Folge 8: Popfeminismus - Na wenn BeyoncÉ das sagt…
Beyoncé dänzte sich vor nicht allzu langer Zeit vor einem riesigen FEMINIST Schriftzug einen ab, untermalte ihren Song “Flawless” mit Chimamanda Ngozi Adichie’s Essay “We should all be feminists” und Millionen Menschen bekamen es nochmal und nochmal zu hören: “Feminist: The person who believes in the social, political and economic equality of the sexes“. Das hätte sie nicht machen müssen – hat sie aber. Ist Beyoncé deshalb wirklich Feministin? Und konnte sie all diese Menschen wirklich inspirieren, sich mit Gender Equality auseinanderzusetzen? Warum ist Feminismus im Pop cool, während wir politisch zwar von einer Frau, aber eben von einer Feministin-wider-Willen regiert werden? Let’s talk about it. Und lass ein bisschen Spice Girls hören!
Shownotes zur Podcastfolge:
Margarete Stokowski: Untenrum frei (Vorwort)
Barbara Streidl: Feminismus (Reclam 100 Seiten) (S.8-11)
Katrin Rönicke: Emanzipation (Reclam 100 Seiten) (S.25f.)
Sorority: No more Bullshit – Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten (S. 80-85)
Julia Korbik: Stand up! Feminismus für alle. (S.382-390)
Angela McRobbie: Top Girls (S.32)
Annekathrin Kohout: Netzfeminismus (S. 31-34)
Deutschland3000 Podcast: Margarete Stokowski
Emma Watson at the HeForShe Campaign 2014 - Official UN Video
Madonna Woman of The Year Full Speech | Billboard Women in Music 2016
Lady Gaga on Double Standards & Feminism
Film über die Riot Grrrls und Kathleen Hanna "The Punk Singer“
Anne Wizorek: Deutschland braucht keine Super-Feministin (ZEIT-Artikel)
„Wir Frauen“-Ausgabe zum Thema Popfeminismus
Weiterführendes:
Artikel auf *innenAnsicht: Wieso heißt es Feminismus?
Beyoncé Knowles: Gender equality is a myth!
Sonja Eismann (Hg.): Hot Topic
Katja Kauer: Popfeminismus! Fragezeichen!
Tine Plesch: Rebel Girl
Juliane Streich (Hg.): These Girls
Valerie Schönian: Halleluja - wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen
Valerie Schönian: Ostbewusstsein - Warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet
Booking-Anfragen für den Projekt Kiezchor gehen bitte an booking@projektkiezchor.de
Credits:
1000Dank an Valerie Schönian, alle Sprachnachrichtler*innen und den Projekt Kiezchor!
Coverdesign: Svenja Limke
Titelmusik: Louis Schwadron
Transkript
Die Folge als Text!
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[00:00:21]: Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund ums F-Wort. Mit mir, Laura. (..) Na du Feministin, werde ich nun ab und zu begrüßt. In mir fängt es dann direkt an zu rödeln. Meint der oder dir das gerade ernst? Ah ne, okay, grinst ein bisschen. Will mich ärgern? Warum eigentlich ärgern? Mit Feministin? Okay, es heißt Feminismus mit Vorsatz. Also Feminismus mit mir. Es heißt nicht Laura Vorsatz, die Feministin. Vielleicht ein bisschen kleinlich, aber der Podcast, diese Reise in Feminismen, ist immer noch ein Experiment und Experimente können auch anders ausgehen als erwartet. Ich könnte mir das alles ganz genau angesehen haben und feststellen, nö, nö, doch nichts für mich. Aber was genau ist dann nichts für mich? Gleichberechtigung für alle soll nichts für mich sein? Das wäre verrückt. Also doch Feministin. Nennst du dich schon Feminist oder Feministin? Oder weißt du dafür noch zu wenig? Sind die Achselhaare noch zu kurz und die BH ist noch nicht verbrannt? Nun habe ich den Podcast so genannt und trotzdem noch [00:01:22] nicht 100% Frieden mit dem Begriff geschlossen. Immerhin bin ich in bester Gesellschaft, denn selten habe ich so viele Sprachnachrichten bekommen wie auf die Frage, was hindert dich S18 [00:01:31]: daran, dich Feministin zu nennen? Mich hält eigentlich nichts davon ab, mich als Feministin zu bezeichnen. Und für mich ist eigentlich jeder, der für die Gleichstellung der Geschlechter ist, feministisch. Hier wäre für mich vielleicht die nächste Frage, ob dann Feminismus das richtige Wort dafür ist oder ob man ein anderes Wort dafür braucht, was nicht ein Geschlecht hervorhebt, sondern beide Geschlechter oder alle möglichen Geschlechter gleichstellt. Dadurch, dass meine S06 [00:01:53]: Mutter sich als Feministin bezeichnet hat und ich das aber irgendwie als Teenager nicht cool finden konnte, was meine Mama macht, habe ich diesen Begriff nie für mich verwendet. Und natürlich Imanze als Schimpfwort wollte ich natürlich auch nicht genannt werden. Und tatsächlich, dass ich dann das erste Mal mich als Feministin bezeichnet habe, ist tatsächlich mit 17 durch meinen heute besten Freund passiert, weil ich ihm das erzählt habe von meiner Mutter in der Annahme, dass er das auch uncool findet. Aber er hat halt gemeint, so, ne, ist doch voll cool, S13 [00:02:24]: ist doch voll wichtig. Ich bezeichne mich nur ungern als Feminist, weil der Begriff so viele Missverständnisse und so viele verschiedene Erwartungen und Positionen in sich trägt, dass es was schon gefährliches, sich als Feminist, vor allem als Mann zu bezeichnen. Aber ich bezeichne mich gerne als Mensch, der dafür kämpfen will, Gleichheit und Offenheit herzustellen unter den S04 [00:02:45]: Menschen. Ich glaube, es waren dann einfach viel Freundinnen, die größtenteils über das Studium mit Feminismus in Kontakt gekommen sind und sich dann eben darüber viel damit beschäftigt haben. Und ich das dann mitbekommen habe und dann auch angefangen habe, mich ganz viel damit zu beschäftigen und ganz viel zu lesen. Und irgendwie hat das Internet auch voll die große Rolle gespielt. Ich habe ganz viel angefangen, Podcasts