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Folge 45 - Protestieren als Feminist*in - mit Lea Bonasera von "Die letzte Generation" und "Guter Grund"

Mich machten die Aktionen von "Die letzte Generation" skeptisch. Sie wirkten kurzschlussartig. Erst als ich das Buch der Mitgründerin Lea Bonasera las, verstand ich, dass ich da einer medialen Erzählung auf den Leim gegangen war: Friedlicher Protest ist genau das Gegenteil von random Aktionen und brauchen viel Vorbereitung und Training. Wenn Lea protestiert, achtet sie auf guten Schlaf und ausgewogene Mahlzeiten wie Marathonlaufende.

Neben ihrem Aktivismus ist sie Wissenschaftlerin und promoviert zu zivilem Ungehorsam. Diese Mischung aus Theorie und Praxis hat mich extrem interessiert: Wir sprechen über Protest als Grundrecht in einer Demokratie und wie er gezielt eingesetzt werden kann. Außerdem frage ich Lea, welche Rolle die feministische Perspektive spielt – sowohl historisch als auch in aktuellen Bewegungen. Und ganz nebenbei erfährst du von Leas Werdegang von der CDU-Wählerin zur Klimaaktivistin.

45 - Protestieren als Feminist*in - mit Lea Bonasera von "Die letzte Generation" und "Guter Grund"Laura Vorsatz
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Shownotes zur Podcastfolge:

Lea Bonasera: Die Zeit für Mut ist jetzt! (auf buch7)

Guter Grund auf Instagram

https://guter-grund.info/

Who the hell is Diane Nash? [YouTube]

Rede von Martin Luther King: I have a dream [YouTube]

Ausschnitt Gespräch mit Olaf Scholz [YouTube]

Knapp 350 Methoden des friedlichen Protests

Podcast: Tee und Taktik

GoFundMe Kampagne für Leas Podcast "Tee und Taktik"

Feminismus mit Vorsatz: Widerständig bleiben

1000Dank an Lea und Zitateinleserin Antonia!

Musik von slip.stream

Coverdesign: Svenja Limke

Titelmusik: Louis Schwadron

Sneak Peak Protestieren als Feminist_in.png

Diane Nash von den Freedom Riders: "We cannot let violence overcome non-violence"

Transkript

Die Folge als Text!

Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit noScribe Vers. 0.5 erstellt und ist nicht perfekt.

