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Folge 2: Feminismen in Aktion: Jasmin Mittag

Schlüsselmomente zeigen uns im Einzelnen auf, dass irgendwie doch nicht alles so gerecht ist, wie gedacht. Und dann? Wissen ist gut, Handeln besser. Nur wie? Das habe ich Menschen gefragt, die bereits feministisch aktiv sind. In diesem ersten Interview unterhalte ich mich mit Jasmin Mittag, die die Kampagne "Wer braucht Feminismus?" ins Leben gerufen hat. Nicht nur ihr eigenes Projekt ist interessant, sondern auch ihre Botschaft: Finde deine eigene Aktionsform, egal wie diese aussieht. Was Jasmin persönlich am Feministin sein nervt, wie sie ihren Feminismus definiert und wo auch sie sich immer wieder herausgefordert fühlt, kannst du dir jetzt und hier anhören.

Shownotes zur Podcastfolge:

The Global Gender Gap Report

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Buchtipp aus der Folge: „Stand up“ von Julia Korbik.

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Wer sich neu kaufen nicht leisten will/kann: justbooks.de hilft, das günstigste gebrauchte Buch im Netz zu finden.

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1000Dank an Jasmin Mittag

Coverdesign: Svenja Limke

Titelmusik: Louis Schwadron

Bildschirmfoto 2019-10-21 um 22.41.01.pn

"Ich brauche Feminismus um selbstbestimmt leben zu können. Ich möchte jede Art von Diskriminierung aufdecken und beseitigen. Ich bin eine Frau. Ich bin ein Mensch."

Quelle: http://werbrauchtfeminismus.de

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"Ich brauche Feminismus weil... ich mir sonst ein neues Podcastthema suchen müsste" (sehr viel klügere Sprüche gibts bei http://werbrauchtfeminismus.de)

Foto: Malte Gebbert

Transkript

Die Folge als Text!

Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit noScribe Vers. 0.5 erstellt und ist nicht perfekt.

