Folge 9: Bad feminists - nicht emanzipiert genug
Mit dem Mut, mich Feministin zu nennen, entstand nochmal eine ganz neue Motivation, Inhalte aufzusaugen. Je mehr ich in mich rein schaufelte, desto sensibler wurde ich für Ungerechtigkeiten. Denn sie waren überall! Das machte dann relativ schnell nicht mehr so viel Spaß. Doch statt die Killjoy-Phase langsam auslaufen zu lassen, steigerte ich mich immer weiter rein: Nicht nur um mich war alles problematisch, auch ich passte einfach nicht in die Schublade, auf die ich das Feminismus-Schildchen geklebt hatte. Handelte ich schon feministisch genug? Was ist unfeministisch? Und darf ich jetzt nur noch Glitzernagellack tragen, wenn ich es als mädchenhaftes guilty pleasure einordne? Ich hab meine und andere Gedanken mal in 42 Minuten gegossen.
Shownotes zur Podcastfolge:
Medienbib: https://www.feminismusmitvorsatz.de/medienbib-buecher-podcasts-filme
Margarete Stokowski: Untenrum frei (Vorwort)
E. Favilli & F. Cavallo: Good Night Stories for Rebel Girls
S. Kranz: 100 Frauen und 100 Jahre Frauenwahlrecht
Julia Korbik: Stand up! (S. 407-413)
Reni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche (S.172f.)
Feuer & Brot #30 „In sechs Phasen zum Feminismus - Equality für Einsteiger*innen"
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Serientipps: „Girls“ (Sky Ticket) und „Fleabag“ (Amazon Prime)
Roxane Gay: Confessions of a bad feminist TED Talk
Paardiologie Podcast auf Spotify
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Audre Lorde: The Transformation of Silence into Language and Action
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Realitäter*innen Podcast der hoe__mies
Spotify-Playlist der hoe__mies
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Salwa Houmsi bei „Einigkeit & Rap & Freiheit“ auf Youtube
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Andrea Dworkin: Rechter und linker Frauenhass
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Madonna Woman of The Year Full Speech | Billboard Women in Music 2016 auf Youtube
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taz-Podcast Passierte Tomaten mit Sokee und Kübra GümüÅŸay
12 fabelhafte feministische Ideen
ursprünglich formuliert von Julia Korbik in „Stand Up! Feminismus für alle“
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Sprich feministische Themen an
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Hinterfrage dein eigenes Verhalten und deine Privilegien
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Misch dich ein, wenn sich andere sexistisch verhalten
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Such dir Vorbilder, die dich inspirieren
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Sei selbst ein Vorbild (dafür musst du nicht perfekt sein)
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Bleibe über feministische Themen informiert
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Motiviere dich, z.B. mit mutmachenden Zitaten oder Bildern von Feminist*innen
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Verhilf Frauen und Minderheiten teilzuhaben - auf Literaturlisten, Bühnen, im Kollegium...
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Kommentiere feministische Artikel positiv
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Teile interessante Artikel auf Social Media
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Bilde Banden
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Geh Wählen

Das sind die Frauen an meiner Pinnwand, von denen ich in der Podcastfolge erzähle
Weiterführendes:
Instagram-Video von Softie: Ich bin feministisch, aber...
Biografien über Frauen: Fembio.org
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Kopftuch und Feminismus - Ist das ein Widerspruch | DISKUTHEK auf Youtube
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Credits:
1000Dank an alle Sprachnachrichtler*innen!
Coverdesign: Svenja Limke
Titelmusik: Louis Schwadron
Transkript
Die Folge als Text!
Bitte beachte: Das Transkript wurde automatisch mit noScribe Vers. 0.5 erstellt und ist nicht perfekt.