S04 [00:00:22]: Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund um feministische Perspektiven. Mit mir, Laura. Die Bundestagswahl liegt hinter uns und nachdem ich in der letzten Folge mit Suki über Parteien und wie es ist, einer beizutreten gesprochen habe, danke übrigens für euer sehr positives Feedback. Zum Beispiel von Tobias, der schreibt, ich bin so begeistert, gerührt, betroffen, wach und hatte noch nie das Gefühl, dass mir jemand so ins und aus dem Herzen spricht. Danke. Heute geht es um eine freie Reform des politischen Seins, friedlicher Protest bzw. ziviler Ungehorsam. (.) Weil ich denke mal, ziemlich viele Menschen fragen sich, wie sie sich einbringen können, wie sie was verändern können und wenn es eine Parteimitgliedschaft nicht tut, dann vielleicht eine Aktion auf der Straße oder so. Ich habe mich dazu mit Lea Bonassera unterhalten. Sie schreibt ihre Doktorarbeit zu zivilem Ungehorsam und sie hat ursprünglich die letzte Generation mitgegründet. [00:01:24] Sie kennt sich also nicht nur als Wissenschaftlerin bestens aus, sondern auch als Person, die sich mit einem Hungerstreik ein Gespräch mit Olaf Scholz erkämpft hat und eben auch schon auf Straßenkreuzungen klebte. Wir erinnern uns, so war das mit diesen sogenannten Klimaklebern. Um Aufmerksamkeit für die Klimakatastrophe zu bekommen, wurden Gemälde in Museen, die hinter Schutzglas hingen, mit Tomatensauce attackiert und Straßenkreuzungen blockiert, indem sich mehrere ProtestlerInnen mit Sekundenkleber am Asphalt befestigten. Das Medienecho war sehr groß, die Frage, wie sinnvoll diese Aktionen für das Klima sind aber auch. Ehrlich gesagt war ich auch eher skeptisch, weil die Aktionen der letzten Generationen irgendwie kurzschlussartig wirkten, irgendwie nicht so richtig durchdacht. Und erst als ich Leas Buch »Die Zeit für Mut ist jetzt« las, wurde mir klar, dass ich da eine Erzählung der Medien auf den Leim gegangen war. Gerade konservative Medien und Parteien wollen nicht, dass sich was ändert und deshalb müssen [00:02:29] solche Protestformen kleingeredet werden. Es müssen Protestierende als Klimakaotinnen hingestellt werden. Denn sehr wahrscheinlich wissen diese Konservativen ganz genau, friedlicher Protest ist einer der mächtigsten Formen des Widerstands und hat gar nichts mit Kurzschlussreaktion zu tun. Im Gegenteil, dahinter steckt sehr viel Vorbereitung, Training und Planung. Mit Lea Bonasera spreche ich über die Prinzipien zivilen Ungehorsams. Warum ist Protest ein Grundrecht in einer Demokratie? Wie kann er gezielt eingesetzt werden? Welche Rolle spielt die feministische Perspektive, sowohl historisch als auch in aktuellen Bewegungen? Und wo gibt es vielleicht auch Probleme innerhalb der Strukturen, wenn es um Geschlechterrollen geht? Lea erzählt unter anderem, was sie von der Bürgerrechtsbewegung in den USA gelernt hat, dass Frauen in Protesten oft die Hintergrundarbeit machen, aber Männer im Rampenlicht stehen. Und warum Leas neue Bewegung, Guter Grund, einen anderen Weg geht. [00:03:32] Denn tatsächlich ist Lea wegen strategischer Uneinigkeiten nicht mehr Teil der letzten Generationen. Bei knapp 350 möglichen friedlichen Protestformen kann das schon mal vorkommen, dass man sich da nicht mehr so einig ist. Fast 350 Möglichkeiten gibt es übrigens auch, Feminismus mit Vorsatz zu unterstützen. Kassensturz seit der letzten Folge 585 Euro. Das heißt im Vergleich zum letzten Mal sind wir von meinem Ziel 1200 Euro pro Folge einzunehmen wieder etwas abgekommen. Dafür hat sich zum Beispiel Christine für eine monatliche Steady-Mitgliedschaft von knapp 27 Euro entschieden. Anna überweist jeden Monat 3 Euro und Sarah 5 Euro direkt auf mein Konto und Nathalie und Babette haben über Paypal jeweils ganze 100 Euro sprengen lassen. Jeder Tal erzählt. Also Paypal, Direktüberweisung oder Steady-Mitgliedschaft. Genauso kann die feministische Reise weitergehen. Aus der Selbstausbeutung bin ich nicht raus, aber ich hab halt auch noch sehr viel vor. [00:04:35] Verstehst du? Das ist so das Ding. Auch die nächste Folge wird wieder Community finanziert sein. Deshalb freue ich mich, wenn der Zuspruch nicht abreißt und auch du dich bei den SupporterInnen einreißt. Wer will da nicht ernsthaft dazugehören? Infos dazu findest du in den Shownotes. (.) Jetzt stelle ich dir Lea Bonasera vor. Sie ist nämlich, wer kann's glauben, gar nicht als Klimaaktivistin geboren. (..) Also ich hatte ja im Buch auch gelesen, dass du sogar ursprünglich bei deiner ersten Wahl die CDU gewählt hast, die ja jetzt nicht gerade als klimafreundliche Partei zu bewerten ist. Und da stellt sich natürlich umso mehr die Frage, wie bist du von ich wähle die CDU zu, ich forsche zu Protest und bin auch selber Aktivistin gekommen. (.) S06 [00:05:27]: Ja, also ich hatte einen relativ anderen Plan, was ich mit meinem Leben machen will. Ich wollte schon in der Uni bleiben und mir hat das sehr viel Spaß gemacht zu studieren. Aber als ich in meinem Abitur in mein Bachelorstudium gegangen bin, das war 2015, da an der Uni so erzählt wurde, es gibt eine Klimakonferenz in Paris, hatte ich mit Klima nicht so viel am Hut. Also hab zu dem Zeitpunkt auch noch Fleisch gegessen, CDU gewählt. Hab mich nicht so viel um meine Umwelt, sag ich mal, gekümmert. Also ich war schon relativ empathisch und mir sind Ungerechtigkeiten schon nahegegangen. Aber ich hab jetzt mich auch engagiert als Schülersprecherin oder so, aber ich war jetzt nicht doll in der Klimabewegung oder so aktiv und bin dann hauptsächlich mitgefahren, um erstmal Leute kennenzulernen, weil ich dachte, das ist irgendwie ein guter Einstieg, um Freunde zu finden. Und hab dann auf dieser Konferenz eben ganz viele neue Informationen gelernt, wie schlimm es eigentlich steht, um so unsere Erde und die Umwelt und die Tiere und auch um uns Menschen [00:06:29] und ja, was für viele Ungerechtigkeiten es eigentlich gibt. Aber es hat jetzt nicht direkt bei mir was ausgelöst, dass ich irgendwie sofort total aktiv geworden bin, sondern es hat sich eher so über die nächsten drei, vier, fünf Jahre gezogen, dass ich erstmal kein Fleisch mehr gegessen habe, irgendwann dann vegan geworden bin. Also viel so dieser Tieraspekt hat mich erstmal beschäftigt und dann, nachdem das so sag ich mal durch war, hab ich dann irgendwann nochmal durch Fridays for Future und so einen Anschluss bekommen, dass ich mich auch nochmal mehr mit dem Umweltthema beschäftigen will und bin so erst eingestiegen. Und es hat mich zu dem Zeitpunkt ziemlich überfordert alles und traurig gemacht, gerade auch, weil irgendwie Menschen in meinem direkten Umfeld das erstmal nicht so gesehen haben und da hab ich mich sehr alleine mitgefühlt. Und ich hatte aber das Glück und da bin ich wirklich sehr froh, dass ich zu dem Zeitpunkt meine Masterarbeit geschrieben habe in England damals und da war Extinction Rebellion ziemlich groß und so auf das Thema ziviler Ungehorsam oder ziviler Widerstand aufmerksam geworden bin und hab dadurch, dass es Covid war, sehr viele Tage und Nächte mir alle mögliche [00:07:34] Literatur zum Widerstand reingezogen. Und das war dann für mich irgendwie total klar, wir haben dieses naturwissenschaftliche Problem, aber wir haben sozialwissenschaftlich so viele Lösungen und das müssen wir jetzt zusammenbringen. (.) Und genau, dann meinte meine damalige Supervisorin für den Master, du bist noch viel zu jung für deinen Doktor, sammle erstmal ein bisschen Lebenserfahrung und geh mal in eine Protestbewegung. Dann hab ich das gemacht und nicht mehr aufgehört damit. Ahh, voll gut. S04 [00:08:04]: Ja. Wie bist du dann damit umgegangen? War es dann leicht für dich, in die Praxis zu kommen oder wie ging es dann weiter? (.) S06 [00:08:13]: Ja, es war in dem Sinne leicht, dass ich halt schon über die Interviews, die ich für die Arbeit geführt hatte, Kontakte hatte, vor allen Dingen zu Extinction Rebellion und mir auch in der Masterarbeit angeschaut habe, was könnte die Kampagne eigentlich anders machen und auch ganz viele Sachen in der Theorie gesehen habe und die Theorien, so wie ich sie verstanden habe, irgendwie in der Praxis ganz anders umgesetzt wurden. Das hat mich schon neugierig gemacht, in dem Sinne zu schauen, okay, warum machen sie bei Extinction Rebellion die Sachen so, wie sie sie machen und warum probieren wir nicht noch das, das