[00:00:21]: Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund ums F-Wort mit mir, Laura. (...) In der ersten Folge ging es ja vor allem um Situationen, in denen sich Frauen irgendwie unfair behandelt gefühlt haben und es auch bemerkt haben. Manchmal zwar erst Jahre später, aber hey. Zum Beispiel ist ihnen aufgefallen, wie sie auf Stereotype, also auf typisch weiblich reduziert wurden. Ihnen wurde zu wenig zugetraut beim Umgang mit Technik, Werkzeug oder einem Fußball. Ein Freund von mir gab zu, dass er sich wenn dann eher bei seinen Freundinnen ausholt und ein anderer traute sich jahrelang nicht Frauen anzusprechen, weil er sie nicht belästigen wollte. Okay. (.) Wie ich bereits versprochen habe, bin ich während meiner Recherchen zu Schlüsselmomenten und Aussagen, die zum feministischen Denken inspirieren, auf zwei Künstlerinnen bzw. Aktivistinnen aufmerksam geworden. Sie heißen Jasmin Mittag und ja, das erfährst du dann in der nächsten Folge, weil das wäre [00:01:22] hier sonst echt zu lang geworden. Zuerst fand ich auf einer Homepage einer feministischen Kunstausstellung in Hannover den Verweis auf die Kampagne Wer braucht Feminismus? Diese Kampagne sammelt Statements, warum wir den Feminismus noch brauchen, ob digital oder auf Schilder geschrieben und fotografiert. Von Jasmin Mittag gibt es natürlich auch Statements. S01 [00:01:43]: Auf dem einen steht, ich brauche Feminismus für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt und das andere ist mit einem Augenzwinkern. Da steht drauf, ich brauche Feminismus, damit wir alle nicht mehr Selbstverständlichkeiten auf Schilder schreiben müssen. S00 [00:01:58]: Jasmin zeigt sich dabei auf einem Foto und hält das beschriebene Schild lächelnd in ihren Händen. Mittlerweile hat sie schon über 2500 Statements gesammelt. Ich hatte Lust, mir die Ausstellung anzusehen und fragte Jasmin, ob ich das Ganze gleich mit einem Interview verbinden könnte. Sie sagte tatsächlich zu, ohne dass ich einen Funzel des Podcasts vorzuweisen hatte, also sprach schon mal sehr für sie und letztendlich trafen wir uns sogar in Berlin. S01 [00:02:22]: Hallo, ich bin Jasmin, ich bin Aktivistin und Künstlerin. Ein ganz wichtiges Thema, was auch in meiner Arbeit einen großen Raum einnimmt, ist Feminismus. Ansonsten beschäftige ich mich noch sehr viel mit Minimalismus im Moment und Themen wie Nachhaltigkeit, Grundeinkommen, Zugang zu Trinkwasser. S00 [00:02:40]: Im Gespräch erzählt Jasmin, dass sie keinen wirklichen feministischen Schlüsselmoment hatte. Sie entdeckte Feminismus als soziale Bewegung im Studium. Als ich sie dann frage, welchen Rat sie ihrem jüngeren Ich geben würde, kommen dann aber doch einige Details hoch, die sie sich als Jugendliche nicht getraut hat, weil das Jungsachen waren. S01 [00:02:59]: Auf jeden Fall hätte ich mich wehren können und werden sollen gegen so eingefahrene Klischee-Bahnen. Also ich war schon auch sehr interessiert an Themen, die Jungs zugeschrieben wurden, so was wie Skateboard fahren, Hip-Hop hören und vielleicht Graffiti sprühen. Ich habe mir die Sachen aber alle nicht zugetraut, weil ich auch keine Vorbilder hatte. (.) Heutzutage würde ich mir selber raten, guck noch mal ein bisschen weiter, such dir Vorbilder, such dir Verbündete und wenn du keine findest, dann probier es einfach mal aus, weil es ist egal, ob du ein Junge oder Mädchen bist. (.) S00 [00:03:40]: Natürlich wollte ich auch wissen, wie Jasmin ihren Feminismus definiert. Und weil wir uns dann warm geredet hatten und ich auch nur noch ab und zu gegen das Aufnahmegerät gekommen bin, gibt es jetzt einen längeren Ausschnitt auf die Ohren. S01 [00:03:53]: Feminismus ist für mich die soziale Bewegung, die sich gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung wendet und vor allem für Frauenrechte und Gleichstellung stark macht. (..) Bei dieser Definition finde ich wichtig, dass wir Feminismus auch wirklich als soziale Bewegung wahrnehmen und sehen. Das ist eben was, was im Mainstream noch lange nicht angekommen ist. Als soziale Bewegung steht Feminismus nämlich neben anderen sozialen Bewegungen wie der Tierrechtsbewegung, der Arbeiterinnenbewegung, der Friedensbewegung, der Atomkraftbewegung. Und dadurch, dass Feminismus im Allgemeinen so verunglümpft wird, wird der Bewegung auch gar nicht die Ehre zuteil, die ihr eigentlich zuteil werden müsste. Denn die Frauen, die bisher aktiv waren und die aktiv sind, die haben sich wirklich für viele, viele wichtige Themen eingesetzt. Zum Beispiel für das Frauenwahlrecht, dafür, dass Frauen überhaupt an Universitäten dürfen und für wirklich sehr viele verschiedene Sachen. [00:04:55] Und wir können und müssen denen sehr dankbar sein. Und dieses Wissen, dass Frauen dafür sehr gekämpft haben und natürlich auch Männer zum Teil zumindest, das darf nicht verloren gehen. Und das Geschichtsbewusstsein ist doch in der Richtung relativ verkümmert. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. S00 [00:05:14]: Du sagst, es soll als soziale Bewegung wahrgenommen werden. Wie würdest du das denn bezeichnen, wie es im Mainstream gerade wahrgenommen wird? S01 [00:05:23]: Also ich habe tatsächlich mal auch Leute auf der Straße gefragt, was denn ihre Assoziationen zu Feminismus sind und wie sie jemandem Feminismus erklären würden, der nicht weiß, was es ist. Es ist wirklich erschreckend, was man da für Antworten bekommt. (.) Also die Assoziationen sind eben größtenteils, es ist viel zu radikal, es ist übertrieben, das brauchen wir nicht mehr. Es gibt doch jetzt eine Bundeskanzlerin, was wollt ihr denn? Lila Latzo, Sonali Schwarzer, veraltert, stellt euch mal nicht so an. Also das sind schon so Assoziationen. Viele denken, es hat auch was mit Männerhass zu tun oder dass wir wollen, dass jetzt die Frauen eine höhere Machtposition haben als Männer. Aber uns geht es ja um eine Gesellschaft, in der es Chancengleichheit gibt, in der eben alle Menschen das tun können und lassen können, was sie denn möchten. Und dazu gehört zum Beispiel auch, dass Teilzeitarbeit bei Männern anerkannter wird. Da gibt es eben viele Beispiele und im Grunde genommen geht es um Geschlechtergerechtigkeit. [00:06:27] Aber wir Feministinnen und Feministen sehen einfach, dass es eine Schieflage zu Ungunsten von Frauen gibt im Allgemeinen und versuchen deswegen vor allem uns für die Belange von Frauen einzusetzen. (.) S00 [00:06:40]: Ich finde, Jasmin hat es geradezu druckreif gesagt. Feminismus ist eine soziale Bewegung, die sich gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung wendet und vor allem für Frauenrechte und Gleichstellung stark macht. Das wüsste ich gern auswendig. Allerdings kommt es nie so gut, wenn ich eigentlich schlagfertig sein will und dann so wirke, als würde ich ein Gedicht in der Schule aufsagen. Deswegen halte ich mich zum einen an Chancengleichheit für alle und zum anderen an einem Ausspruch aus dem Buch Stand Up Fest. Dieses Buch zur Einführung in den Feminismus wurde von Julia Korbik geschrieben und versammelt ganz ganz viele inspirierende Aussagen verschiedenster Persönlichkeiten zum Thema. Neben sehr gut recherchierten und eingängig geschriebenen Texten habe ich einen Ausspruch von Amanda Palmer gefunden. Sie ist eine US-amerikanische Musikerin und Performancekünstlerin und sagt, in dem Augenblick, in dem du glaubst, du seist eine schlechte Feministin, weil du das falsche Gesagt, Angezogen, [00:07:44] Geheiratet, dich für