zu hören, dann hat die Missy abonniert und so weiter. Aber ich weiß, davor habe ich das einfach alles nicht mitbekommen. Jetzt ist es irgendwie einfach so präsent, dass mir das total schwerfällt nachzuvollziehen, wie ich da so lange so wenig von mitbekommen habe. Und ich weiß, dass ich mich auf jeden Fall davor auch als Feministin bezeichnet habe, aber es war eher so, ja, ich bin halt für Gleichberechtigung und für Frauenrechte, aber eher so, ja, in anderen Ländern, da ist das ja noch nicht gegeben oder da sind ja, sind die Verhältnisse ganz schlimm. Und in Deutschland passt aber schon alles irgendwie. Aber irgendwie so diese Beschäftigung mit Strukturen und auch Strukturen in Deutschland [00:03:49] und Patriarchat und wie das irgendwie historisch gewachsen ist, das kam bei mir halt wirklich erst S09 [00:03:53]: so mit einem Umfeldwechsel. Ich unterstütze den feministischen Kampf, der jetzt auch grundsätzlich nicht zu kritisieren dran, außer wenn man jetzt, ja, manchmal bei manchen Sachen finde ich halt so, aber das ist halt auch, weil ich ein Mann bin und mich vielleicht nicht hineinversetzen kann, da finde ich halt, dass es halt zu drastisch und zu kleinkariert ist. Und da finde ich, da könnte man halt irgendwie anders herangehen an die Sache. Jetzt fällt mir so spontan natürlich kein Beispiel wieder ein. Genau, aber warum nenne ich mich nicht Feminist? Ich finde halt, also ich bin halt auch unter anderen Freundinnen, die meinten, dass ich ja schon eigentlich feministische Einstellung habe, aber halt in manchen Diskussionen dann dagegen argumentiere. Ich finde halt immer, dass wir leben halt im 21. Jahrhundert, auch wenn das Wort natürlich populistisch ein bisschen ist, im Turbokapitalismus. Und da finde ich halt, ist Feminismus einer von S08 [00:04:47]: ganz vielen Problemen. Das Problem beim Feminismus ist ja auch, dass es halt die unterschiedlichsten Definitionen dafür gibt und jeder halt seine Definition dafür selber finden muss. Und meiner wäre halt einfach das Streben nach Gleichberechtigung, Chancengleichheit, (.) Gleichbehandlung aller Menschen weltweit halt unabhängig von ihrem Geschlecht. Jedoch gibt es da halt meiner Meinung nach Menschen in dieser Bewegung, die da zu weit übers Ziel hinausschießen und weil das von Außenstehenden halt auch mit der Feminismusbewegung unter einen Hut gesteckt wird, habe ich ein Problem, mich öffentlich als Feminist zu äußern. Aber so würde ich auf jeden Fall mit den feministischen Grundgedanken, also der Gleichbehandlung, Chancengleichheit, auf jeden Fall konform gehen und mich trotzdem so als Feminist bezeichnen. S03 [00:05:34]: Also was hatten wir? Das Label Feminismus stellt das weibliche Geschlecht zu sehr in den Vordergrund. Aber Emanze ist ein Schimpfwort. Wenn, dann haben andere Länder Probleme mit Gleichberechtigung. FeministInnen sind manchmal einfach zu kleinkariert und radikal. Und überhaupt, es gibt Wichtigeres als Feminismus, zum Beispiel den Systemwechsel. Ich habe weiter gefragt, was das Problem ist. So auch beim Interview mit Autorin Valerie Schönian. Du bekommst in einer späteren Folge nochmal einiges zu ihrem neuen Buch Ostbewusstsein zu hören. Zunächst wollte ich sie aber auf ihr erstes Buch, Halleluja, wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen, ansprechen. Mir war da was aufgefallen. Ich würde nochmal zurückgehen zu dem Projekt, über das ich dich das erste Mal so beruflich auch entdeckt habe. Und das war ja mit dem katholischen Priester. Und was mir damals schon so krass aufgefallen war, ist, dass du da vorgestellt wurdest mit, aha, das ist Valerie Schönian und sie ist links, feministisch und [00:06:35] kirchenfern. Irgendwie so war das immer so das Label. Oder ich glaube, ich weiß gar nicht, ob es so auf dem Buchrücken steht. Aber schon so drei Stempel irgendwie auf einmal in deine Stirn geknallt. Und das war auf jeden Fall auch noch so eine Zeit, wo ich also niemanden in meinem näheren Umfeld kannte, der gesagt hätte, ich bin Feministin, ich bin feministisch. Und du warst insofern die Erste, von der ich das so lesen konnte, zumindest. Und was mich jetzt interessieren würde, inwiefern stammtest du damals zu diesem Label? Kam das vielleicht auch von dem Verlag oder kam das von S14 [00:07:11]: dir? Ja, also das Ganze war ein Projekt der katholischen Kirche. Und das war ja erstmal ein Internetblog, Valerie und der Priester, bevor das zu dem Buch kam. Und organisiert hat das eine Agentur in Köln. Und das war eben tatsächlich das Label, was sie gesucht haben. Also die haben gesucht, eine linke feministische Journalistin, die kirchenfern ist, aus der Großstadt. Und dann rief mich ein Freund an und meinte, hey, das bist doch du. Also ich habe das Label tatsächlich so von außen zugeschrieben bekommen, aber dachte schon, ja okay, das stimmt schon. Und ich kenne natürlich irgendwie alle Problematiken, wenn es um Definitionsfragen geht. Da kann man natürlich ewig drüber streiten, was ist links, was ist feministisch. Aber so von der Stoßrichtung, was Leute damit ungefähr in Verbindung bringen, haut das schon hin. Und man muss bei so einem Projekt dann einfach mal den Mut zur Verkürzung haben. Und ich bin sozusagen immer bereit und war auch immer bereit, allen Leuten zu erklären, was ich darunter verstehe. Und ich habe interessanterweise am Anfang des Projekts schon immer geschrieben, dass ich eher aus dem feministischen Milieu komme. Also ich habe tatsächlich nicht geschrieben am Anfang selbst, dass ich Feministin