S04 [00:00:21]: Das ist Feminismus mit Vorsatz, der Podcast rund ums F-Wort. Mit mir, Laura. (.) Mit dem Mut, mich Feministin zu nennen, entstand nochmal eine ganz neue Motivation, (.) Inhalte aufzusaugen und mich aufmerksam umzuhören. Erst wie im Rausch, hier das Buch, der Film, die Podcast-Folge und nochmal fünf Bücher. Übrigens, falls du da Empfehlungen suchst, auf meiner Webseite gibt's jetzt den Reiter Medienbib. Da gibt's zwar nichts auszuleihen, aber du findest Kritiken zu Büchern, Filmen und Podcasts, die ich fortlaufend weiterschreibe. Ja, je mehr ich mir aber so reinschaufle, umso klarer wurde auch das Bild, an wie viel Scheiß wir uns, um mal wieder Stokowski zu zitieren, gewöhnt haben. Das machte dann relativ schnell irgendwie nicht mehr so viel Spaß, weil überall fiel's mir auf, so diese ganzen Ungerechtigkeiten einfach. Ich konnte es halt echt nicht fassen, dass ich das einfach nicht mitbekommen hatte und dass es jetzt irgendwie auch kein Zurück mehr gab. So. Ich durchlebte das, was Maxi und Alice [00:01:25] im Podcast Feuer und Brot als Killjoy-Phase bezeichnen. Spätestens dann wurde klar, dass das Tragen eines Feminist-T-Shirts nicht ausreicht. Mit diesen ganzen neuen Infos bildete sich eine Sensibilität heraus, mit der ich frei nach dem Motto, once you saw it, you can't unsee it, eben nicht mehr wegschauen konnte, wenn sich Ungerechtigkeiten aufzeigten. Sei es im Alltag, in dem mir auffiel, wie oft ich eigentlich für Typen Platz mache, in der Bahn oder auf dem Gehweg, oder das Lieblingskunstbuch, in dem ausschließlich männliche Künstler vorgestellt werden. Das war mir vorher aber nie aufgefallen. Oder der eher problematische Sprachgebrauch in meinem Bekanntenkreis. Mein Sprachgebrauch natürlich inklusive. Alles irgendwie nicht so geil. Von dem Kram, den ich seit meiner frühsten Kindheit konsumiert hatte, ganz zu schweigen. Disney, Teenie-Filme, Casting-Shows, alles Killjoy. Das bedeutete für mich erst mal, alles was Spaß macht, darf jetzt nicht mehr sein. (......) S02 [00:02:30]: Es geht mir ein bisschen mit Friends. Das habe ich früher mega gefeiert. Gerade die Geschlechterrollen in der Serie, aber auch Rassismus-Themen. Ich glaube, es kommt nicht eine Person mit dunkler Hautfarbe in der ganzen Serie vor. Und Sexismus ist da sowieso auch ganz, S19 [00:02:45]: ganz oben. Es fällt mir jetzt besonders auf, weil ich als Kind sehr, sehr gerne Heimatfilme geguckt habe. Speziell aus den 50er Jahren. Und dass ich auch jetzt, also diese Filme auch jetzt manchmal noch gerne schaue. Nur seit Feminismus eine größere Rolle in meinem Alltag spielt, oder überhaupt in meinem Leben, fällt mir erst mal auf, wie rückständig dieses Frauenbild dort ist, was da nach außen getragen wird und was so eine pseudo-heile Welt suggerieren soll. Also ich kann das, diese Filme dann auch nur noch gucken, indem ich wirklich aktiv versuche, eine gewisse Seite auszuschalten, was irgendwie wiederum ganz witzig ist. Was ich lange sehr gefeiert habe, S05 [00:03:29]: ist Sex and the City. War für mich so die Serie, die mich, also wenn ich wollte, dass es mir gut geht, dann habe ich mich ins Bett gelegt und Sex and the City geguckt und habe es sogar was für (..) vermeintlich emanzipatorisches gehalten. Einfach, weil Frauen die Hauptrollen waren, was mit Sicherheit auch zum Teil irgendwie immer noch so gelten kann. Aber wo ich jetzt, ach schon bei ganz vielen Zitaten und mir einfach schwer tue, also ich glaube, ich habe da jetzt bestimmt seit anderthalb Jahren keine Folge mehr geguckt, weil mir dann doch andere Serien mittlerweile besser gefallen, die mich mehr erden und mir irgendwie ein gleichsam besseres Gefühl mitgeben. So zum Beispiel Girls oder Fleeback, was ich jetzt auch sehr