Kinder entschieden oder auf andere Art einen spezifischen Code des Feminismus gebrochen hast, und jetzt wird in Großbuchstaben geschrieben, glaub es nicht. Es gibt keinen. Du kannst alles tun, was du willst. Alles. Darum geht es. (.) Also, mach was du willst. Was du wirklich willst. Ist einfach gesagt, ich weiß. Deswegen lehn dich lieber nochmal zurück und hör, was Jasmin noch so im Schilde führt. (.) Du hast ja dann die Wer braucht Feminismus Kampagne initiiert. Was war da der Anlass? S01 [00:08:19]: Also ich hatte ja in meinem Studium eben die soziale Bewegung entdeckt und es fing wirklich an in mir zu brodeln. Ich wollte mich gerne engagieren, aber wusste auch nicht wie und hab auch nicht wirklich Gleichgesinnte getroffen. Ich hatte damals noch nicht so viele Strategien zur Verfügung, also für mich selber, wie ich jetzt Gleichgesinnte treffe. Ich war auch eher etwas schüchtern und wäre jetzt vielleicht nicht unbedingt zum autonomen feministischen Kollektiv vom Aster gegangen. (..) Und ja, hab dann nach dem Studium tatsächlich in der Werbebranche gearbeitet und im Marketing (.) und hatte deswegen Strategien an der Hand, wie man Dinge bekannter macht und wie man Kampagnen umsetzt. Und irgendwann bin ich 2012 im Laufe des Jahres bei Facebook auf die Aktion Hunits Feminism gestoßen, die US-amerikanische Studierende an ihrer Universität initiiert hatten. [00:09:20] Die waren genauso wie ich und viele andere genervt davon, dass Feminismus so ein schlechtes Image hat und haben sich gegenseitig mit Schildern in der Hand fotografiert auf den Stand, warum sie Feminismus brauchen. Und haben die dann eben in ihrer Universität verbreitet, um auf das Thema aufmerksam zu machen und eben auch ganz persönliche Argumente darzustellen, warum Feminismus wichtig ist. (.) Und ja, ich habe das bei Facebook gesehen und fand es großartig. Die hatten zu dem Zeitpunkt auch schon viele Einsendungen bekommen, weil eben Menschen aus aller Welt das gesehen haben und dachten, ja, hier, wir haben auch Argumente und haben denen das geschickt. Das haben die dann veröffentlicht. Und ich dachte mir so, ja, das ist eine super Sache. Wir brauchen auch so was und wir brauchen so was auf Deutsch, weil ja auf Englisch eh erstmal immer alles cooler klingt. Aber wir müssen Feminismus auch in Deutschland irgendwie cooler machen. Und vor allem verstehen ja auch nicht alle Englisch und man hat natürlich ein viel höheres (.) [00:10:21] Identifikationspotenzial in der eigenen Sprache. Deswegen habe ich die Gruppe, die das in den USA gestartet hat, angeschrieben und gefragt, ob ich das ins Deutsch übersetzen kann. Das war von denen genauso gedacht. Also es gab inzwischen auch schon Aktionen auf Spanisch zum Beispiel. Und ich habe dann so den Look und Feel von deren Aktionen übernommen. Also auch das Logo in derselben Schriftart, aber auf Deutsch. Und seit 2012 kümmere ich mich um die Kampagne. Es ist ja eine Mobilisierungskampagne. Für mich ist es ein Stück weit so, dass mir die Kampagne nicht gehört, sondern dass sie allen gehört, weil alle ja mitmachen können, wenn sie möchten. Ich mich aber darum kümmere sozusagen, dass sie verbreitet wird und weiter am Leben ist und ja auch größer wird. (.) S00 [00:11:10]: Und das würde dann auch so laufen, dass Menschen sich mit so einem Schild fotografieren könnten und dir das zusenden und davon ausgehen können, dass es auf die Website bleiben wird? Oder wie geht man da vor? S01 [00:11:21]: Also ich habe seit 2012 jetzt schon über 2500 Statements gesammelt. Ein paar hundert davon sind Fotostatements. Viele von diesen Fotostatements habe tatsächlich ich gemacht. Bei Aktionsständen, wenn wir Veranstaltungen haben, dann habe ich oft so einen Stand oder