und das aus. Und ich war, glaube ich, eher so aufgeregt und motiviert, jetzt selber mal diese Theorien in der Praxis zu testen und zu verbessern. Und ja, genau, das treibt mich ja jetzt mit der Doktorarbeit auch immer noch an. Immer so dieses gegenseitige Befruchten von, ich sehe Probleme in der Praxis, dann schaue ich in meine Bücher, vielleicht gibt es da eine Lösung oder Ideen, Inspirationen und das kann ich dann wieder testen. Oder es gibt auch noch keine Lösung in der Praxis und dann versuche ich, die in der Theorie rauszufinden. Also es ist immer ganz spannend. (..) S04 [00:09:16]: Schauen wir doch mal in Leas Buch. Was ist ziviler Widerstand? Die friedliche Invasion der Insel Helgoland, die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR oder die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 70ern in der BRD sind Beispiele von gewaltfreiem Widerstand in Deutschland. Was macht ihn aus? Lea schreibt. (..) S03 [00:09:37]: Erstens, ziviler Widerstand ist eine strategische Methode. Zweitens, er ist immer friedlich. Besonders der erste Punkt bietet eine gute Gelegenheit, denjenigen, die sich darüber aufregen, wie kopflos Menschen im Protest agieren, zu erzählen, wie durchdacht ziviler Widerstand eigentlich ist. Dass ich kein trotziges Kind bin, das sich aus spontaner Wut auf den nassen Asphalt der Berliner Autobahn setzt oder vor dem Kanzleramt in den Hungerstreik tritt. (.) Dass ziviler Widerstand keineswegs ein verzweifelter Akt oder letztes Mittel ist, welches unkontrolliert eingesetzt wird. Eins der häufigsten Missverständnisse über den zivilen Widerstand ist, dass er aus plan- und wahllosen Protesten bestehen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Bei jedem Protest habe ich mich bzw. hat eine Gruppe sich bewusst und strategisch entschieden, genau diese Methode zu wählen. An diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt, mit diesen Folgen. S04 [00:10:38]: Lea betont, dass sie natürlich nie alles genau voraussagen kann. Aber bei einer Straßenblockade wird sichergestellt, dass alle Protestierenden in Friedlichkeit trainiert sind und dass UnterstützerInnen da sind, die den WiderständlerInnen bringen, was sie brauchen und Gewalt, die von der Polizei oder AutofahrerInnen ausgeht, dokumentieren. Diese UnterstützerInnen sind es auch, die den Überblick darüber behalten, wer verhaftet wird und die zur Polizeistation kommen, wenn die Protestierenden wieder freigelassen werden. (..) Um selbst tipptopp für derlei Proteste vorbereitet zu sein, achtet Lea darauf, keinen Alkohol zu trinken, gesund zu essen und ausreichend zu schlafen. Trainieren wie für einen Marathon, Lea schreibt. (.) S03 [00:11:24]: Nur so schafft man es, selbst in Extremsituationen, in denen es zu Gewalt von anderen BürgerInnen oder der Polizei kommen kann, absolut ruhig und friedlich zu bleiben. (.) So summe ich mir gegen Aufkommen der Anspannung leise ein Lied vor, um mich runterzubringen. Und ich achte darauf, dass meine Bewegungen langsam sind. Menschen, die bei mir schon einmal ein Training gemacht haben, kennen den Spruch, den ich in diesem Zusammenhang immer wieder sage. Es gibt keine Situation, in der man rennen sollte. (.) Rennen wirkt immer hektisch und aufgeregt und das ist ein Zustand, den wir nicht erreichen wollen. Es geht darum, sich auf allen Ebenen friedlich zu verhalten, um das volle Potenzial des zivilen Widerstands entfalten zu können. S04 [00:12:10]: Ein großes Vorbild von Lea ist Diane Nash. Sie ist eine US-amerikanische Aktivistin, die eine zentrale Rolle in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre spielte und sich für die Rechte von schwarzen Menschen einsetzte. Dabei war sie Teil der Freedom Riders, die in Überlandbusse stiegen, obwohl die für Weiße gedacht waren. In einem Audioschnipsel, den Lea für unser Gespräch mitgebracht hat, können wir den Assistenten des Generalstaatsanwalts John Seigenthaler hören, der den Auftrag hatte, die Freedom Riders aufzuhalten, weil diese bereits brutal angegriffen worden waren, als sie im Süden der USA angekommen waren. (.) Und er so war, ey, das wird einfach richtig blutig, wenn ihr da nochmal hinfahrt. Von seinem Telefonat mit Diane Nash berichtet er. (29 Sekunden Pause) [00:13:27] Warum ist dir das so wichtig, dieses Video? S06 [00:13:29]: Also es ist mir tatsächlich sehr wichtig, es geht ja um Diane Nash. Sie hat die zweite Welle der Freedom Riders angeführt. Also es gab schon eine Gruppe von Leuten, die schon mit den Bussen vorgefahren sind, die erste Welle. Und da gab es halt massive gewaltvolle Ausschreitungen, also nicht von den Protestierenden selber, sondern von weißen Amerikanern, die die Busse angezündet haben, wo die Leute drin saßen und die Menschen verprügelt haben, wenn sie da rausgebrochen sind aus dem brennenden Bus. Also es war eine sehr angespannte Situation und die Protestierenden haben sich immer total gewaltfrei verhalten. Aber da spricht ja auch der Anwalt darauf an, die Reaktionen darauf sind eben so gewaltvoll, wenn ihr jetzt nochmal da runterfahrt, dann können wir eben nicht garantieren, dass da keine Person beistirbt. Und da sagt ja Diane Nash zum Beispiel auch, ja, uns ist das total bewusst. Wir haben schon unser Testament alle unterschrieben von den Leuten, die jetzt mit der zweiten Welle da runterfahren. Also es war einfach eine total angespannte, krasse Situation und Diane Nash hat es einfach [00:14:30] geschafft, in diesem Moment so ruhig zu bleiben und so entschlossen. Und sie wirkte halt einfach so wie so ein großer Baum, den nichts aus der Ruhe bringen konnte. Und das hat mich damals so fasziniert zu sehen. Die Person ist einfach so überzeugt und sie kannte auch die ganzen Theorien zur Gewaltfreiheit und hat sich da so gut belesen, dass sie wusste, dass das wahrscheinlich funktionieren wird und eben auch bereit ist, diese persönlichen Risiken für die Strategie in Kauf zu nehmen, weil sie weiß, dass wenn Menschen gewaltfrei bleiben und gerade dann Gewalt, sag ich mal, auf sie einprasselt, dass das auch nochmal einen Mobilisierungseffekt, einen großen haben kann. So traurig das auch ist, aber genau, war da einfach total entschlossen und das hat mich in meinen eigenen Protesten sehr dazu angehalten, auch eben mutig und entschlossen da voranzugehen, selbst in Momenten, wo ich große Angst und Respekt oder auch Wut darüber hatte, dass wir politisch erstmal so ignoriert wurden. Also wie zum Beispiel, als wir im Hungerstreik waren und für mehr öffentlichen Druck aus [00:15:33] der Politik zur Klimakrise auch protestiert haben. Da habe ich mir ihr Video, ich weiß nicht, wie oft ich das angehört habe, bestimmt hunderte von Malen, habe ich mir diese Sequenz angehört. (.) Und neben dieser Entschlossenheit war es eben auch ein Punkt, wo der Feminismus für mich im Protest anfing. Also persönlich fing der schon vorher an, aber dass ich so gemerkt habe, wow, es gibt viele Frauen in der Protestgeschichte, deren Namen ich nicht kenne, aber die anscheinend sehr entscheidende Schlüsselrollen hatten und die so hinter den großen Männern wie Martin Luther King und so verschwinden. Aber man muss nicht mal besonders tief suchen, wenn man einfach mal ein bisschen genauer hinschaut, dann sieht man, dass da eben neben Diane Nash noch ganz viele andere Beispiele sind von Frauen, die eben Strategieentscheidungen getroffen haben, diese Ideen überhaupt hatten und das dann auch angeführt und durchgesetzt haben. Das fand ich total inspirierend und seitdem versuche ich immer, egal worum es geht, zu schauen, wer steckt eigentlich wirklich dahinter und wer hat das geplant. [00:16:35] Und dann kommt man eben oft auf die Frauen zurück. (.) S04 [00:16:39]: Hast du Lust, da noch ein, zwei Beispiele zu teilen von Frauen, die unsichtbar gemacht wurden und die wir jetzt und hier sichtbar machen können? S06 [00:16:48]: Ja, also ich weiß nicht, ob das okay ist, in der Bürgerrechtsbewegung zu bleiben, aber ich finde, das ist halt so das anschaulichste Beispiel, weil irgendwie jeder Martin Luther King so kennt, dass er ja die große Rede mit I have a dream gehalten hat, die wir auch schon in der Schule uns angeguckt haben und die man ja ganz oft hört. S00 [00:17:06]: I have a dream. (...) My four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin, but by the content of their character. I have a