bin, weil ich auch irgendwie das Gefühl hatte, dass ich mir das jetzt nicht einfach so aneignen darf, [00:08:16] weil ich dafür einfach viel zu wenig Ahnung habe. Und ich hatte da schon den Prozess gemacht, dass ich erkannt habe, dass das wichtig ist und dass es da ein Problem gibt. Aber ich hätte mich einfach nicht getraut, mich Feministin zu nennen. Und dann habe ich während des Projekts untenrum freigelesen von Margarete Stokowski, die halt sagt, wir dürfen uns alle Feministinnen nennen und wir müssen keine Angst haben, dass uns das jemand abspricht. Das hat mir irgendwie Mut gemacht. Das Buch hat mir wirklich sehr geholfen und war eben so ein Buch, was ich gelesen habe und dann zwischendurch Pause machen musste, um es zu atmen, um es mal sacken zu lassen. S03 [00:08:50]: Ach ja, untenrum frei. Auch ich hatte ein Buch schon lange nicht mehr so verschlungen. Allein das Vorwort könnte ich mir einrahmen. Margarete Stokowski äußert sich da direkt umfassend zum Begriff Feminismus. So legt sie persönlich wenig Wert darauf, ob sich irgendjemand zum Feminismus bekennt. Es ginge nicht ums Etikett, sondern darum, wie wir handeln und miteinander umgehen. Für Margarete Stokowski bedeutet Feminismus, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität und ihrem Körper dieselben Rechte und Freiheiten haben sollen. Dabei gehört für sie Feminismus, Rassismus und Klassenunterdrückung zusammen und zusammen weg. Also wenn ich bis hierhin was gelernt habe, dann dass Feminismen und alles, was damit zusammenhängt, einfach und kompliziert sind. Das kann schnell zu der Annahme führen, Valerie Schönjahn sprach es eben an, Margarete Stokowski schreibt es und mir ging es auch so, dass wir erst Tonnen von Informationen brauchen, bevor wir uns auf irgendeine Seite stellen können. Die, die sich durch die feministischen Klassiker gelesen haben und Patriarchat richtig schreiben können, werden für eine Veränderung aber nicht [00:09:52] ausreichen. Meiner Meinung nach gehen Theorie und Praxis also am besten Hand in Hand. Und wie Valerie schon meinte, angesichts ihres Projekts musste sie Mut zur Verkürzung und zum Label haben, damit schnell klar ist, worum es geht. So ist es auch mit dem Feminismus. Ein Label muss kurz und prägnant sein, eindeutig und leicht zu merken. Egal wie lang die Suche geht, nie wäre es allen recht zu machen. Außerdem lenkt Labelfindung ab? Wir haben Besseres zu tun, schreibt Stokowski. Feminismus ist nichts, was durch eine bessere PR ein attraktiveres Produkt wird und dann von allen einfach lässig nebenbei geschluckt wird. Es ist ein Kampf, der wehtun wird, weil wir einsehen müssen, an wie viel Scheiße wir uns gewöhnt haben. Ich erinnere da auch gerne nochmal an die S16 [00:10:35]: Definitionskeule aus Folge 2. Im Grunde genommen geht es um Geschlechtergerechtigkeit, aber wir Feministinnen und Feministen sehen einfach, dass es eine Schieflage zu Ungunsten von Frauen gibt, im Allgemeinen und versuchen deswegen vor allem uns für die Belange von Frauen einzusetzen. S03 [00:10:55]: Margarite Stokowski verweist außerdem darauf, dass wir uns mit einem neuen Label von all denen abgrenzen würden, die diese Kämpfe begonnen haben und dafür sorgten, dass Frauen wählen, Geld verdienen und Bankkonten eröffnen dürfen. Es sei also vielmehr eine Ehre, sich bei diesen KämpferInnen einzureihen und nicht peinlich. Dass Frauen, die sich für ihre Rechte stark machen, als hässlich, emotional, verbittert und unmenschlich dargestellt werden, ist eine Strategie, die so alt ist wie der Feminismus selbst. Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete die Postkartenindustrie diese negativen Bilder von FrauenrechtlerInnen und auch heute sehen sich FeministInnen auf allen möglichen Kanälen mit zickigen, hysterischen MännerhasserInnen oder Feminazis in Verbindung gebracht. Zum Glück liegt die Deutungshoheit darüber, was Feminismus ist, nicht bei denen, die von der Macht profitieren, die sie noch haben. Logisch, dass Feminismus für sie unbequem ist und der lieber gehindert [00:11:56] werden sollte. Aber was Feminismus ist, das bestimmen immer noch die FeministInnen. (..) Ich persönlich finde auch von Vorteil, dass sich FeministInnen unter diesem Label leichter zusammenfinden können. Würde ich mich einfach nur HumanistInnen nennen, würde es sehr viel schwieriger sein, unter allen HumanistInnen wirklich Verbündete zu treffen, denen es insbesondere um Frauenrechte geht. Denn geschichtlich hat der Humanismus ja auch schon einige Phasen hinter sich. Zu Zeiten der Aufklärung wurde er schon einmal wieder entdeckt und hochgehalten. Ja, komm, wir bedienen uns unserem Verstande und feiern die Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit, ach nee, Brüderlichkeit. Frauen waren mit den Schlagworten der französischen Revolution wohl nicht gemeint. Aufklärung war was für Männer. Während der Familienvater für die geistliche Nahrung sorgte, kümmerte sich die Mutter um die leibliche Nahrung. Reicht ja auch. Dank NoMoreBullshit, dem Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten, wurde mir auch noch mal klar, dass Humanismus sich primär auf eine philosophische Geisteshaltung bezieht. [00:12:57] Humanismus bleibt theoretisch und setzt nicht auf konkrete politische Maßnahmen gegen Diskriminierung. Da werden eher Diskussionszirkel geführt und antike Schriften übersetzt. Moderne HumanistInnen können natürlich politisch aktiv sein, der Begriff Humanismus beinhaltet den Anspruch auf soziales Engagement aber nicht. Feminismus