ich werde irgendwo eingeladen. Oder wenn die Ausstellung wandert. Mittlerweile gibt es eine Ausstellung, da sammeln wir auch oft Statements. Und einige machen auch selber Fotos und reichen die ein. Ich veröffentliche die dann hauptsächlich in den sozialen Netzwerken und nehme einen Teil nur auf die Internetseite, weil da können einfach nicht alle tausende Statements Platz finden. Und andere reichen aber auch nur ein textliches Statement ein, weil sie vielleicht kein Foto machen wollen. Und das eben per E-Mail oder auch per Facebook-Post oder Nachricht zum Beispiel. S00 [00:12:17]: Auf einem von Jasmins Schildern steht, dass sie Feminismus für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt braucht. Ich wollte wissen, welche Bereiche ihr dabei besonders wichtig sind. (.) S01 [00:12:27]: Ich finde, das kommt darauf an, wo wir hingucken. Es gibt ja diesen jährlichen Gender Gap Report und der untersucht die Bereiche politische Partizipation, Wirtschaft, Bildung und Gesundheit. Ich persönlich finde auch die Lebenswelt sehr wichtig. Also was wird eigentlich an mich herangetragen? (..) Was sind auch so Mechanismen? Und was sind vielleicht auch ganz viele unterbewusste Dinge, die sich so in mir manifestieren? Also zum Beispiel sind 90 Prozent der Straßennamen, die nach Menschen benannt sind, nach Männern benannt. Oder wenn ich Nachrichten gucke, sind da hauptsächlich männliche Akteure. (.) Das sind ja so Dinge, die so den Lebenswelt mitprägen. Aber natürlich gibt es auch ganz, ganz handfeste Probleme und da finde ich kann man oder kann ich zumindest keinen Bereich auflisten, wo ich sage, der ist jetzt wichtiger als der [00:13:30] andere. Wenn wir global schauen, aber auch nach Europa und nach Deutschland ist ja leider das Thema Gewalt gegen Frauen immer noch ein sehr großes Thema, weil jede dritte bis vierte Frau in ihrem Leben Gewalt erfährt. Und da muss natürlich einiges passieren. Aber es lässt sich auch unterbrechen auf so was wie, dass Frauen hauptsächlich für die Verhütung zuständig sind und die Pille nehmen und gesundheitliche Risiken angehen für die gemeinsame Verhütung in einer Beziehung. Das wären jetzt aus dem Gesundheitsbereich zwei Beispiele. (.) S00 [00:14:06]: Seit 2006 analysiert das Weltwirtschaftsforum jährlich die Gleichstellung von Männern und Frauen in 149 Staaten. Untersucht werden dabei vier Bereiche. Neben dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Hygiene bzw. der Lebenserwartung von Männern und Frauen wird die wirtschaftliche Chancengleichheit, die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten und das Bildungsniveau pro Land untersucht. Also ich kann schon mal vorausschicken, dass Frauen und Männer nirgendwo zu 100 Prozent gleichberechtigt sind. Selbst der Spitzenreiter Island, wo 1980 die erste Frau weltweit zur Präsidentin gewählt wurde, hat bis zum letzten Jahr insgesamt 85 Prozent der Geschlechterkluft geschlossen. Im Report von 2018 steht, dass die Gleichberechtigung weltweit stagniert. Im jetzigen Tempo werde es 108 Jahre dauern, die globale Lücke zwischen den Geschlechtern zu schließen. Ja, in manchen Ländern wächst die Kluft zwischen den Geschlechtern sogar. So wüste Deutschland im Vergleich zum Vorjahr sogar zwei Plätze ein und ist jetzt auf Platz [00:15:11] 14 gelandet. 