dream. (.) S06 [00:17:24]: In Washington 1963 und es ist total verrückt, weil er diese Worte, I have a dream, sich gar nicht selber überlegt hat, sondern eben eine Pastorin in der Kirche quasi so eine Gebetswache gehalten hat, Prussia Hall hieß sie, und sie diese Worte ursprünglich gesagt hatte, I have a dream, und dann ihre ganzen Träume aufgelistet hat und dann immer wieder diese Phrase benutzt hat und Martin Luther King das gehört hat. Immerhin hat er sie gefragt, ob er es benutzen darf, aber er hat es dann quasi übernommen von ihr und in seine Rede eingebaut. Dann hat er aber 1963, als er diese große Rede in Washington Hall wollte, sich dagegen entschieden, I have a dream zu benutzen, weil er dachte, es ist dann doch zu Klischee und vielleicht ein bisschen zu drüber und hat dann eine total langweilige Rede gehalten. Und währenddessen hat seine Vorrednerin oder Vorsängerin, es durften keine Frauen wirklich reden, das war auch total blöd, dass da die Frauen nicht zugelassen wurden, die haben [00:18:27] sich auch beschwert, aber es gab eine Vorsängerin, die gesungen hat, und sie hatte dann eben, Mahalia Jackson hat so reingerufen, jetzt erzähl dir doch mal von deinem Traum, um das Ganze ein bisschen spannender zu machen, und dann hat er halt super spontan das noch geändert und dann diese I have a dream Rede gehalten, die jetzt so zelebriert und nur auf ihn zurückgeführt wird. Das ist halt Wahnsinn, wenn man die Hintergrundgeschichte kennt, finde ich, zu sehen, was da auch wieder für eine entscheidende Rolle die Frauen gespielt haben und nicht nur die Frauen, sondern viele andere unterrepräsentierte Gruppen leider im Hintergrund standen. Also einer seiner Strategieberater, Bayard Rustin, der viele Ideen einfach hatte und diese Gewaltfreiheit immer wieder nach vorne gebracht hat und auch überhaupt erst Martin Luther King dazu ermutigt hat, mehr darüber zu lernen, der wurde total unsichtbar gemacht, weil er homosexuell war und ihm dann so eine Affäre mit Martin Luther King angehängt wurde und er sich dann total zurückziehen musste aus der Öffentlichkeit und da eigentlich [00:19:29] viele verschiedene Personen im Hintergrund waren, die man eigentlich nicht so sieht. (.) S04 [00:19:34]: Und die da auch ein paar Lorbeeren verdient hätten, okay, verstehe. Absolut. Ich glaube, ich habe kurz Lust, noch mal genauer auf das Thema friedlicher Protest einzugehen, weil ich finde das immer so spannend, wenn es darum geht, Dinge nicht zu machen und dass genau das die Anstrengung ja ist. Also in deinem Buch beschreibst du ja auch, dass man das ja richtig trainieren muss, friedlich zu bleiben, dass man sich dieses Mantra richtig einpflanzen muss, dass es nie einen Grund gibt zu rennen und dass das so eine krasse Disziplinierung ist, eben wirklich friedlich zu bleiben und wie viel Kraft einen das eben auch kostet. Das fand ich wirklich noch mal total spannend. (.) S06 [00:20:20]: Ja, ich finde es total schön, dass du das noch mal sagst, weil das ist halt wirklich was, ich glaube, jeder von uns kennt das, wenn einen was aufregt, selbst wenn es nur ist, dass man die Stimme ein bisschen erhebt oder doch irgendwie, sage ich mal, ein kleines Schimpfwort oder so rausrutscht. Also das heißt jetzt nicht, dass dann der Protest scheitert, wenn das passiert, aber dass so diese grundsätzliche Haltung, wie man allen Menschen gegenüber auftreten sollte, halt eben diese Friedlichkeit. Doch es ist, glaube ich, einmal was, womit ich mich persönlich sehr identifizieren kann, dass ich halt so denke, also ich entscheide mich ja dazu, friedlich zu sein und ich möchte mich dadurch, egal durch was, nicht aus der Ruhe bringen lassen und denke, dass wir eben, wenn wir friedlicher miteinander umgehen würden und zum Beispiel auch mehr über Friedlichkeit wüssten, auf politischer Ebene nicht immer weiter in Kriege investieren würden, sondern eben auf viel diplomatischere und gewaltfreiere und auch langfristigere, das sieht man ja auch, Lösungen setzen würden, weil es eben viele Studien zu dem Thema auch gibt, dass es dann jetzt nicht mehr nur meine persönliche Überzeugung, sondern eben auch wissenschaftlich, dass gewaltfreie [00:21:25] Proteste oder auch Veränderungen in der Geschichte immer langanhaltender und effektiver waren, als wenn es gewaltvolle Umbrüche gab. Also es macht nicht nur zwischenmenschlich Sinn, sondern es macht auch einfach strategisch-politisch Sinn, wenn wir alle mehr Friedlichkeit in unserem Leben haben, was nicht heißt, dass ich nicht verstehen kann, wenn man diese Ungerechtigkeiten spürt und ich bin nicht auf so vielen Ebenen diskriminiert. Es gibt sehr viele Menschen, die jeden Tag Diskriminierung erfahren, dass ich total verstehen kann, dass man einfach frustriert und wütend und das alles ungerecht findet, aber ich es trotzdem eben wichtig finde, zu gucken, was ist die effektivste Art und Weise, wie wir Demokratie schützen können und unsere Rechte erkämpfen können. (..) S04 [00:22:09]: Und erinnerst du eine Situation, wo dir das besonders schwergefallen ist, friedlich zu bleiben und welche Methode hast du angewendet, damit du es eben trotzdem geblieben bist? (..) S06 [00:22:20]: Ja, es gibt tatsächlich so einen Punkt, den ich auch zu einem gewissen Grad, sag ich mal, bereue. Also wir haben ja, nachdem wir den Hungerstreit gemacht haben, war eine unserer Forderungen, dass wir mit dem Kanzler öffentlich über die Klimakrise sprechen können und das als, sag ich mal, Startpunkt auch für die letzte Generation zu nehmen. Und da haben wir mit Olaf Scholz gesprochen und haben viel vorher geübt. Und ich weiß nicht genau, was passiert ist, ob es so der ganze Stress war, der nach diesem Hungerstreik und mit dem ganzen Medienrummel und was da alles war, oder ob ich mich in dem Moment habe von meinen Gefühlen so übermannen lassen. Aber da bin ich halt selber laut geworden und habe ihn unterbrochen, was, glaube ich, teilweise auch nötig ist, weil sonst Politiker sehr lange am Stück ohne Punkt und Komma reden und wenn man nur 60 Minuten hat, dann ist es schwierig, da mal selber irgendwie seinen Punkt zu machen. (.) S02 [00:23:14]: Fühlen Sie diese Emotionen? S01 [00:23:15]: Nein, ich habe auch welche. Ich finde es nämlich, ehrlicherweise, nicht in Ordnung, anderen Menschen zu unterstellen, dass ihnen das egal ist, was für Herausforderungen da sind und dass deren Pläne nicht ernsthaft seien. Nur ich habe sehr ernsthafte Pläne und ich bin nicht der Einzige. Es sind welche, die ganz viele verfolgen und was mir auch nicht gefällt, ist, dass der Eindruck entsteht, als ob das, was ich hier zum Beispiel gerade vorgestellt habe, ein sehr einfacher Weg wäre. S02 [00:23:42]: Es ist einer, der in der Welt noch nicht geschritten worden ist und es ist ein Weg, der mutigste ist, der gegenwärtig in der Welt… S06 [00:23:51]: Da habe ich ihn schon sehr viel unterbrochen und auch in einem Ton geredet, wo ich mir heute denke, das hätte nicht sein müssen und das hätte ich gerne anders gemacht und es ist schade, dass das jetzt so das Gespräch ist, was so aufgezeichnet wurde. Aber da hätte ich mir eine friedlichere Haltung bei mir selber auch gewünscht. Es ist aber eine gute Erinnerung auch für zukünftige Gespräche, das anders zu machen. Und das ist ja ganz unabhängig davon, dass all das, was Olaf Scholz gesagt hat, einfach auch super frustrierend ist und gar nicht die Klimakrise in ihrem Ausmaß erkennt. Aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass ich da für mich selber anders aufgetreten wäre. (.) S04 [00:24:28]: Du versuchst das nächste Mal einfach noch mal mehr bei dir zu bleiben. S06 [00:24:32]: Genau, für mich jetzt schon. Aber wenn man das wirklich trainiert, also gewaltfrei zu sein, dann gibt es ja schon (.) Methoden, Atemtechniken oder auch, dass man… Also in den Trainings haben wir uns halt auch gegenseitig zum Beispiel angeschrien oder halt so ein bisschen geschüttelt an der Jacke oder so, dass man einfach da drauf trainiert wird, was, wenn um einen herum einfach viel Trubel ist, wie kann ich es dann trotzdem schaffen, in diesem Moment friedlich zu bleiben? Also da gibt es verschiedene Vorgehensweisen. S04 [00:25:02]: Krass, ja, das hört sich nach viel Selbsterfahrung und auch Grenzerfahrung dann irgendwie an. Okay. Ja. (.) Wie regelmäßig macht man so was? S06 [00:25:14]: Also jede Person, die in