dagegen schon. Naja, und vielleicht so kam es mir dann, zögerte ich am Anfang auch deswegen, mich Feministin zu nennen. Weil ich wusste, dass Lesen und Wissen aufsaugen nicht mehr reichen würde und ich ins Tun kommen müsste. Naja, und das ist anstrengend. Nur wird Denken allein die Welt nicht ändern. Besonders interessant finde ich ja, wie sich Personen der Öffentlichkeit zum Feminismus positionieren. So hörte ich schon vor einer Weile, wie Colleen Ulmen-Fernandes im Interview bei Deutschland3000, einem meiner absoluten Lieblingspodcasts, höflich vor dem Label der Feministin zurück tapste. Wie gut, dass Margarete Stuckowski neulich ebenfalls geladen S02 [00:13:54]: war und darauf reagieren konnte. Ich hatte hier auch schon mal zu Gast die Moderatorin Colleen Ulmen-Fernandes, die jetzt selber feministische Reportagen macht. Und die hat mir dann gesagt, sie würde sich nicht Feministin nennen. Ich kann ja auch die Stelle mal vorspielen, wenn mich interessieren würde, was du dazu sagst. Also wenn ich jetzt sage, ich bin Feministin, S05 [00:14:12]: kommen dann bestimmt irgendwie 20 noch feministischere Feministinnen, die irgendwie sagen, nee, Moment mal, du hast aber das und das gemacht. Das geht gar nicht. Und ich will eigentlich mehr, die Gleichberechtigung ist mir wichtiger. Ich will mich da nicht mit S02 [00:14:26]: Begrifflichkeiten aufhalten. Aber vielleicht kommen auch 30 von denen, die mit 15 Poster von dir an der Wand hatten und dachten, wenn Colleen Feministin ist, ist es vielleicht S05 [00:14:33]: doch was für mich. Ja, letztendlich geht es doch darum, möglichst viele mit ins Boot zu holen. Aber ich habe irgendwie bei manchen das Gefühl, das wollen die gar nicht. Die wollen irgendwie unter sich bleiben und möglichst nicht so viele Menschen mit reinholen und möglichst irgendwie so ein kleiner, exklusiver Kreis bleiben. Und da sollen möglichst, also das ist irgendwie so ein Club mit einer geschlossenen Tür, wo irgendwie niemand rein darf. Ja, schade, aber ich kenne auch diese S17 [00:15:00]: Haltung. Aber ich meine, was heißt schade? Also kann ja, kann sich auch immer noch ändern, wenn wenn sie sich vielleicht mehr damit beschäftigt oder andere Leute kennenlernt oder so. Und das ist auch alles okay. Man muss sich nicht Feministin nennen. Das ist eigentlich, ist es scheißegal, ob man sich so nennt oder nicht. So und jetzt, es gab ja jetzt diese Stelle, wo sie gesagt hat, mir geht es eher um Gleichberechtigung oder so. Und das ist natürlich, das ist, ich meine, mir bricht das Herz, wenn ich das höre. Ja, weil ich meine, es geht ja um Gleichberechtigung, ja Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern, zwischen unterschiedlichen sexuellen Orientierung, unterschiedlichen Körpern und Aussehen und so. Und das geht natürlich in viele, viele andere Themen über. Also dann geht es auch um Diskriminierung bezüglich der Herkunft. Und wenn Leute dann sagen, ja, ich will einfach nur so, ja Gleichberechtigung halt. Es ist Feminismus. S03 [00:15:56]: Ja, es ist es ist dasselbe. Es gibt unfassbar inspirierende Menschen, die sich Feministin nennen. Es gibt öffentliche Personen, bei denen ich mir ein Bekenntnis wünschen würde. Und es gibt Leute, die sich mit dem Label zu schmücken wissen. Auf den 100 Seiten zu Feminismus im Reklam Verlag erzählt Barbara Streidel von feministischer Geschichte, aber auch von der Geschichte der Verneinung des Ich bin zwar keine Feministin, aber so wurde auch Angela Merkel wieder und wieder die Feministin Frage gestellt. Sie verneinte, denn der Gedanke, es habe ich als Kanzlerin etwas genutzt, dass sie eine Frau sei, habe ihr nie gefallen. Parität, also Gleichstellung erscheint ihr logisch. Okay, sie setzte sich aber lieber für Toleranz und Diversity ein. 2017 lud die Feministin wieder Willen zum W20-Frauengipfel nach Berlin ein und es wurde [00:16:58] mal wieder die Feministin Frage gestellt. Eine der Frauen, die sich meldete, war Ivanka Trump, Tochter von Donald, der ihrer Meinung nach nie frauenfeindlich war. Ihre Art von Feminismus beschränkt sich dabei auf den Lean-In-Ansatz. Benannt nach dem Bestseller von Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg meint er diese sehr neoliberale Einstellung von, hey, wenn du dich nur ein bisschen mehr in den Job reinhängst, einfach mal mehr verlangst und keine Ausreden zulässt, dann kann es jeder an die Spitze schaffen. Dass nicht alle Frauen zur weißen Elite gehören und es auch alleinerziehende Mütter gibt, hatte Sandberg übersehen. Das gab sie drei Jahre nach Veröffentlichung ihres Buches zu. Ihr Mann war in der Zwischenzeit gestorben und ihr war aufgegangen, dass sie die Probleme Alleinerziehender schlicht unterschätzt hatte. Auch Barack Obama stellt sich hin und sagt, that's what a feminist looks like. Gibt dann aber auch zu, dass er in seinem Haushalt keine andere Wahl gehabt hätte. Autorin Ronja von Rönnest überhaupt erst auf [00:17:58] meinem Radar erschienen, weil sie in einem viel besprochenen Artikel schrieb, wie sie der Feminismus anekelt. Bei der folgenden Preisverleihung ihres Arbeitgebers lehnte sie dann aber dankend ab und machte klar, dass sie den Text mittlerweile unreflektiert findet. Und Performance-Künstlerin Marina Abramovic verneint die Feministin-Frage, weil sie weder in eine Schublade passe, noch ein Geschlecht habe. Meryl Streep nennt sich lieber Humanistin und ist for a nice easy balance. Demi Moore geht's da ähnlich. Und als Simone de Beauvoir das andere Geschlecht schrieb, hat sie sich auch