78 Prozent der Kluft wurden bereits geschlossen. Ich finde, die Zahlen für Deutschland klingen eigentlich ganz gut. Aber es sind halt auch nicht 100 Prozent und dummerweise interessiert mich nicht nur Deutschland. Das wäre ja schön einfach. Ganz am Ende der Länderliste stehen Länder wie Syrien, der Irak und Jemen. All diese Länder haben um die 50 Prozent der Geschlechterkluft geschlossen oder eher geöffnet. Und ich habe halt schon den Anspruch, dass sich mein feministisches Denken auf alle Frauen dieser Welt bezieht, auch wenn da fast mein Kopf platzt. Und ja, ich am Ende wahrscheinlich nur in meinem deutschen oder europäischen Wirkungskreis feministisch handeln kann. Vielleicht. Wahrscheinlich ist auch das schon fast so anstrengend, wie die ganze Welt retten zu wollen. (...) Wann nervt es dich denn, Feministin zu sein? (.) S01 [00:16:04]: Es nervt mich, Feministin zu sein, wenn ich merke, dass Menschen mit mir sprechen wollen und in Diskussion gehen wollen. Aber dass es eigentlich nur darum geht, dagegen zu sprechen und ihre Position zu behalten und einfach nur labern wollen, um zu labern. Das auch noch im privaten Rahmen oder im halb privaten Rahmen, wenn ich Menschen treffe und kennenlerne. Und dann breche ich Diskussionen auch ab, weil ich dafür keine Energie habe, wenn es eh gar nicht um Inhalte geht oder darum, dass man wirklich Positionen austauscht, sondern (.) wenn es nur darum geht, dagegen zu reden. Und das ist gar nicht mal so selten, dass ich auch öfter Menschen im Gespräch habe, von denen ich erst denke, dass sie eigentlich eine ganz gute Meinung haben und mir dann aber lang und breit erklären wollen, warum gendergerechte Sprache ja eigentlich total [00:17:05] nervig ist und wir das nicht brauchen. Das passiert relativ häufig. (..) S00 [00:17:10]: Das heißt, wenn Leute sagen, Feminismus, das würde ich nicht mehr mit der Kneifzange anfassen, wie reagierst du auf sowas? (..) S01 [00:17:20]: Ich drehe mich um und gehe eigentlich in der Regel. Ich bin niemand, der versucht, Menschen zu überzeugen, wo eigentlich meines Erachtens eh Hopfen und Malz verloren ist. Ich versuche, Menschen zu stärken, die sich schon mit dem Thema beschäftigen und auch Menschen zu vernetzen. Ich organisiere relativ viele Veranstaltungen und ich denke, das macht viel mehr Sinn, deine Energie da reinzustecken, sich selber zu stärken, sich selber auch fortzubilden, weil ich auch selbst nach sechs, sieben Jahren Engagement lerne ich auch ständig noch was Neues dazu und freue mich immer auch über neue Kontakte, die auch dem Thema aufgeschlossen gegenüber sind. Und es ist eine gute Sache, ein Vorbild zu sein und Dinge so gut wie es geht zu leben und auch vielleicht anderen aufzuzeigen, aber auch vor allem gezielten Menschen in seinem Umfeld zu stärken und zu unterstützen und zusammenzubringen. (.) S00 [00:18:17]: Würdest du sagen, das sind so oder das ist so die größte Herausforderung vom Feminismus gerade oder würde es da noch um andere Dinge gehen? S01 [00:18:25]: Also ich finde, dass eine große Baustelle im Feminismus ist, dass die, die ohnehin schon feministisch gesonnen sind, sich noch stärker vernetzen und noch mehr zusammenarbeiten und das auch wohlwollend. Also zum Teil gibt es eben auch in der Szene Abgrenzungen, die unnötig sind, finde ich, weil wir uns das nicht erlauben können, auch nach außen hin zersplittert aufzutreten. Natürlich sind Diskussionen wichtig und auch inhaltliche Diskussionen, aber am Ende sind wir doch alle für dasselbe und schauen in eine Richtung. Das ist zumindest meine Wahrnehmung und mein Verständnis und dass es schon auch darum geht, Kräfte zu bündeln und sich nicht innerhalb der Szene zu sehr aufzureiben, sondern zu schauen, dass wir nach außen hin auch ein Stück weit geschlossen auftreten. (..) S00 [00:19:23]: Das fand ich interessant, denn bevor ich mich näher mit Feminismen beschäftigt habe, bekam ich eher die Kämpferinnen mit. Also Feministinnen auf Twitter, Margarete Stokowski in ihren feministischen Spiegelkolumnen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es besonders angenehm ist, immer und immer wieder seinen Standpunkt zu