angst vor dem Unbekannten, die zurückhält. Also, richtig interessante Doku und sehr gut für Momente, die ein bisschen Hoffnung vertragen können. Den Link findest du in den Shownotes. (.) Sich kritisch mit Männlichkeiten auseinanderzusetzen, muss ja aber nicht erst im Knast passieren. Und es machen ja mittlerweile auch schon ein, zwei andere. Wie sie da hingekommen sind und was dadurch entstehen konnte, hörst du jetzt in, richtig, einer Ansammlung von Schlüsselmomenten. (.) [00:56:12] Fikri Arne Altintosch. S17 [00:56:13]: Ich hatte eine Beziehung, die mich sehr stark verändert hat und die extrem viel Aufarbeitung ausgelöst hat. Und in dem Aufarbeitungsprozess und aber auch der Therapie, ich hab erst mal ein Verhalten sichtbar gemacht für mich im Kopf und hab gemerkt, ich war extrem übergriffig, ich war extrem raumeinnehmend, ich war extrem toxisch. Ich hab dann quasi angefangen, mal das in einen Text aufzuschreiben und hab dann mal so ein bisschen meine Studiezeit so ein bisschen reflektiert und hab dann so an kleine verschiedene Momente in meiner Jugend gedacht und dachte so, wow, krass, wenn das schon sexistisch ist, dann muss das, das, das, das auch schon extrem problematisch gewesen sein. Du musst dir vorstellen, ich bin so in einem Raum, es gibt so viele Töpfe, bei denen man weiß, da wird irgendwas drin sein, man will es eigentlich gar nicht öffnen. Aber jetzt versuche ich so ein bisschen, so ein paar Töpfe aufzumachen, um zu gucken, was da eigentlich drin ist und wie viel eigentlich verfault ist und so ein bisschen davon zu lösen. Und es ist ein Prozess und den hab ich jetzt angefangen vor zwei Jahren. S09 [00:57:04]: Und wie war das bei Christoph May? S16 [00:57:06]: Ich hab die Männerfantasien gelesen von Teve Light. Dann hab ich gemerkt, wow, das sind dieselben Sachen, faschistischer Körperpanzer und so, die immer noch im Kino total aktuell reproduziert werden. Und meine Partnerin ist damals krank geworden und ich hab gemerkt, dass es mir selber schwerfällt, über Gefühle zu sprechen und dass ich da ran muss und lernen muss, erstmal darüber zu sprechen, so eine emotionale Sprache zu entwickeln. Und dann hab ich gemerkt, was diese Filme und Serien mit mir machen, körperlich auch, dass ich danach rausgehe und mich gestärkt fühle in meiner Männlichkeit. Und dass das aber auch möglicherweise ein Riesenproblem ist, weil ich im Grunde immer so als Flucht ins Kino gegangen bin, so als ich nehm mich raus aus der Welt. Ich will jetzt abschalten, ich will damit nichts zu tun haben. Und dann hab ich gemerkt, was das körperlich mit mir macht, diese Geschichten. Und vor allem, was es mit mir macht, wenn ich das aufbreche, wenn ich andere Geschichten lese, die das nicht repräsentieren. Plötzlich kriegt man sofort ein ganz anderes Bild auf die Welt, weil es sind viele Reichhalte, es sind viele Diverse, es ist einfach das ausschlaggebende Buch. Das war A Little Life von Janua Hanna-Yidare. S14 [00:57:58]: Ja, das ist so toll, das lieb ich auch. S16 [00:58:00]: Wow, und danach hab ich gemerkt, was möglich ist in der Literatur und was ich jahrzehntelang verpasst hab. S09 [00:58:06]: Und die Herren aus Blues Workshop zu kritischen Männlichkeiten dürfen natürlich auch nicht fehlen. S15 [00:58:11]: Vor zwei Jahren hab ich ein Burnout gehabt, richtig heftig, mit Depressionen. Und bin dann an eine Therapieform gekommen, 60 Minuten provokative Therapie. Und hab dann sechs Wochen Klinik gemacht. Und mit Tanztherapie und Kunsttherapie und so solchen Geschichten bin ich wieder weitergekommen und wieder aufgetaucht. Und hab immer gesucht, plötzlich sind wir auf den Christoph May gestoßen, meine Frau. Und dann hab ich von dem ausgehend praktisch mal so weitergesucht mit dem Richtwort kritische Männlichkeit und bin eben auf diesen Blog gestoßen. Jana Schalster, ja. Und als ich das gelesen hab, da bin ich in tiefe Entspannung gefallen, weil ich einfach so gesehen hab, genau das ist es. Ich muss nicht den Macker machen, sondern es gibt viele