noch nicht Feministin genannt. In der Debatte über den Feminismus ist genug Tinte geflossen, steht auf der ersten Seite. Man kann Frauen und dem Feminismus unglaubliche Dienste erweisen, ohne sich Feministin zu nennen, schreibt Stokowski. Man kann ihnen auch sehr schaden, man sich so nennt. Es ist kompliziert. Als mir vor anderthalb Jahren eine Freundin vorschlug, [00:19:05] den Podcast doch über Feminismus zu machen, werte ich das sofort ab. Dafür wisse ich nicht genug, wem soll ich da was vom Pferd erzählen, nee, nee, nee, nee. Und überhaupt, ich muss noch ganz viel tun, bevor ich mir sowas trauen kann. Naja, Feminismus. Ich ging nach Hause und merkte, dass sich der Vorschlag nicht so leicht abschütteln ließ wie vorgegeben. Das Thema reizte mich schon und weil ich Mindmaps liebe, habe ich ein großes Blatt Papier genommen und bisherige Berührungen mit Feminismus in die Mitte geschrieben. Und das Datum. Einfach um zu schauen, wie wenig ich wirklich über Feminismus weiß. Was hatte ich bereits konsumiert, ohne es unbedingt als feministisch zu werten? Ich sammelte Musikerinnen, Künstlerinnen, Theaterstücke, Filme, Vorbilder, Orte, Podcasts, Hörbücher, Menschen in meinem Umfeld, Serien, Theorien aus Uni und Schule, geschichtliche und wirtschaftliche Fakten, Blogs, Kanäle auf Social Media, Zeitschriften, Serien und Beispiele aus meinem Leben. Zu jeder Abzweigung der Mindmap fiel mir immerhin eine Sache ein. Immerhin. Und bei so vielen Dingen ging mir da erst auf, dass es mich schon subtil in eine feministische Perspektive [00:20:09] geführt hatte. Da war zum Beispiel das Buch Wüstenblume von Varis Diri, ich muss so 17 gewesen sein, und sie schreibt dort über Female Genital Cutting. Das meint den Vorgang, bei kleinen Mädchen teilweise oder vollständig die äußeren Geschlechtsorgane zu entfernen, darunter ist oft auch die Klitoris. In der 11. Klasse sollten wir dann eine Rede über ein selbstgewähltes Thema halten. Und ich hatte mich für ein flammendes Manifest im Namen der Varis Diri Foundation entschieden. Die Note wird dann schon irgendwie gestimmt haben, aber das, was ich angesprochen hatte, wurde einfach nicht weiter thematisiert. Es gab kein Kommentar. Es ging einfach weiter im Betrieb. Zumindest dachte ich die Jahre danach kaum mehr daran. Der Film Female Pleasure von 2018 geht auch nochmal sehr gut auf das Thema ein. Es ist wirklich ein krasser Film, also schauen die auf jeden Fall an. Ich liebte und liebe die Bilder von Frida Kahlo, dekorierte mein Bücherregal [00:21:15] mit Werken von Simone de Beauvoir, fragte mich manchmal, was Pippi Langstrumpf oder Mulan aus dem gleichnamigen Disney-Film jetzt tun würden, oder fühlte mich stets von starken oder zumindest als solche vermarktete Frauen hingezogen. Patti Smith oder Coco Chanel oder Oprah Winfrey oder J.K. Rowling. Ich hatte mir mal eine Emma-Ausgabe besorgt, sah zumindest die erste Staffel Girls mit Lina Dunham, feierte Persepolis als meinen lebenslangen Lieblingsfilm, hörte zum ersten Mal vom Bechtel-Test und von Leuten, die Bachelor-Arbeiten über feministische Pornos schrieben, hatte Angst vor Slut-Shaming, ärgerte mich über Machismo in Lateinamerika, regte mich mal über den Gender-Pay-Gap oder das Ehegattensplitting auf, hörte im Maxim-Gorki-Theater eine feministische Rede und auf irgendeiner Party Soki. Fand die Female-Future-Force-T-Shirts schon irgendwie cool, bis mir auffiel, dass ich Spruch-T-Shirts noch nie getragen habe, hörte damals noch völlig kritiklos Sheryl Sandbergs Lean-In-Karriere-Bibel, hatte mitbekommen, dass sich Schauspielerin Emma [00:22:18] Watson für Gender Equality einsetzte und fand's irgendwie befremdlich, las mir Postings zum Hashtag Aufschrei und auch mal Margarete Stokowskis Spiegelkolumne durch, aber nicht oft, hörte den Lila-Podcast und bekam zum 27. Geburtstag Leström-Quiz, der Ursprung der Liebe, geschenkt. (.) Popkultur als Einstiegsdroge in den Feminismus? Aus meiner Sicht war Feminismus plötzlich überall. Alles war irgendwie feministisch oder eben gerade nicht. Beyoncé danzte sich vor einem riesigen Feminist-Schriftzug ein ab und da malte ihren Song Flawless mit Chimamanda Ngoza Adiches Essay We Should All Be Feminists und Millionen Menschen bekamen es nochmal und nochmal zu hören. Feminist. The person who believes in the social, political and economic equality of the sexes. Das hätte Beyoncé nicht machen müssen, hat sie aber. Ich sah Emma Watsons Rede für die HeForShe-Kampagne. (35 Sekunden Pause) [00:23:47] Und ich heulte mir ungefähr 10 Mal einen ab, als ich ungefähr 10 Mal Madonnas Rede bei den Billboard Awards 2016 sah. (15 Sekunden Pause) Das stimmte einfach alles. Jedes Wort, jede Geste, jede Träne war perfekt gesetzt. Performerin eben. S15 [00:24:17]: Meine Mama hat mir glaube ich schon mit 12 mal ein T-Shirt mit einem Madonna-Print geschenkt, was ich damals so irgendwie cool und dann aber irgendwie auch nicht so cool fand, weil ich damit nichts anfangen konnte und es dann doch irgendwie als zu popig, trashig und ich mich eher so crunch, rockig zugeordnet hätte und auch oder viel eher ein Nirvana-T-Shirt getragen hätte oder habe als ein Madonna-Shirt, obwohl ich wahrscheinlich (..) Madonna schon immer näher war als Kurt Cobain. Und deren Wandel so mit zu verfolgen und dass das in Ordnung ist, dass sie zum Beispiel Confession on the Dancefloor gemacht hat, dieses Album, wo sie sich so im Body rumregelt und wo ich auch noch weiß, als ich das dann geschenkt bekommen habe von meiner Mom, dass ich