Potesky, zumindest bei Dossel, die Richtlinie bei der letzten Generation sollte mindestens einmal vorher so ein Training gemacht haben, im besten Fall natürlich auch öfters. Ja, aber das ist natürlich auch was, wo so diese feministische Seite wieder reinkickt. Nicht, dass man das generalisieren kann, aber ich habe schon tendenziell im wirklichen Protest öfters beobachten können, dass sich dann gerade die männlichen Kollegen vielleicht eher ein bisschen provozieren lassen oder auch einfach in Dossel ein bisschen provokativer, sage ich mal, auftreten in Beziehung mit Polizei oder jetzt in Bezug auf die Straßenblockaden und anderen Mitbürgerinnen, die einen da untergeschliffen haben. Und ja, dass das dann irgendwie schon auch spannend ist und das ist ja tatsächlich auch wissenschaftlich wieder nachgewiesen, dass es wichtig ist, Frauen in zentralen Schlüsselrollen zu haben im Protest, weil dann die Chancen auf, dass man halt gewaltfrei bleibt, sich erhöhen und das wieder insgesamt dem Protest zugute kommt. Also auch da ist wieder so ein ganz zentrales Element. S04 [00:26:14]: Ja, spannend. Ja, lass uns da gerne weiter reingehen in Gruppendynamiken, die du da vielleicht auch erfahren hast in der letzten Generation. Du hast ja im Buch auch beschrieben, dass es dir durchaus passiert ist, dass Aussagen, die du vorher in der Gruppe getätigt hast, dann von dem Fall dann Männern übernommen wurden und vor der Kamera als ihre ausgegeben wurden oder so. Was gab es da noch so für Beispiele? Also was hast du da noch so beobachtet, wo du einfach gemerkt hast, so okay, da ist einfach ganz offensichtlich ein Unterschied, die die Gruppendynamik gerade so ein bisschen schwierig machen? (.) S06 [00:26:51]: Ja, also man merkt es sowohl intern, gibt es Probleme, sag ich mal, als auch extern. Also intern, dadurch, dass ich mich viel mit Strategie beschäftigt habe und in so Strategieräumen unterwegs war, ist es halt oft interessant zu sehen, wer redet wie viel. Also dass eben der Redeanteil und die Häufigkeit, in der Frauen und auch andere unterrepräsentierte Gruppen in diesen Treffen sprechen, halt viel geringer ist, als wenn, das kann man auch wieder nicht generalisieren, ich will jetzt nicht gegen alle Männer grundsätzlich was sagen, aber dass man halt einfach mal Tendenzen sieht, die glaube ich in unserer Gesellschaft so verankert sind, dass dann Männer sich vielleicht doch leichter damit tun und mehr Selbstbewusstsein haben, sich einfach mal zu melden und was zu sagen und das eben so Gesprächsdynamiken total verschiebt, als auch, dass so angezweifelt wurde, wer hat die Kompetenz hier in diesen Treffen, also dass ich es öfters bei mir selber erlebt habe, dass zum Beispiel gesagt wurde, ah ja, du sagst diese Sache jetzt ja nur, weil du [00:27:53] irgendwie mit der und der Person ein Problem hast oder eifersüchtig bist oder was auch immer, was halt einfach häufiger, glaube ich, so Frauen zugeschrieben wird, dass man irgendwelche Themen hat, als ich das bei so männlichen Mitstreitern. S04 [00:28:08]: Dass du nicht sachlich bleiben kannst, nicht rational, sondern zu schnell auf die emotionale, auf die Beziehungsebene gehst, ok, verstehe. S06 [00:28:15]: Ganz genau, ja. Und dann eben aber auch das Externe, also das, was du auch schon angesprochen hast, wer wird gesehen in Interviews, wer wird auch da wieder gefragt, also es ist mir am Anfang, gerade wo ich selber noch so ein bisschen, sag ich mal, unsicherer war, öfters passiert es dann in einem Interview, sag ich mal, ich hätte auch einfach nicht da sein können, weil es hat sich eh nur der männliche Teil mit dem Reporter unterhalten und klar, da muss man dann irgendwie auch selbstbewusst sein und da einfach zwischengrätschen oder so sagen, ja hier ist jetzt meine Antwort dazu, aber erst mal an den Punkt zu kommen, es hat mich bestimmt so eineinhalb Jahre gebraucht, bis ich da hingekommen bin. Also das ist mir halt total wichtig, jetzt auch für die neue Kampagne, aber war es damals bei der letzten Generation auch schon, dass man diese ganzen Probleme erkennt und in der Struktur auch wirklich aktiv angeht und verankert und ja, wenn es das braucht, auch Regeln einführt, wer spricht wann, so wie wählen wir die Leute aus, die in Entscheidungsrollen sitzen, wie [00:29:16] schaffen wir es, unterschiedliche Perspektiven einzubringen, weil wenn man das nicht macht, so traurig das ist, habe ich immer wieder so die Erfahrung gemacht, dass es dann einfach die natürliche Dynamik ist, dass sich dann doch die lauteren, stärkeren in Anführungszeichen Männer dann einfach durchsetzen und das wollen wir nicht mehr. S04 [00:29:36]: Und wie kann das ganz konkret aussehen? Also ich assoziiere jetzt so in Richtung Frauenquote oder Quote für unterrepräsentierte Gruppen, wenn es um so Schlüsselrollen geht oder bei diesen Interviews, also wie hast du es dann letztendlich gemacht? Hast du dann versucht, dich durchzusetzen oder hast du dir dann deinen Kollegen eben vorher auch mal zur Seite genommen und gesagt, du musst da mehr drauf achten, es ist auch deine Verantwortung, mir Raum zu überlassen, was genau, was sind da so Strategien? Ja, beides. Also ich glaube, man kann sich, S06 [00:30:08]: also ich konnte mich nicht zu sehr darauf verlassen, einfach nur nachzufragen, sondern es hat besser funktioniert, wenn man versucht hat, sich gegenseitig zu empowern. Wir haben dann zum Beispiel Kreise gemacht, wo wir nur mit den Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen eingecheckt haben und geschaut haben, zum Beispiel bei einem Strategiecamp, was ich organisiert hatte, woran liegt es, dass gerade nicht so viele Frauen sprechen, auch als ich gefragt hatte oder wir überlegt hatten, wer dann in Entscheidungsrollen geht, so warum habt ihr euch nicht gemeldet, wie können wir das irgendwie schaffen, dass ihr euch auch das zutraut, diese Rolle zu übernehmen, was dann tatsächlich auch dazu geführt hat, dass im Endeffekt viele Frauen am Ende in Entscheidungspositionen gelandet sind von der letzten Generation, dass glaube ich insgesamt der Struktur sehr zugute gekommen ist und jetzt bei der neuen Kampagne bei Guter Grund haben wir uns sehr lange Gedanken darüber gemacht, wie kann man eine Struktur bauen, die viele verschiedene Perspektiven hört, gerade weil wir ja auch zum, sage ich mal, landwirtschaftlichen Bereich und so arbeiten, dass nicht nur die [00:31:09] jungen Klimaaktivisten gehört werden und sind dann, was an sich auch eine Protestform ist, so präfigurative Politik, also dass man das auslebt, was man sich eigentlich wünscht und nicht darauf wartet, dass das irgendwer macht, sondern haben dann gesagt, okay, dann wird das mächtigste Organ in unserer Struktur, wird ein Rat, so wie so eine Art Bürgerinnenrat, wo halt, wie du sagst, mit bestimmten Quoten verschiedene Leute gehört werden sollten und die haben am Endeffekt die Entscheidung darüber, ja, über so große strategische Sachen in der Kampagne und klar gibt es noch einzelne Leute, die für die grundsätzliche Strategie verantwortlich sind, aber die werden trotzdem kontrolliert und es werden Räume geschaffen, wo diese verschiedenen Perspektiven gehört werden und das testen wir jetzt aus. Vielleicht geht es auch total schief nach ein paar Monaten, das hat jetzt ein Jahr schon ganz gut funktioniert, aber ja, das ist halt eben so ein Versuch, neue Ansätze auszuprobieren, um mehr S04 [00:32:08]: Leute zu hören. Aber das finde ich eh total schön, dass du diesen Experimentiercharakter auch so offen zulässt und ja auch in deinem Buch kommunizierst, dass du natürlich auch nicht die Lösung gefunden hast, wie man jetzt Dinge durchsetzt oder genau wie man jetzt von heute auf morgen zu mehr Klimaschutz oder sowas kommt und das macht diese Erzählung irgendwie nochmal so ein bisschen anschaulicher über die Protestform, wie zum Beispiel das Straße barrikadieren mit sich festkleben und so, dass man halt irgendwie klar, ihr habt euch da Gedanken gemacht und ihr habt das dann ganz bewusst so durchgezogen, aber natürlich ist es ja auch immer ein Ausprobieren und immer ein Versuch und natürlich konntet ihr vorher auch nicht wissen, ob das jetzt die beste Methode ist und dann habt ihr euch ja davon nochmal distanziert und irgendwie wiederum andere Dinge ausprobiert. Also das finde ich auch irgendwie total schön, dass du dir da diese