andere Männer noch, die auch auf der Suche sind und andere suchen. S02 [00:59:03]: Und zwar hab ich im Dezember zufällig einen Radiobeitrag gehört, in dem es um toxische Männlichkeit ging und um Beziehungsgestaltung, Beziehungsführung. Und Beziehung ist bei mir schon länger so ein Wunsch und hat aber nie wirklich funktioniert. Und irgendwie war das dann ein paar Tage präsent und ich arbeite im Stadttheater in Freiburg. Und da war dann eine Aufführung mit Männern mit Krebs und die hatten eine super krasse Ausstrahlung. Also so eine sanfte, starke, gemeinsame Ausstrahlung. Und das hab ich bei Männern so noch nie gesehen und ich war so, wow, krass. Und dann bin ich danach zum Choreografen, die erzählt haben, dass bald darauf ihr neues Stück anfängt. Und dann wurde danach gefragt, ob da noch Plätze frei sind. Und so kam ich dann zu dem Theaterstück über Gender Identity. Und das war eigentlich mein erster Kontaktpunkt mit dem Thema. Zu hinterfragen, hey, was bedeutet Männlichkeit, was bedeutet Leiblichkeit, wie positioniere ich mich darin. Wie sind die Rollenbilder gerade, was ist eine coole Haltung für alle, wann bezieht man Stellung. Das ist ein großes Thema. Und dann aber konkret in der Beziehungsgestaltung Emotionen zeigen, zulassen. Da merke ich, dass ich da häufig sehr distanziert bin und stark sein will. [01:00:07] Und für beide Seiten ist das nicht so gut. S12 [01:00:10]: Einmal möchte ich vor allem mein eigenes Verhalten auf den Prüfstand stellen. In welchen Situationen reagiere ich falsch, nicht förderlich. Wo kommt diese dominante männliche Attitüde immer wieder raus. Und die Verhaltensmuster möchte ich erkennen und daran arbeiten. Und da ich aus einem Umfeld komme, wo das nicht ansatzweise Thema war jemals, ist es immer noch relativ neu. Da gibt es noch sehr viel zu entdecken und das möchte ich entdecken, um da wenigstens für mich sagen zu können, ich verhalte mich irgendwann halbwegs richtig. S09 [01:00:40]: Eine Art der kritischen Reflexion von Männlichkeiten hätte neulich sogar im Fernsehen stattfinden können. Hätte. Es ist jetzt schon wieder ein bisschen her, aber während meiner Interviews war es noch der heiße Scheiß. Das Männerwelten-Video auf ProSieben, das von Sophie Passmann moderiert wurde und in der Sendezeit von Joko und Klaas zur Primetime ausgestrahlt wurde. 2 Millionen ZuschauerInnen wurden erreicht, auf YouTube gab es nochmal 4 Millionen Aufrufe und das, obwohl sich öffentlich über Dickpics, sexuelle Belästigung und Gewalt beschwert wurde und ausschließlich Frauen zu sehen waren. Also eigentlich unzumutbar. (.) Ich persönlich mochte die Aufbereitung der Infos in Form einer Kunstausstellung sehr gerne. Kritik wurde laut, weil sich Bipox und Transpersonen wenig bis gar nicht repräsentiert sahen. Außerdem wurde die Zusammenarbeit mit Terre de Femme kritisiert, weil dem Verein Islamfeindlichkeit und Transfeindlichkeit vorgeworfen werden. (.) Es gibt aber noch einen anderen Kritikpunkt. S15 [01:01:39]: Also zum Beispiel, dass Joko und Klaas nicht dabei waren. Sie hätten sich mit hinstellen müssen, im Sinne von kritischer Männlichkeit. Zumal, was ich jetzt alles so gelesen habe, das eben ja 2012 und auch in einer anderen Sendung war es ja noch, wo sie selber sexistisch volles Rohr drauf waren. Sie haben sich zwar hinterher entschuldigt, aber es wäre die Gelegenheit gewesen zu sagen, ja, wir haben auch das und jenes und es tut uns leid und wir wollen anderes. S09 [01:02:05]: Ich fand Jürgens Vorschlag ehrlich gesagt nicht so toll. Schließlich wollten Joko und Klaas die Bühne den Frauen überlassen. Warum sollten sie dann mit draufstehen? Dann schlug Margarete Stokowski in ihrer Spiegelkolumne vor, dass Joko und Klaas die Sendeminuten für ein bisschen Reue hätten nutzen können. Und ich fand die Idee genial. Ich checkte erst im Nachhinein, dass Jürgen genau das gleiche vorgeschlagen hatte. Sorry dafür. Muss offensichtlich ein bisschen nachjustieren und auch alten weißen Männern wieder Gehör schenken. (.) Wie