mich irgendwie so ein bisschen daran gestört habe, dass sie quasi im hohen Alter jetzt einen auf jugendlich macht, aber tatsächlich nicht aus der Empörung darüber heraus, dass ich dachte, das muss sie doch überhaupt nicht machen, sie ist auch so attraktiv, sondern eher aus so einer sogenannten Stutenbissigkeit, dass ich so dachte, [00:25:19] sie soll mal den Jungen das Feld überlassen. Etwas, was ich heute einfach nie wieder sagen würde, dass es gewisse Kleidung nur für eine gewisse Altersklasse gibt oder man darf ab dem und dem Alter keinen Bikini mehr tragen oder welche Storys oder welche Stimmen ich da von meiner Oma oder sonst noch im Hinterkopf habe, die wohlgemerkt sehr gut in Form ist, aber seit ungefähr 30 Jahren keine kurzärmeligen Shirts mehr trägt, weil sie meint, sie hat Fledermausarme. S03 [00:25:46]: Madonna lenkte während ihrer Karriere immer wieder den Blick auf die unterschiedlichsten weiblichen Identitäten. Nicht nur Hure oder Heilige, sondern eben auch mal Bräutigam, der mit Britney Spears und Christina Aguilera rumknutscht. Während Madonna wegen ihrer Unabhängigkeit, die sie sich in kapitalistischen Abhängigkeitsverhältnissen erarbeitet hatte, zum einen als Role Model für Feministinnen gefeiert wird, erheben sich genauso Stimmen, die an ihr genau das kritisieren, was dem Popfeminismus so gern vorgeworfen wird. So hieß es 2011 in der Emma, aus Feminismus wurde Narzissmus und Konsumismus. Wer sich Madonna zum Vorbild nehme, instrumentalisiere seinen eigenen Körper, schreibt die Autorin Charlotte Raven weiter. Ich persönlich war total überrascht, wie feministisch sich Madonna schon vor Jahrzehnten äußerte. In Interviews beschwert sie sich, dass sie kaum zu ihrer Musik befragt wird, sondern eher ihr Aussehen oder Persönliches im Mittelpunkt steht. Ich machte so einige Wiederentdeckungen von popkulturellen Erzeugnissen, die ich erst im Nachgang als feministisch bewerten würde. [00:26:49] Oder vielleicht auch feministisch überbewertete. Geht nicht nur mir so. S07 [00:26:53]: Also die erste Person, die mir einfällt, die ich da krass bewundert habe, ist Ronja Räubertochter. Die auch einfach viel cooler gewesen ist, als diese ganzen anderen Heldengeschichten, die ich da auch noch so gelesen habe. Weiß ich nicht, so griechisch sagen fand ich ganz spannend. Aber das sind so klassische Männerhelden, die da irgendwie durch ihre Kraft alles schaffen. Und Ronja ist halt, naja, das ist halt einfach eine sehr unter die Haut gehende Geschichte von einer feministischen Heldin halt. S14 [00:27:19]: Tic Tac Toe ist eine ganz tolle Band und alle anderen, die was anderes behaupten, haben nämlich keine Ahnung. Und ich glaube, dass Tic Tac Toe mich schon halt als Grundschülerin zur Feministin gemacht hat, ohne dass ich das wusste. Weil die singen einfach so leckmiche ABCDEFG. (.........) S03 [00:27:42]: Was ich heute als feministisch erkenne, kam mir früher sehr befremdlich vor. Feuchtgebiete von Charlotte Roche, der Aufzug von Lady Bitch Ray und überhaupt der Name und Lady Gagas Wrecking Ball-Geschrei. Dabei ging es nicht darum, sich kühn von kapitalistischer Popkultur oder einer unauthentischen Performance abzugrenzen. Ich hatte einfach nicht verstanden, warum diese Frauen das taten. Der Mainstream schrieb, Provokation, ja! Aber dass hier und da ein politisches Moment dahinter stecken könnte, nee. Meinen die das denn wirklich ernst? Ist Beyoncé jetzt eine Feministin oder nicht? Sind die Spice Girls erstmal keine, weil sie keine Zwölf mehr waren und sich trotzdem Girls nennen ließen, ultraknappe Kleidung trugen und sowieso von Männern zusammengecastet wurden? Oder sind sie feministisch, weil sie letztendlich ihr Management feuerten und ewige Freundinnen schafft besungen? S06 [00:28:32]: Ich glaube, dass es auch im Pop-Business mit Beyoncé und Co plötzlich coole Frauen gab. Also cool im Sinne von, ja komisch eigentlich, dass man die dann irgendwie als cool bezeichnet. Aber das ist so, ja, Frauen, mit denen man sich vielleicht vorher schon wegen irgendwas anderem identifizieren wollte und vielleicht nicht unbedingt konnte, aber wollte. Und die man irgendwie für was bewundert hat oder die man als vorbildhaft empfunden hat. Und die gleichzeitig auch so ein, weiß nicht, so ein gesellschaftliches Ansehen hatten. Also die man nicht so abtun konnte mit, ja, was es so früher für Klischees über Feministinnen gab. Und dass die sich hingestellt haben und irgendwie gesagt haben, so, nee, das ist wirklich was Cooles. Oder nicht nur was Cooles, sondern vielmehr auch was essentiell Wichtiges. Ich glaube, das hat schon auch geholfen, auch wenn es ja zum Teil kritisiert wurde, so dieser Pop-Feminismus. S03 [00:29:30]: Beyoncé gilt laut Julia Korbik als Sauberfrau der Musikbranche. Sie hat alles und lässt sich nicht zu Schulden kommen. Mit Dustinys Child sang sie Always 50-50 in Relationships, im Song Single Ladies, aber dass er eben einen Ring dranstecken müsse, wenn er es noch wolle. Doch umso erfolgreicher sie wurde, desto unbequemer konnte Beyoncé auch sein. Der L. sagte sie in einem Interview, machen wir uns noch nichts vor. Geld verleiht Männern die Macht, einen Wert festzulegen. Sie bestimmen, was sexy ist? Das ist lächerlich. Es ist nicht so einfach, Beyoncés sexy Auftritte und Outfits mit ihrer Kritik am Sexismus zusammenzubringen. Hat denn jetzt Beyoncé selbst bestimmt, was sie sexy findet? Oder wurde es so von ihr verlangt? Können Frauen überhaupt noch wissen, was sie anziehend finden? Denn die Theorie des