Möglichkeiten auch immer wieder so nimmst, [00:33:10] weil an sich sind sie ja eigentlich erst mal nicht da. Also es gibt ja schon immer so diesen Anspruch, dass wenn man sich beschwert, dass man dann gefällt es dir auch einfach mal mit einer Lösung kommen soll, die das Ganze dann am besten direkt wegräumt. Und man ist halt so, naja, nee, so läuft es ja nicht. Und da dann die Geduld und auch das Durchhaltevermögen zu haben, eben immer wieder Dinge auszuprobieren und sich ja dann auch, also du machst dich ja auch verletzlich, weil wenn dann irgendwas nicht klappt oder komisch gelaufen ist oder wie auch immer, dann besteht ja die Chance, dass du auch immer wieder damit konfrontiert wirst und vielleicht auch sogar in deiner Person dann nicht ernst genommen werden könntest oder wie auch immer. Also finde ich einfach toll, dass du das irgendwie so transparent auch machst, dass du da auch einfach nur guckst, wie es eventuell jetzt gerade unter diesen Umständen passen könnte und das nächste S06 [00:34:09]: Mal sieht es dann halt wieder anders aus. Da hast du total recht, weil ich glaube auch, dass die Krisen, die wir ja heutzutage haben, sind ja auf so vielen Ebenen so groß und so viele, dass wir einfach alles Mögliche, was in unserem Werkzeugkoffer ist, ausprobieren sollten. Und also es wird am Ende nicht die eine Taktik geben, die alles löst, sondern man muss halt ganz viele unterschiedliche Sachen immer wieder ausprobieren und neu denken und so, dass wir da immer Stück für Stück vorankommen. Und auch das, was du gerade meintest, das finde ich halt auch total krass, dass es ja eigentlich überhaupt nicht in erster Linie, sage ich mal, unsere Verantwortung überhaupt ist, diese Lösung zu finden, sondern es sollte ja eigentlich in der Demokratie auch bei den Politikerinnen und bei unserer Regierung liegen, eben diese Lösung für die Klimakrise auch voranzutreiben. Das finde ich halt auch so schön, dass das immer wieder herausgearbeitet wird, dass eben Widerstand und Protest so eng mit der Demokratie auch verankert ist und viele der Sachen, die wir heute als essentiell für unsere Demokratie eben sehen, [00:35:10] sowie Gleichberechtigung und Rechte für alle, dass das eben nur funktioniert hat, weil sie über Protest erstritten wurden und dass wir Demokratie eigentlich gar nicht sagen können, ohne gleichzeitig auch über Protest und Widerstand zu reden, dass immer weiter auch so sein wird, dass diejenigen, die eben benachteiligt werden, die auch sind, die Protest und Demokratie am weitesten vorantreiben, weil sie sich eben dafür einsetzen. Also ja, auch nochmal voll der wichtige S04 [00:35:37]: Punkt, den du da aufgemacht hast. Um diese Lücken der Demokratie aufzuzeigen, das ist ja so dieses ganze Thema, der Vorwurf, dass Proteste irgendwie kein demokratisches Mittel wären und du dann immer so wieder so bist, naja, nee, also sie sind halt integraler Bestandteil von Protesten, weil Demokratien nie perfekt sind und das quasi das Mittel ist, um aufzuzeigen, wo die Lücken sind, wo man quasi nochmal nacharbeiten muss in der Demokratie. Ich finde auch, was du gesagt hast, wir müssen eigentlich alle Werkzeuge, alle Tools, die wir haben, irgendwie nutzen, ganz schön so in Richtung, man kann eben diese ganzen verschiedenen Methoden und Taktiken zusammendenken. Es gibt Gleichzeitigkeiten, es darf alles irgendwie so nebeneinander passieren, auch nacheinander, wie auch immer, aber eben es wird nicht diese eine Lösung geben, genauso wie es ja auch nicht die eine perfekte Bewegung oder das eine perfekte Ziel gibt, weil das ist ja auch oft nochmal so, so eine Pseudobremse, dass dann irgendwelche Bewegungen gegeneinander ausgespielt werden oder [00:36:44] wie du vorhin meintest, die Landwirtinnen gegen Klimaverordnungen oder so. Wie hast du das denn erlebt, zum Beispiel Klimabewegungen oder wir können es jetzt auch noch weitermachen mit Bewegungen zum Thema planetare Grenzen mit feministischen Bewegungen zusammenzudenken? S06 [00:37:04]: Also ich finde es total wichtig, einfach auch da, wenn man erstmal wieder guckt, warum diese Bewegungen überhaupt existieren, sieht man ja, dass auch die Klimakrise sehr sexistisch ist in dem Sinne, dass sie halt Frauen oder Menschen, die zum Beispiel finanziell weniger Mittel haben, einfach viel krasser betrifft und auch die Wahrscheinlichkeit, ich weiß gerade nicht mehr die genaue Zahl, aber dass auf jeden Fall, wenn es eine Naturkatastrophe gibt, Frauen tendenziell eher mehr betroffen sind, weil sie zu Hause sind, sich um Familie kümmern. Also das ist da einfach auf verschiedenen Ebenen auf jeden Fall auch eine Geschlechterfrage ist und sie auch viel weniger in diesen Entscheidungsprozessen sitzen zu den Klimazielen. Und alleine von dem Punkt her ist es eben super wichtig, das auch als solche zu erkennen und auch anzugehen. Und dann natürlich auch Frauen bisher in der Klimabewegung auch einfach eine sehr bedeutende Rolle gespielt haben. Also an vielen Spitzen, sag ich mal, der Kampagnen und auch in der ganzen Basisarbeit und [00:38:08] so weiter sind einfach auch viele Frauen vertreten und ich denke, das ist total wichtig, das zusammen zu denken. Und für mich war auch die Frauenbewegung oder allgemein ja wie mit Diane Nash Proteste aus der Vergangenheit immer wieder auch Anlass, um quasi neu über die Klimabewegung nachzudenken. Weil im Vergleich, auch wenn wir schon sehr lange wissen, dass wir eine Klimakrise haben und das schon in den 50er Jahren und noch viel früher bekannt war, wie groß das Ausmaß ist, ist es ja im Vergleich, sag ich mal, noch eine relativ junge Bewegung und schöpft eben auch ganz viel Kraft und Inspiration und Taktiken und baut auf diesen ganzen Schweiß und Friedlichkeit und so auf den Bewegungen vorher geleistet haben. Und deswegen denke ich, sind die sehr eng miteinander verbunden. S04 [00:38:55]: Ja und was sind so, wir nehmen mal an, du hast alle Ressourcen, es gibt keine großartigen Einschränkungen. Was machst du am liebsten, wenn es ums Protestieren geht? Also wo bist du auch so, S06 [00:39:07]: ja das macht mir auch einfach Spaß? Ich mag tatsächlich so diese Aufbauarbeit sehr gerne. Also was wir jetzt auch mit der neuen Kampagne, bei der ich aktiv bin, Guter Grund, im letzten Jahr viel gemacht haben, da sind wir noch nicht so öffentlich aufgetreten, sondern haben vor allen Dingen erst mal im Hintergrund die Strukturen aufgebaut und halt ganz viel analysiert. Also es geht um planetare Grenzen und Landwirtschaft, weil wir eben gesagt haben, das Klima alleine ist zu klein gedacht und wir haben ja viele planetare Grenzen, die wir darüber hinaus noch überschreiten, wie zum Beispiel Biodiversität und wir müssen das viel mehr adressieren und sich da ja sag ich mal den Plan zu überlegen und Menschen zusammenzubringen und zu reflektieren, was hat vorher funktioniert, was können wir jetzt besser machen, wann starten wir am besten mit den Protesten. So diese ganzen Fragen, die finde ich einfach sehr schön, ich glaube, weil man vielleicht auch noch eine kleinere Gruppe ist und viel intensiver zusammenarbeitet und wenn Protest halt richtig groß wird, ist es teilweise wie in so einem riesigen Unternehmen, dass man nicht mehr [00:40:10] so mit allen so direkt einchecken kann und das finde ich glaube ich schön, wenn man so ganz nah miteinander arbeitet. Aber es ist natürlich auch toll, wenn das Ganze dann Früchte trägt, das hoffe S04 [00:40:20]: ich passiert dann jetzt in diesem Jahr. Und kann man da schon sagen, für welche Protestform ihr euch entschieden habt oder was ihr plant oder ist es noch, willst du das lieber noch zurückhalten? (.) S06 [00:40:31]: Nee, kann ich gerne schon ein bisschen erzählen. Also wir haben tatsächlich, das war einer der Punkte in unserer Analyse auch kritisch gesehen, dass der Protest oft sehr kurzfristig viele Menschen, sag ich mal, zusammenbringt, aber was noch fehlt in Kombination damit, ist es halt, Menschen langfristig auch zu organisieren. Also haben uns viel mit dem Organising auch beschäftigt und das so ein bisschen als Ergänzung zu den Protesten, was die Methode angeht. Und inhaltlich haben wir eben gemerkt, dass viele der planetaren Grenzen mit Landwirtschaft oder dem ländlichen Raum auch zu tun haben und dass wir einfach in Deutschland große Wasserkrisen haben oder Krisen mit unserem Boden und dass wir