abgefeiert habe. Ja, die Serie Girls zeigt ja S04 [00:04:12]: recht gut, dass das Leben von 20-jährigen Frauen genauso viel Stoff für Geschichten hergibt, wie die Leben männlicher Vertreter aller möglichen anderen Altersgruppen. Aufgrund mangelnder Diversität unter den DarstellerInnen wurde zwar auch viel Kritik laut, letztendlich war es aber für viele Frauen Anfang ihrer 20er wohlig zu sehen, dass die eigenen Unsicherheiten in diesem Lebensabschnitt auch bei anderen keine Randerscheinungen sind. Natürlich lege ich dir auch noch mal die Serie Fleeback ans Herz. Unperfektes feministisch sein, gehüllt in Ironie und schönen Bildern. (15 Sekunden Pause) Fleeback und ihre Schwester reißen ihre Hände hoch, als einzige. Raunen und Fleebacks Feststellung. (..) Weitere Empfehlungen gibt es wie gesagt auf meiner Webseite, den Link dazu findest du wie immer in den Shownotes. Statt die Killjoy-Phase langsam auslaufen zu lassen, steigerte ich mich immer weiter rein. Nicht nur um mich war alles problematisch, auch ich passte einfach nicht in die Schublade, auf die ich das Feminismus-Schildchen geklebt hatte. [00:05:26] Dafür war ich schließlich zu ungebildet, zu schüchtern, zu privilegiert. Ja, schade, dass mit dem Bekenntnis zu feministischen Werten noch nicht allzu viel getan ist. Die Arbeit geht jetzt erst so richtig los. Und es bleibt hier und da die Sorge, S05 [00:05:40]: den Ansprüchen nicht zu genügen, dass ich dann doch zu heteronormativ lebe, zu angepasst in dem patriarchalischen Gesellschaftssystem, zu weiblich, was auch immer das bedeuten mag. Aber ich meine so in dem Sinne von, ich schminke nicht, ich trage Nagellack, ich kaufe Unterwäsche mit Spitze, die vielleicht nicht nur vordergründig mir gefällt und dass das dann Angriffspunkte sind. Und ich glaube, ich schäme mich da mehr vor anderen Frauen als vor Männern, weil deren Kritik dann irgendwie oberflächlicher ist, während ich bei Frauen denke, ich bin nicht tief genug drin und es genügt nicht und ich bin nicht universal genug aufgestellt. S13 [00:06:17]: Ich habe gemerkt, dass ich ganz, ganz lange darüber nachgedacht habe, was ich dir dann hier erzählen könnte, weil ich gemerkt habe, dass das schon wieder total schambehaftet ist, irgendwie, wenn man sich so outet, dass man da den Feminismus oder den Punkt der Emanzipation vielleicht nicht ganz verstanden hat oder sich für den noch irgendwie deuten muss. Ich merke, dass ich manchmal mich frage, wenn ich meine Beine rasiere, ob ich das denn jetzt überhaupt noch darf und ob das denn feministisch ist, wenn ich irgendwie versuche, meinen Körper zu perfektionieren. S04 [00:06:49]: Auch bei mir hatte sich so ein kleines Teufelchen namens Emanzipation auf der Schulter eingenistet und ich wischte gerade den Boden, kochte für alle oder liebeäugelte mit pinkem Glitzernagellack, säuselte mir ins Ohr, naja, du, also so feministisch ist das jetzt aber gerade nicht. Um mich nicht so schämen zu müssen, musste ich jetzt also immer super emanzipiert sein und reagierte dementsprechend gereizt auf so ziemlich alles. Gleichzeitig wusste ich ja, dass es richtig dumm ist, sich jetzt deswegen so einen Stress zu machen. Ich meine, so viel müssen kann nicht gut sein und Scham gehört nicht gerade zu den Antreibern der nächsten Revolution. (.) Aber so war es und so ist es manchmal auch immer noch. Auf die Bewertung folgte die Bewertung und dann die Bewertung. Ich hatte 1A Prinzipien, aber irgendwie kein Leben, das so recht dazu passen wollte. S11 [00:07:39]: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen, die eher ein klassisches Rollenbild leben und Hausfrau und Mutter sind, sich manchmal schwer tun, damit als Feministin zu bezeichnen, auch wenn sie für Geschlechtergleichheit