erklären, dorthin zu zeigen, wo es wehtut, sich beschimpfen zu lassen und trotzdem weiterzumachen. Jasmin zeigt ja, dass feministisch gesonnene Personen nicht automatisch pausenlos streiten müssen. Die innere Stärkung der Bewegung ist mindestens genauso wichtig. Dazu gehört meiner Meinung nach auch, das eigene Innere zu stärken. Denn wir sind alle vorgeprägt und wenden hier und da unbewusst unser Klischee-Denken an. (.) In welchen Momenten erwischst du dich denn dabei, dass du auch, also dass du einfach strukturelle Vorprägungen in dir trägst und es dann manchmal so mit den feministischen Haltungen oder dem, was man ja im Feminismus leben möchte, als Frau kollidiert? (...) S01 [00:20:25]: Also, wir haben ja alle eine ganz starke gesellschaftliche Prägung und die bezieht sich zum großen Teil auch auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, wenn man das so formulieren möchte. Und ich merke zum Beispiel in meiner Beziehung, ich lebe heterosexuell, dass ich typische Funktionen, Positionen, Aufgaben eher übernehme als meine Partner. Also sowas wie aufräumen, bevor Besuch kommt, putzen, bevor Familie kommt und so, dass ich da schon eher, ja, mehr hinterher bin als der andere. (..) S00 [00:21:10]: Ja, wie geht man bei sowas vor? Also ich meine, ganz oft ist es ja auch schon so, das schleicht sich dann eben auch so ein, solche klassischen Rollenverhältnisse. S01 [00:21:18]: Im Endeffekt ist es ja so, dass alles eine Verhandlungssache ist und dass es erst mal wichtig ist, dass man sehr bei sich selber ist und aus dieser Position heraus in eine Partnerschaft geht. (.) Und da ist natürlich auch, ich sag mal, wirklich die Auswahl des Partners etwas sehr Entscheidendes. Also ich lerne ja jemanden kennen und merke, wie die Person tickt und muss eben schauen, ob das zu mir passt und ob das meinen Vorstellungen entspricht. Also ich würde sagen, mit der Auswahl ist schon mal viel geholfen. (.) Und am Ende ist eben viel Verhandlungssache und sich aufeinander einspielen auch und auch immer wieder in den Dialog gehen. Und ein Stück weit natürlich sind es auch immer Kompromisse, die eine Partnerschaft prägen. S00 [00:22:13]: Inwiefern möchtest du denn auch zukünftig für den Feminismus einstehen? Gibt es denn irgendwas, was vielleicht noch in Planung ist? (..) S01 [00:22:22]: Also ich sehe mich schon als Feminist for Life und möchte auch gerne bis zum Ende meiner Tage mich in diesem Thema engagieren, fortbilden und versuchen, andere Menschen zu inspirieren. (.) Ich glaube nämlich nicht, dass sich bis ich nicht mehr auf dieser Welt bin, das Thema schlechter Ungerechtigkeit erledigt hat. Leider. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Welt alle ein Stück besser machen können. In jede Person auf ihre Art und Weise und in ihrem Wirkungskreis. Ich habe ja nun mal den Aktivismus und andere inspirieren und an die Öffentlichkeit gehen mit dem Thema und Kampagnen machen als meinen Weg gewählt. Das wird auch in Zukunft zu sein. Da geht es tatsächlich auch darum, Vorbilder zu schaffen und zu entwickeln. [00:23:22] Also zum Beispiel hätte ich auch gerne eine Großflächenplakat Kampagne mit etwas prominenteren Personen an Bahnhöfen zu Wer braucht Feminismus, wo eben ja auch Menschen, die in Deutschland bekannt sind, sich für das Thema stark machen und sich zeigen, um eben ja auch den Mainstream aufzurotteln. Und ja, also so in der Art habe ich noch fünf, sechs andere Ideen. (..) Und da kommen bestimmt auch immer wieder neue auf. Also ja, ich finde das Thema sehr, sehr wichtig und es soll auf jeden Fall auch weiterhin in meinem Leben eine große Rolle spielen. (.) S00 [00:24:05]: Was würdest du denn Frauen und Männern, die sich jetzt eben für das Thema