jetzt, sag ich mal, lokaler auch arbeiten wollen, also nicht nur in der Stadt, sondern mit Landwirtinnen zusammen Probleme angehen, wo zum Beispiel große Unternehmen sich einfach Wasserrechte privatisieren und die, sag ich mal, den Landwirtinnen wegschnappen und mit denen vor Ort uns wirklich langfristig gemeinsam organisieren, [00:41:31] weil es auch totaler Quatsch ist, dass so Klima und Landwirtschaft immer gegeneinander ausgespielt wird, weil die ja eigentlich im Kern miteinander verbunden sind und dann vor Ort protestieren und organisieren und so ein bisschen das vorantreiben. Kannst du das noch mal ein bisschen genauer S04 [00:41:48]: erklären, was da der Unterschied ist? Also du hast jetzt den Begriff Organising genannt. Was genau macht ihr dann anders, als es vielleicht bei der letzten Generation gemacht wurde, wenn du sagst, dass da jetzt nicht so der Fokus war? Genau, also beim Mobilisieren geht es eben darum, S06 [00:42:05]: wir wollen jetzt einfach viele Menschen für diesen Protest zusammenbekommen und mobilisieren vor allen Dingen in unseren Blasen von Leuten, die eh schon überzeugt sind. Also es gibt, viele meiner Freunde sind eh klimainteressiert und versuche ich, die einfach für den Protest dazu zu holen, was halt dazu führt, dass man schwer über den eigenen Tellerrand hinauskommt. Und beim Organising, zumindest so wie wir das versuchen wollen, anzugehen, geht es halt darum, zu schauen, was sind die Gruppen, die gerade am meisten von den Problemen auch betroffen sind und die auch am kraftvollsten sind, wie zum Beispiel die Landwirte, wo einfach in der Vergangenheit schon teilweise aber noch nicht so große Beziehungen zwischen der Klimabewegung und der Landwirtschaftsbewegung da waren und zu schauen, wie können wir jetzt schauen, dass diese Menschen vor Ort, die betroffen sind, sich wirklich langfristig organisieren und selber empowern und Macht bekommen und so ein bisschen aus der eigenen Blase rauskommen und andere S04 [00:43:00]: Gruppen ermutigen. Und in der Praxis sind das dann so Methoden wie tatsächlich Haustürgespräche und sowas? Zum Beispiel, genau. Was steht dann noch so auf der To-Do-Liste, um Organising zu S06 [00:43:12]: betreiben? Wie kann man sich das vorstellen? Was wir jetzt viel gemacht haben die letzten Monate, war auch einfach zu Menschen auf die Höfe zu fahren und erstmal zu helfen. Also sehr viel Vertrauensaufbau und gerade in Zeiten, wo viele Menschen im ländlichen Raum AfD wählen, ist ja, sage ich mal, die Hürde noch mal größer, da vielleicht in Kontakt zu kommen, aber sich davon nicht abschrecken zu lassen, sondern zu sagen, wir gehen zu den Höfen, wir gehen aufs Land. Es sind viele Menschen, die auch ähnliche Anliegen und Ängste haben wie wir und wir helfen erstmal und verbringen Zeit zusammen und gucken dann, wie wir eben zusammenarbeiten können. Das war voll die schöne Erfahrung, weil alle super viel voneinander lernen konnten. Ich mag es, wenn man neue Sachen ausprobiert und merkt, da kommen wir voll voran. Warum haben wir das noch S04 [00:44:00]: nicht vorher ausprobiert? Das klingt ja auch danach, dass man selber total viel Inspiration S06 [00:44:06]: da mitnehmen kann. Ich finde, man kann schon sehr selbstkritisch sein, dass wir uns ja oft (.) Naturschützer und klimainteressierte Klimaschützer sehen und aber selber gar nicht so viel Ahnung haben, was eigentlich Natur wirklich ist und wie man zum Beispiel Gemüse anbaut und wie jetzt die Karotte wächst und so weiter. Da durfte ich einfach wahnsinnig viel lernen, was das eigentlich genau ist, was ich da versuche zu beschützen und wofür ich mich einsetze. Das hat mich auch noch mal sehr viel weitergebracht und auch voll geerdet, weil man ja doch irgendwie viel Computerarbeit macht und sich in der Stadt aufhält. Das ist eigentlich voll der kraftgebende Faktor, wenn man sich viel draußen befindet. Es ist natürlich auch mega hart und die Menschen werden total unterbezahlt. Da gibt es viele Probleme, aber es hat eben auch die schönen Seiten, dass man so direkt nah an der Natur dran ist. Hat es auch funktioniert, politisch S04 [00:45:01]: aufeinander zuzugehen? Habt ihr tatsächlich politische Gespräche führen können und konntet da auch vielleicht so einen Common Ground finden? S06 [00:45:11]: Ja, also wir sind gerade noch dabei, ein erstes Projekt auszuwählen, auf das wir uns fokussieren wollen. Aber wir haben, glaube ich, viel besser als wir dachten, jetzt sogar mehrere zur Auswahl, wo Leute Lust hätten, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich freue mich dann, wenn wir uns auf eins festgelegt haben, dann wirklich thematisch und buddhistisch richtig einsteigen zu können. Doch, das lief gut. S04 [00:45:35]: Cool, voll gut. Und wie finanziert man sowas dann? (.) S06 [00:45:40]: Also es ist erstmal wieder sehr selbstausbeuterisch, dass wir jetzt keinen Finanzgeber oder so in dem Sinne hatten, sondern die Menschen erstmal freiwillig dafür gearbeitet haben und da ihre Zeit und Energie reingesteckt haben. Jetzt sind wir an dem Punkt, dass unsere Strukturen groß genug sind, dass wir auch Anträge schreiben können und darüber uns finanzieren können über Stiftungen. Also das ist jetzt so der nächste Schritt, dass da mehr Geld reinkommt und dann hoffentlich irgendwann spenden, wenn wir bald offiziell sind. S04 [00:46:11]: Ja, okay, interessant. Wenn wir jetzt an die Hörenden dieses Podcasts denken und die sich irgendwas Bestimmtes vornehmen, gegen eine bestimmte Ungerechtigkeit zu protestieren, was würdest du denen denn an die Hand geben wollen, um diese Entscheidungen treffen zu können? Was man jetzt macht? S06 [00:46:32]: Also im Widerstand gibt es über 360 verschiedene Methoden, die so ein bisschen in drei Kategorien geclustert sind. Einmal so Protest und Überzeugungsarbeit, was viel mit Demonstrationen zum Beispiel zu tun hat, wenn man am 8. März auf die Straße geht und für mehr Frauenrechte protestiert. Das würde zum Beispiel in diese Kategorie fallen. Dann hat man eine Kategorie der Nicht-Kooperation, also wo man quasi nicht mehr mitmacht im System und Dinge, die man eigentlich machen sollte, nicht tut. Also das wäre so der klassische Streik zum Beispiel oder Boykotte. Und dann eben die als drittes die Intervention, wo man Dinge macht, die man nicht machen sollte, wie mit den Straßenblockaden zum Beispiel. Und ich denke, dass es immer total kontextabhängig ist, was man gerade erreichen möchte. Also wenn man sich für mehr Rechte für Frauen oder unterrepräsentierte Gruppen einsetzt, sollte man erst mal gucken, was so ein Ziel eigentlich da ist. Weil das kann ja sehr viele verschiedene, unterschiedliche Ziele sein. Ob es jetzt darum geht, dass man irgendein neues Gesetz durchbekommt. [00:47:32] Also das klar haben und dann eben schaut, welche der Methoden klingt erst mal am vielversprechendsten, um auch dieses Ziel erreichen zu können. Und da kann eben diese Liste von den 360 Methoden sehr hilfreich sein, um einfach zu sehen, wie viel Vielfalt und Diversität man an Handlungsmöglichkeiten auch hat und sich dementsprechend das Passende rauszusuchen. Ja. (..) S04 [00:47:55]: Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Gene Sharp ist einer der einflussreichsten Theoretiker des gewaltfreien Widerstands und veröffentlichte in den 70ern eine Liste, auf der er 198 Methoden des gewaltfreien Widerstands zusammenstellte. Seitdem ergänzen Online-Menschen diese Liste. Ich habe zum Beispiel eine Homepage mit knapp 350 Methoden gefunden. Die findest du auch in den Shownotes. Lea schreibt in ihrem Buch, dass sie schon einige Methoden ausprobiert hat. Manche haben besser geklappt, andere waren weniger effektiv. Manche hatte Lea sogar schon vor diesem Bewusstsein zu friedlichem Protest angewandt. Das kennst du sicher auch. Eine Petition unterschreiben, E-Mails an Abgeordnete senden, demonstrieren gehen. Eine der mächtigsten Methoden, die Lea ausprobiert hat, war der Hungerstreik. Dafür musste sie aber auch über ihre eigenen Grenzen gehen. Großes Potenzial sieht sie nach wie vor in den flächendeckenden Schulstreiks von Friday for Future. Generell finde ich aber jede Form von S03 [00:49:00]: Streiks immer wieder beeindruckend. Wenn die Bahn streikt, dann hat das einen riesigen Effekt und kann einen gewaltigen Druck nach oben ausüben, da so viele Menschen davon abhängig sind. Auch ich