sind, weil sie vielleicht das Gefühl haben, dass ihr Lebensentwurf die Frauen nicht weiterbringt. Und das finde ich eigentlich Schwachsinn, weil auch wenn ich als Hausfrau und Mutter lebe, kann ich trotzdem mich im Feminismus wiederfinden und mich für den Feminismus einsetzen. Und es geht ja nicht darum, dass alle Frauen Karriere machen und in Führungspositionen kommen, sondern dass jede Frau die Wahl hat, was sie machen möchte und diese Entscheidung frei treffen kann. S04 [00:08:16]: Klar, aber mit dieser Freiheit muss man auch erstmal klarkommen. Wenn du dir zum Beispiel nicht mehr sagen lässt, was schön ist, naja, dann sagt dir auch niemand mehr, was schön ist. Du musst es für dich selbst rausfinden und das bedeutet ja auch wieder Arbeit. Und selbst wenn du dir schon ganz genau ausgemalt hast, wie du mit bestimmten Situationen umgehen möchtest, braucht es Übung. Eine Freundin von mir erinnert sich da gern nochmal für uns zurück. S08 [00:08:40]: Als ich letztens einen Artikel gelesen habe, wo es ums Blurten ging und da hat der Autor dann auch nochmal reingeschoben, naja, für Frauen ist es ja manchmal schwierig und für manche hilft tatsächlich nur der Trick, so einen Ring um den Finger zu haben und zu sagen, ich bin schon vergeben. Weil sonst Typen nicht aufhören nachzufragen, einfach nur Nein zu sagen reicht nicht und deswegen müssen sie behaupten, sie seien schon vergeben, um ihre Ruhe zu haben. Und da habe ich auch so für mich gedacht, boah, ja, nee, also diesen simplen Trick, den wende ich nicht mehr an, das habe ich früher mal gemacht, aber mittlerweile diskutiere ich das natürlich aus. Also, naja, ich habe diesen Artikel gelesen und war dann in einer Bar verabredet, netter Abend und so und gehe dann zur Bar und will Bier holen und dann spricht mich so ein Typ von der Seite an, ohne Einleitung, nix, einfach nur, zack, bist du Single. Und mein Bar, mein Reflex war direkt zu sagen, nein, bin ich Single. Und ich habe sofort, ich habe sofort genau das gemacht, was in diesem Artikel drin stand und hatte das Bild von mir, dass ich mit diesem Typen dann irgendeine Diskussion anfangen würde und ihm irgendwie vorhalten würde, was glaubst du denn, dass du mich hier einfach so anmachen kannst. [00:09:45] Aber tatsächlich war ich in dem Moment so überrumpelt, dass, ja, dass mir auch nichts Besseres eingefallen ist, als einfach sofort diese Notlüge, sofort darauf einzugehen und zu sagen, nee, nee, ich bin mit meinem Freund hier. Und also, Lesson learned war einfach so ein bisschen, das ist völlig legitim, kann man voll machen so. Und man muss einfach bei sich selber gucken, ob man gerade die Kraft hat oder Bock hat, diese Sachen auszudiskutieren. S04 [00:10:07]: Ich liebe diese Geschichte. Sie lässt ja auch schon anklingen, wohin die Reise heute hingehen soll. Weg von der Stränge, dem Dogmatismus, den Regeln, zur Freiheit, zum individualisierten Feminismus. Auf dem Weg zwischen diesen Extremen warten auf jede und jeden unterschiedliche Herausforderung. Ich komme zum Beispiel gar nicht so gut damit klar, wenn mir niemand Vorgaben macht, was anfangen, wenn alles möglich scheint und ich aber trotzdem krass von diesem System eingerahmt bin. Ich habe mich also nach Vorbildern umgeschaut. Gedacht, dass die es doch irgendwie wissen müssen und mir vielleicht einfach sagen können. Mittlerweile gibt es ja unzählige Bücher, die sogenannte starke Frauen porträtieren. Zum Beispiel Good Night Stories for Rebel Girls für Kinder, 100 Frauen und 100 Jahre Frauenwahlrecht für Erwachsene. Vorgestellt werden zum Beispiel Wissenschaftlerinnen und auffallend viele Schauspielerinnen. Die Biografien sind sehr kurz, aber was ich immer erfahre ist, wo die Frau geboren wurde, ob und wen die