so eine Reflexion aussehen kann, also nur, falls Joko und Klaas das Geräude hören, zeigt ein Freund von mir. S11 [01:02:40]: Eine konkrete Situation, in der ich auf jeden Fall mich übergriffig gegenüber einer Frau verhalten habe, ist mittlerweile relativ genau zehn Jahre her. Da habe ich noch in einer anderen Stadt gewohnt. Ich hatte eine Bekannte zu Besuch, die ich über ein oder zwei Ecken kannte und vorher erst ein oder zwei Mal getroffen hatte. Sie war in der Stadt und brauchte einen Pennglatz. Da habe ich einfach angeboten, dass sie bei mir schläft. Sie kannte auch niemanden anders in der Stadt, deswegen war sie auch so ein bisschen drauf angewiesen. Ich habe das dann irgendwann nachts schamlos ausgenutzt, weil wir keine Schlafcouch hatten und sie auch keine Isomatte dabei hatte. Deswegen musste sie bei mir im Bett schlafen. Ich habe die Situation ausgenutzt und habe mich körperlich an sie herangemacht, (.) bis sie mir deutlich gemacht hat, dass sie das auf jeden Fall nicht will. Dann habe ich es sofort sein lassen. Trotzdem, je länger ich im Nachhinein darüber nachgedacht habe, ist mir bewusst geworden, dass ich ihr in dem Moment die Situation ausgenutzt habe, [01:03:42] in der sie keine andere Wahl hatte, in der sie bei mir schlafen musste. Ansonsten hätte sie auf die Straße gehen müssen. In der Situation habe ich im Nachhinein realisiert, dass ich mich maximal übergriffig ihr gegenüber verhalten habe. S09 [01:03:56]: Vielleicht ist das ja auch ein Anstoß, selbst mal zu überlegen, ob da nicht hier und da was war. S05 [01:04:03]: Ein anderes Thema, das ich immer wieder spannend empfinde, ist, wie kann ich einen liebevollen, wertschätzenden Blick auf mich selber behalten. Also mich nicht selber aburteilen, mich nicht selber zu verurteilen. Für die Strukturen, in denen ich geboren und aufgezogen wurde, für die Strukturen, in denen ich immer noch lebe und die ich immer wieder reproduziere. Also wie kann ich das Ganze, wenn ich es drastisch sagen möchte, nicht in einer Form des Selbsthasses und der starken Selbstverurteilung abhandeln. S09 [01:04:29]: Näher zu Selbsthass, das wollen wir nun auch nicht. Vielmehr, zumindest beschreibt es Jens van Tricht so, geht es ums Annehmen als ums Abstoßen. Er nennt das tatsächlich die eigene weibliche Seite befreien und umarmen. Klingt für mich ein bisschen komisch, aber was ich daran interessant finde, ist, dass er klar sagt, dass er all diese weiblichen Eigenschaften, zum Beispiel Empathie, schon hatte und gar nicht neu dazulernen musste. Seine Empathie war nur völlig zurückgedrängt und verschüttet. Diese dann wieder hervorzuholen, zu entwickeln und zu nutzen, von mir aus auch zu umarmen, ist, was den Menschen ausbalanciert. Weil wir doch alle, egal welchen Geschlechts, über einen riesigen Schatz aus verschiedensten Eigenschaften verfügen. Nicht unsere Geschlechterrolle, sondern wir selbst sollten entscheiden, was davon weiterentwickelt wird und was nicht. Und um das von letzter Folge noch zu klären, den von Jens van Tricht gewählten Begriff Männeremanzipation finde ich doch nicht so passend. Das hatten wir ja schon mal, zur Zeit der Aufklärung emanzipierten sich die Männer ja bereits, [01:05:32] auf Kosten der Frauen. Die wurden damals schon nicht mitgedacht und kämpfen, bis heute gleichberechtigt zu sein. Jack Irwin schreibt in seinem Buch Boys Don't Cry abschließend (37 Sekunden Pause) Also es wird Zeit, Stunden am Küchentisch zu verbringen und sich in die eigene Psyche hineinzudenken. Ich möchte keine Panzer mehr knacken. Das kann jeder Mann und jedes Cool Girl für sich selbst tun, aus reiner Selbstliebe. Und aus Liebe zu denen, die drumrum leben. [01:06:34] Ich bedanke mich bei allen Beteiligten dieser Folge. Christoph May, Figri Anja Autintasch, Blue von Queertopia, den Teilnehmern des Workshops zu kritischen Männlichkeiten und natürlich danke an alle SprachnachrichtlerInnen. (.) Ich verbleibe, wie immer, mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Tschüss.