Male Gaze geht davon aus, dass Menschen eher den männlichen Blick gewohnt sind. Der aus der feministischen Filmtheorie stammende Begriff meint diese männliche Perspektive, die das Publikum oftmals einnimmt, wenn es einen Film schaut oder irgendwas anderes im Fernsehen. [00:30:32] Frauen werden dann sehr oft sexualisiert dargestellt. Und weil auch Frauen so oft in ihrem Leben aus dieser männlichen Perspektive sehen, wissen sie genau, was Männer angeblich sexy finden. Viel Haut, enge Klamotten, Knutschmund, ordentlicher Vorbau, knackiger Hintern, ist klar. Das macht es nicht unbedingt einfach, herauszufinden, was Frauen schön gefunden hätten, hätten sie nicht schon Jahre damit verbracht, sich in Männer hineinzuversetzen. Natürlich gibt es wie bei jeder Theorie Kritik. Da können wir noch mal graben, wenn es speziell um Filme gehen soll. (....) Zum Thema Beyoncé stellt Julia Korbik abschließend fest, letztendlich ist es seltsam, Beyoncé als Künstlerin zu kritisieren und nicht die Beschränkungen und Grenzen, innerhalb derer sie arbeitet. In diesem Fall die Musikindustrie, aber auch die Vorstellung des Publikums davon, wie eine schwarze Künstlerin auszusehen und zu performen hat. Mittlerweile ist sie regelmäßig dabei, diese Grenzen zu sprengen, sei es mit kompromisslosen Werken wie Lemonade oder ihrem legendären Auftritt beim Coachella Festival 2018, [00:31:35] wo sie die Bühne ausnahmslos mit schwarzen Musikerinnen und Tänzerinnen betrat. Apropos Grenzen sprengen. Lady Gaga hat aus sich selbst eine Kunstfigur der Extreme geschaffen. Ihr geht's wohl kaum um das Erfüllen irgendwelcher Schönheitsideale. Und auf die Frage, ob sie denn nicht Sorge hätte, dass alle nur von ihrer Sexiness gebannt werden und dabei die Musik vergessen, sagte sie (15 Sekunden Pause) S12 [00:32:11]: Ich werde mich nicht so fragen. (.) Weil sie sexuelle, starke Frauen lieben, die ihr Geist sprechen. Wenn ich ein Typ wäre und hier mit der Zigarette in meiner Hand sitze, mit meinem Kratzer und darüber reden würde, wie ich Musik mache, weil ich schnelle Autos und verdammte Mädchen liebe, (.) dann würdest du mich einen Rockstar nennen. (.) Aber wenn ich es in meinen Musiken und Videos mache, weil ich eine Frau bin, weil ich Popmusik mache, dann bist du verurteilbar und sagst, dass es verrückend ist. (.) S03 [00:32:44]: Ich bin nur ein Rockstar. Allerdings kommt danach auch... S13 [00:32:47]: Bist du auch eine Feministin? S12 [00:32:49]: Ich bin keine Feministin. Ich heile Männer. Ich liebe Männer. Ich feier amerikanische Männerkultur und Bier und Bars und Muskelfahrzeuge. Aber das ist nicht, was du mich gefragt hast. Du hast mich gefragt, ob meine Musik von meiner Sexualität abgewöhnt wurde. S03 [00:33:07]: Und es ist nicht so. (27 Sekunden Pause) Gezeigt wird also die mädchenhafte Bridget, die doch schon alles darf. Sex mit wem sie will, Alkohol, wann sie will, Zigaretten, Geld, Partys. Da brauchst du nur echt keinen Feminismus mehr. Denn letztendlich, so suggeriert die Geschichte, will Bridget trotz Feminismus immer noch das, was alle Frauen wollen. Sie träumt ununterbrochen von der romantischen Liebe, Mr. Right und Kinder. Ihre größte Angst, das Ende als alte Jungfer. Es ist also nicht bei allen kulturellen Erzeugnissen so krass diskutabel, ob das jetzt feministisch ist oder nicht. [00:34:10] Ich denke, festzuhalten ist erstmal, dass der Einzug von Frauen in die Popkultur durchaus ein fetter Fortschritt ist. Jahrhunderte wurden Frauen als Kulturschaffende ausgegrenzt, marginalisiert und ignoriert. Da ist es schon ziemlich nice, dass die bestverdienste Musikerin eine Frau, nämlich Taylor Swift, ist. Ihre Songs sind zwar ziemlich unpolitisch, aber immerhin rief sie bei den US-amerikanischen Midterm-Wahlen im November 2018 dazu auf, für KandidatInnen zu stimmen, die sich für die Rechte von Frauen, LGBTIQ und für Antirassismus einsetzen. Nicht so passend für den Mainstream wie die Popsternchen waren die Riled Girls. Warte, Riled Grrls. Grrl. (.) Waren die Riled Girls aus den USA der 90er. Die Musikerinnen hatten keinen Bock mehr darauf, dass Punk und Hardcore von Machos geprägt wurden, gründeten ihre eigenen Bands und ließen mich wünschen, früher geboren zu sein. Kathleen Henner war mittendrin. Sie organisierte feministische Veranstaltungen, brachte mit Freundinnen Signs raus, also Magazine im Do-it-yourself-Style, [00:35:13] die sich einem spezifischen Thema widmeten, also zum Beispiel der Diskriminierung von Frauen in der Punk-Szene, war Namensgeberin für den Nirvana-Song Smells Like Teen Spirit und prägte die Riled-Girl-Bewegung mit ihren Bands Bikini, Kill und La Tigre. Der Film The Punk Singer ist auf YouTube zu sehen und beweist mal wieder, dass Feminismus nicht erst seit gestern am Start ist und die unterschiedlichsten Ausprägungen haben kann. (..) S11 [00:35:39]: Wenn ich nicht zu mir selbst gesagt hätte, dass das Sexualabuse-Ding in meinem Leben passiert ist, es nicht nur war, was passiert ist, als ich klein war, und auch wie mein Vater mich behandelt hat und so weiter. Es waren alles verschiedene Dinge. Ich würde nie jemandem die ganze Geschichte erzählen, weil es verrückt klingt. Es klingt wie zu groß für eine Kanne Wurzeln. Wer würde mir das glauben? Und dann dachte ich, andere Frauen würden mir das glauben. (.....) Ich gebe mir keine Scheiße, was die Leute denken. Ich weiß, was echt ist. Ich kenne es, und ich bin mir nicht sicher, ob die Leute nicht denken, dass Feminismus wichtig ist, weil ich weiß, dass es wichtig