interessieren, aber eben noch nicht so genau wissen, wo sie anfangen sollen? Erst mal. Also was würdest du ihnen raten? Wo kann man sich informieren? Und dann auch andersrum? Wie kann man sich denn auch engagieren? S01 [00:24:21]: Ganz wichtig ist der persönliche Kontakt und der Austausch und das Wohlfühlen mit anderen Gleichgesinnten, finde ich. Deswegen schaut einfach, was in eurer Stadt oder in der Nähe von eurer Stadt für Veranstaltungen sind, in Kulturzentren, in Frauenzentren, ja, in irgendwelchen Einrichtungen die Veranstaltung organisieren oder fasst euch ein Herz und fahrt mal in eine etwas größere Stadt. Zum Beispiel gibt es mittlerweile auch in mehreren Städten in Deutschland feministische Barcamps. Die sind meistens dann einmal im Jahr. Da kommen viele Gleichgesinnte zusammen. Das ist wie so eine lockere Konferenz, wo auch alle Themen einbringen können. (..) Lest natürlich Bücher und Schriften. Versucht euch zu stärken und euch ja nicht lächerlich machen zu lassen von Bekannten, Freunden, Familie oder Arbeitgeberinnen oder Kolleginnen oder so. Wenn ihr diskutieren wollt, versucht mit Menschen zu diskutieren und ins Gespräch zu kommen. [00:25:24] Aber wenn ihr merkt, so eigentlich ist mir das zu anstrengend, ich möchte lieber mit Gleichgesinnten sprechen, dann versucht eben die zu finden. Also versucht die auf jeden Fall zu finden. Und ansonsten horcht in euch rein, was die richtige Aktionsform ist. Also ich bin zum Beispiel jemand, ich gehe gar nicht gerne auf Demonstrationen. Aber andere gehen super gerne auf Demonstrationen. Und wenn ihr mögt, schließt euch an so was an oder reicht ein Statement bei, wer braucht Feminismus ein oder findet andere feministische Aktionen, die euch begeistern und wo ihr daran teilhaben könnt. Wenn ihr noch auf der Suche nach einer beruflichen Zukunft seid, gibt es natürlich auch sehr viele Institutionen und Organisationen, die feministisch gesonnen sind, bei denen man sich einbringen kann. Da kann man Praktika machen oder vielleicht auch später Jobs finden. Vielen Dank. Ja, gerne. (...) S00 [00:26:17]: Ich finde, da sind schon echt viele gute Tipps dabei. Mir hat es zum einen geholfen, feministisch gesonnen, wie Jasmin so schön sagt, Institutionen und Personen auf den sozialen Medien zu folgen. Und von Veranstaltungen habe ich über Newsletter gelesen, zum Beispiel von der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Gespräch gefiel mir total gut, mit welcher Fundiertheit Jasmin sich ausdrückt. Die feministische Ausstellung, die ich mir in Hannover ansehen wollte, war übrigens schon letztes Jahr. Schade, dass ich das erst nach drei Stunden Fahrt erfahren durfte. Aber gut, letztendlich hat es mich ja zu Jasmin geführt. In der nächsten Folge gibt es dann ein weiteres Interview zu Feminismen in Aktion auf die Ohren. Ich bin zuversichtlich, dass für dich ein paar interessante Infos dabei waren und du vielleicht sogar Lust hast, deinen eigenen Ich-Brauche-Feminismus-Satz an Jasmin Mittag zu schicken. Die Kontaktdaten findest du in den Shownotes. Ich habe auch ein Ich-Brauche-Feminismus-Weil-Foto, das du auf Instagram unter feminismus.mit.vorsatz [00:27:20] findest oder auf Facebook. Folge mir dort gern, schick mir dein Feedback und so ein kleines Abo des Podcasts kann ja auch nicht schaden. Dann bekommst du auch gleich mit, wenn die nächste Folge an den Start geht. Teile den Podcast gern mit deinen Menschen und nimm ihn super gern zum Anlass für Austausch, Diskussion oder von mir aus auch einfach Übereinstimmung. Für heute danke ich Jasmin Mittag herzlichst und verbleibe mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Bis zum nächsten Mal. Tschüss!

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