war schon betroffen. Mein Zug fiel aus und ich musste eine Reise verschieben. Natürlich war ich genervt, habe innerlich die Augen gerollt. Aber klar, ein Streik ist ein legitimes Mittel. Das musst du aushalten, wenn du in einer Demokratie lebst. Als unterschätzt bewertet Lea den Boykott. S04 [00:49:31]: Sie ist der Meinung, dass das Boykottieren bestimmter Waren sehr wirkmächtig sein kann, denn sobald das Konzern finanziell wehtut, regt sich ziemlich schnell was. Hier passt auch ein kleiner Exkurs in den Lachtivismus, eine Mischung aus Lachen und Aktivismus. So malte die serbische Widerstandsbewegung Ottpog das Gesicht des damaligen Diktators Slobodan Milošević auf ein Fass, das sie in Belgrad aufstellten. Für nur einen Diener durften PassantInnen dem Diktator mithilfe eines beigelegten Baseballschlägers die Fresse einschlagen. Die lauten Schläge riefen die Polizei auf den Plan, die sich nun unsicher waren. Sollten sie wirklich harmlose PassantInnen festnehmen, die auf ein Fass einschlugen? Letztendlich verhafteten sie das Fass. Die Aktion landete auf Titelseiten und verbreitete den Eindruck, dass die furchteinflößende Polizei des Diktators vielleicht doch gar nicht so ernst zu nehmen war. [00:50:31] Lachtivismus alleine reicht aber nicht aus und ist immer Teil einer Gesamtstrategie. (41 Sekunden Pause) Im Buch erinnert Lea nochmal, ohne zivilen Widerstand wäre Deutschland womöglich immer noch geteilt. Frauen hätten nicht das Recht zu wählen und ArbeitnehmerInnen würden mehr als eine Fünf-Tage-Woche haben. Leas großes Vorbild Dianne Nash hält friedlichen Protest für die [00:51:35] wichtigste Erfindung im 20. Jahrhundert. Dazu ergänzt Lea, (.) S03 [00:51:40]: Ziviler Widerstand ist es, was uns im 21. Jahrhundert aus der größten Krise der Menschheit, der Klimakatastrophe, herausführen kann. (..) S04 [00:51:52]: Und gleichzeitig gehört ja bei dir wahrscheinlich auch von Anfang an dazu, sich direkt zu vernetzen, oder? Also würdest du sagen, dass du erst diese Gruppe hattest, also dich zum Beispiel bei extinischen Rebellion angeschlossen hast und dann zusammen habt ihr geguckt, welche Methoden passen oder wie war da die Reihenfolge? S06 [00:52:12]: Ja, also ich hatte schon kleinere Proteste an der Uni und so mit auch einer kleineren Gruppe von Leuten gemacht, aber es ist natürlich, Protest lebt auch viel davon, dass viele verschiedene Menschen zusammenkommen, das stimmt schon. Aber ich finde es trotzdem auch wichtig, so diese individuelle Ebene auch zu sehen und anzusprechen, weil zum Beispiel das Outing, jetzt wenn man nochmal so auf unterrepräsentierte Gruppen zurückkommt, ist, finde ich, total die wichtige Protestform auch. Also da geht es ja genau darum, wir haben in unserem System irgendwie einen Zustand, der normal ist, also dass man eben heterosexuell ist, was ja totaler Quatsch ist und Outing sollte in dem Sinne auch eigentlich nicht notwendig sein, aber wir leben halt in dem System, wo es diese Ungerechtigkeiten noch gibt und wenn dann eine einzelne Person öffentlich sich dazu bekennt und sagt, ja, aber ich bin homosexuell, dann hat das in dem Sinne total die Kraft, weil es ja eben diese Strukturen herausfordert und dagegen vorgeht und wenn es dann mehrere Menschen, vielleicht auch koordiniert oder so machen, dann hat es eben noch mehr Effekt, [00:53:14] aber so kann nicht eine Person in dem eigenen Kreis schon sehr viel auch bewirken und anstoßen S04 [00:53:21]: und in Macht herausfordern. Ja, das stimmt. Und das Jahr liegt ja noch so relativ groß vor uns, noch recht ausgebreitet, um vielleicht jetzt so langsam einen Abschluss zu finden, wenn du auf dieses Jahr schaust, zum einen vielleicht auf deine persönliche Arbeit mit deiner Doktorarbeit, zum anderen aber natürlich auch mit der Bewegung, guter Grund, was wären denn für dich jeweils so zwei Meilensteine, also einen Meilenstein jeweils, der dir irgendwie sagt, so es geht voran, da habe ich irgendwie erreicht, was ich mir vorgenommen habe. S06 [00:53:55]: Ja, also ein Punkt ist, glaube ich, dass ich weiterhin Lust habe, Menschen zu zeigen, dass sie eben nicht ohnmächtig sind und aktiv werden können und dass ich mir erhoffe, dass durch guter Grund auch diese Nachricht wieder ganz laut in alle Ecken von Deutschland darüber hinaus, sage ich mal, gerufen wird, dass es scheiße ist, dass die Welt so ist, wie sie ist und man sehr viel Grund hätte, den Kopf in den Sand zu stecken, aber dass wir als Bürgerinnen und Bürger doch sehr viel mächtiger sind, als wir uns das oft eingestehen und eben, auch wenn es jetzt unter einem anderen Namen ist, aber trotzdem wieder viel positiven, friedlichen Trubel in politische Prozesse in Deutschland bringen können und hoffentlich auch noch einen Schritt näher kommen unsere Ziele in Richtung gerechterer Landwirtschaft und Einhalten der planetaren Grenzen noch zu erreichen und ja, das einfach, weil ich das immer wieder beobachtet habe, dass Menschen, die eigentlich vorher gar nicht aktiv waren, so wie ich ja selber am Anfang auch, dann das geschafft haben, voll aktiv zu werden und für Demokratie und Werte einzustehen und das würde ich mir einfach wünschen, dass wir [00:54:59] das mit guter Grund und ich mit dem Podcast, den ich mache und mit meiner Doktorarbeit auch weiter erreichen kann und gleichzeitig so viel Empowerment, wie ich gesehen habe, habe ich auch fast so viel, sag ich mal, Burnout bei Leuten gesehen, also gesehen, wie sie sich dann doch über ihre eigenen Grenzen hinausgegangen sind und wir uns dann im Endeffekt selber im Weg stehen, also wenn wir uns dann empowert haben und voll die Kraft als Kampagnen und als Personen, als Gruppen haben, dann doch uns selber bremsen, weil wir es nicht schaffen, gut Pausen zu machen und auch mal wenn es total absurd ist, aber mitten in der Klimakrise irgendwie auch was Schönes zu machen und dass wir, also ich auch auf mich selber einfach gucke, dass ich gut durch dieses Jahr komme und noch ganz viel Kraft habe, um in den nächsten Jahren weiterzumachen, weil ja, das wäre S04 [00:55:49]: einfach schade. Ja, auf jeden Fall. Wenn das nicht klappt. Ja, vor allen Dingen, weil wir euch ja wirklich brauchen, also ich weiß nicht, von Fridays for Future habe ich schon ewig nichts mehr gehört, letzte Generation ehrlich gesagt auch nicht, Extinction Rebellion, also ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber da scheint ja gerade eh so ein gewisses Vakuum zu sein, wo also die letzten waren dann irgendwie so die Bauernproteste, aber da würde ich mich politisch jetzt eher von distanzieren wollen und das ja, deswegen ja, bitte nutzt dieses Vakuum und geht da rein und genau, macht noch mal ein bisschen Lärm. Also ja, genau, dann bleibt mir tatsächlich einfach nur erstmal zu danken für das Gespräch. Ja, ich würde auch nur noch sagen, vielen Dank, S06 [00:56:38]: es hat sehr viel Spaß gemacht, mit dir darüber mal wieder zu reden. Momentan komme ich nicht so viel dazu, über die ganzen Frauen zu recherchieren, weil eben so viel guter Grund einen nimmt, aber es war jetzt voll die schöne Erinnerung, da nochmal alles durchzuschauen und ja, war halt, also finde ich toll, was du machst mit deinem Podcast und vielen Dank für die Einlage. Danke dir. (.........) S04 [00:57:04]: Wenn du den Podcast auch so toll findest wie Lea, unterstütze ihn, teile die Folge und abonniere Feminismus mit Vorsatz Podcast auf Instagram. Und wenn du damit fertig bist, schau doch mal bei Leas Podcast Tee und Taktik vorbei. Die zweite Staffel beginnt direkt mit einem Gespräch mit Kapitänin Carola Rakete. Ziemlich cool. Dazu läuft aktuell auch noch eine GoFundMe-Kampagne, bei denen die beiden Hosts noch finanzielle Unterstützung brauchen. Die Webseite und das Instagram zu Leas neuer Bewegung Guter Grund sind noch im Aufbau, aber mal vorbeischauen beziehungsweise folgen kannst du ja trotzdem. Die Links sind in den Shownotes. Wenn du mehr über das Widerständigbleiben und dem Vorbeugen vom sogenannten Activism Burnout erfahren möchtest, empfehle ich dir meine Folgen Nummer 28 und 29 sind das zu Selfcare und Collective Care. (.) Ich danke Lea Bonasera für das tolle Interview und das tolle Buch und meine Schwester Antonia [00:58:06] Vorsatz fürs Zitate einlesen. Ich verbleibe wie immer mit feministisch vorsätzlichen Grüßen.

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