ist. S03 [00:36:18]: Anne Wietzorek, Initiatorin des Hashtags Aufschrei, schrieb vor einigen Jahren in der Zeit, (17 Sekunden Pause) Wie viele genau, lässt sich natürlich nicht sagen, aber man darf mutmaßen, die Zuhörerzahl war größer als bei der jüngsten Vorlesung der Philosophin Judith Butler. Ist das nun schlimm? Ist das eine dadurch wichtiger als das andere oder gar richtiger? Natürlich nicht. Vielmehr zeigen diese Beispiele sehr schön, dass es verschiedene Herangehensweisen an Feminismus gibt, glücklicherweise. Die spielerische und künstlerische Auseinandersetzung erreicht Menschen, genauso wie die auf akademischer Ebene. Ob Butler oder Beyoncé, beide tragen dazu bei, den Feminismus auf ihre Weise inhaltlich voranzutreiben und Menschen näher zu bringen. [00:37:20] Die eine vorwiegend in Songzeilen auf einer Riesenbühne, die andere in theoretisch anspruchsvollen Vorträgen und akademisch voraussetzungsreichen Büchern. Zitat Ende. (.) Damit kann ich mich erstmal zufrieden geben. Wäre da nicht dieser Kapitalismus? Missy-Magazin-Mitgründerin Sonja Eismann nennt es als eine der größten Herausforderungen der Vereinnahmung durch den Kapitalismus zu widerstehen. Denn der Kapitalismus hat entdeckt, dass man mit feministischem Engagement Geld machen kann. Besonders offensichtlich wird diese Feminisierung der Konsumwelt, wenn billige H&M-T-Shirts; mit Girl-Power oder Feminismus-Aufdruck über die Ladentische gehen. Feminismus wird tragbar, okay, aber hergestellt wurde der Kram ja trotzdem von unterbezahlten Näherinnen des globalen Südens. Das ist sicherlich nicht so feministisch, wie sich das Käuferinnen dieser T-Shirts dachten. (.....) Dieses sogenannte Femretising wird zum einen von dieser komischen Denke [00:38:20] beherrscht, Frauen wären durch Konsum verführbarer als Männer. Anne-Kathrin Kohut hat sich das in ihrem Buch Netzfeminismus näher angeschaut und stellt fest, wenn Konsum und Frau so eng zusammen gedacht werden, übertragen sich die negativen Eigenschaften des Konsumierens auf die Frau. Sie wird dann auch als oberflächlich und geistlos wahrgenommen. Dieses Bild aufrecht zu erhalten, macht für Leute, die wollen, dass sich nichts ändert, ziemlich viel Sinn. Zum anderen basiert Femretising auf der überraschenden Erkenntnis, dass Frauen eine wichtige Zielgruppe sind. Also, dass sie ja irgendwie auch ganz schön viel Geld bringen könnten. Die Entdeckung scheint es in der Geschichte öfter mal zu geben, eine schöne Anekdote dazu gibt es aber aus dem Jahr 1929. Bis dato hatte die American Tobacco Company nämlich erfolglos versucht, das gesellschaftliche Tabu rauchende Frauen abzubauen, um sich einen neuen riesigen Absatzmarkt zu erschließen. Werbeberater Edward Bernays untersuchte den Fall gewissenhaft und plante seinen großen Coup. Er rekrutierte einige junge Frauen und trug ihn auf, [00:39:22] bei der großen Osterparade öffentlichkeitswirksam Fackeln der Freiheit, also Torches of Freedom, zu entzünden. Also Zigaretten. Der Presse verkaufte er das Spektakel als Protestaktion gegen die Unterdrückung der Frau. Und die Bilder gingen um die Welt. Und diese Verknüpfung von Rauchen und Freiheit hält sich ja irgendwie bis heute, oder? Aber so ein Weichspiel-Feminismus wollen wir nicht, sagt Sonja Eismann. Sie möchte nicht, dass es jetzt heißt, wir haben alles erreicht, jetzt müssen wir nur noch sexy werden. Denn solange die neuen Rollenbilder des Pop-Feminismus nicht in den Alltag übertragen werden können und das Ziel immer noch Ausbeutung ist, muss eine feministische Kritik immer auch mit einer Kritik am Kapitalismus einhergehen. Und da schließt sich irgendwo der Kreis. Wo Feminismus als ein kleiner Kampf von vielen abgetan wird, ist nicht klar geworden, dass Feminismus ein Teil des großen Ganzen ist und mit allem zusammenhängt. S06 [00:40:17]: Ich finde, das ist genau der Punkt, dass es bei Feminismus ja um mehr Freiheit geht und auch mehr Wahlfreiheit nach meinem Verständnis. Und das heißt, wenn Frauen sowieso gesellschaftlich irgendwie viel öfter für irgendwelche Sachen kritisiert werden und sowieso viel öfter auf Äußerlichkeiten hin beurteilt werden, dann finde ich es gerade wichtig, dass man sich da solidarisch zeigt und dass man diese Freiheit feiert und eben nicht urteilt die ganze Zeit über andere Frauen, wie sie aussehen, was sie sagen genau, was sie machen. Wer feministisch argumentiert und wer eintritt für Gleichberechtigung, das können alle sein, egal ob mit Nagellack oder ohne. S03 [00:40:59]: Ob nun Kommerz oder nicht, was ich aus den Songs der Popsternchen oder Punkgirls ziehen kann, ist Kraft, Empowerment, wie man so schön sagt. Schlechte Laune, die Spice Girls werden es richten. Bei mir geht es mittlerweile so weit, dass ich mich einem Chor angestoßen habe, der sich solchen Guilty Pleasures aus den 80ern und 90ern verschrieben hat. Wir heißen übrigens Projekt Kids Chor und sind für Auftrittsvorschläge an booking.projektkidschor.de offen. Und wo wir schon mal bei solchen kapitalistischen Machenschaften sind, möchte ich mich natürlich wie immer bei meinen neuen UnterstützerInnen bei Steddy und Paypal bedanken. Tausend Dank also an Jenny, Andreas, Judith und Bene. Und damit verbunden ist auch nochmal der Aufruf, wenn dann weiß Steddy jährliche Mitgliedschaften abzuschließen, weil sonst super viel Geld für Transaktionskosten drauf geht. Und wenn du jährlich blöd findest, gibt's ja noch den Paypal-Link in den Shownotes. So, ich sende feministisch vorsätzliche Grüße. Bis zum nächsten Mal. Tschüss.