Frau geheiratet hat und für was sie sich einsetzte. [00:11:13] Das Buch hat jetzt nicht den Anspruch, Feministinnen zu porträtieren. Es sind einfach Frauen, die Wichtiges für die Frauenbewegung geleistet haben. Trotzdem ist mir diese Sicht auf deren Leben zu einseitig und zu unnahbar. Ich kann weder den zeitlichen Kontext nachvollziehen, noch habe ich die Berühmtheit einer Schauspielerin, um solchen Einfluss auszuüben. Ich möchte mehr über echte, lebendige, komplexe Frauen erfahren. Dann erinnere ich mich an eine Übung, die ich mal gemacht habe. Ich habe ja schon mal erzählt, dass ich viel so in Richtung Persönlichkeitsentwicklung gemacht habe und eine Aufgabe damals war, mir eine gedankliche Jury zusammenzustellen, die ich bei schwierigen Entscheidungen zurate ziehen kann. Ich drückte also ein paar kleine Porträts von Menschen aus und pinte die Gesichter auf ein gemaltes Bild Geschworener. Die Idee war dann, sich in die jeweilige Person hineinzuversetzen und herauszufinden, was sie mir raten würde. Darf ich also vorstellen. J.K. Rowling, Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Audrey Tautou als fabelhafte Welt-Amelie, Mulan aus dem gleichnamigen Disney-Film, die Malerin Frida Kahlo, Comic-Zeichnerin Marjan Satrapi, Oprah Winfrey, Pauline Wiesel, die ich in einem Seminar zu Frauenfreundschaft kennengelernt hatte und Luna Lovegood aus den Harry Potter-Filmen. Nur Frauen. [00:12:34] Ich pinte dann noch das schwarz-weiße Passfoto von meinem Papa etwas näher. Immerhin. Die Feministinnen, die ich zuallererst für diesen Podcast interviewt hatte, wandten sich damals eher ums Name-Dropping, als ich sie nach Vorbildern fragte. So sagte Jasmin Mittag. S18 [00:12:50]: Es gibt auf jeden Fall viele Frauen in meinem Umfeld, die ich für Dinge bewundere und die mich inspirieren und die ich so als Vorbilder nehme. Ich habe jetzt keine klassischen Vorbilder im Sinne von jetzt die und die Schauspielerin oder so. S04 [00:13:06]: Und Katharina Zybulka? S16 [00:13:07]: Ja, das mache ich eigentlich immer recht ungern, weil dann wird man immer gleich so kategorisiert. Aber ich werde nämlich öfters gefragt auf diese künstlerischen Vorbilder und das mache ich dann eigentlich nie, weil ich mir immer denke, na, für mich geht es einfach nie um diese Einzelpersonen, sondern schon um dieses gemeinschaftliche Bewegen. S04 [00:13:27]: Ich habe meine Jury aus Frauenportraits übrigens nie ernsthaft nach Art gefragt, aber die Gesichter der Frauen grinsen mich bis heute von meiner Pinnwand aus an. Bei manchen ist es mir mittlerweile unangenehm geworden. (....) Ich meine, alles was ich über Simone de Beauvoir gelesen habe, ist Sekundärliteratur. Darf ich sie überhaupt als Vorbild haben? Und Hannah Arendt, weiß ich überhaupt, wofür sie steht? Und heißt es nicht, dass der kleine Drache bei Mulan mehr Sprechanteil im Film hatte als sie, obwohl Mulan die Hauptrolle spielt? Ich hatte doch schon rausgefunden, dass Disney patriarchale Scheiße ist. Und Oprah, ist die nicht auch voll in diesem ganzen neoliberalen amerikanischen System verstrickt? Kurz, sind die überhaupt alle perfekt genug, um Vorbilder sein zu können? Ich ertappe mich dabei, dass meine Vorbilder keine Komplexität vertragen. Es soll nichts Kritisches an ihnen geben. Gleichzeitig suche ich wie verrückt nach Fehlern, um sie nahbarer zu machen, damit ich wenigstens eine Chance bekomme, ein ganz kleines bisschen so zu sein wie sie. Autorin Roxane Gay sagte in ihrem TED-Talk dazu, (31 Sekunden Pause) S15 [00:15:05]: dass sie sich für die Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus- (.......) Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-Feminismus-F S04 [00:15:48]: Das auch berühmte Menschen komplexe Wesen sind. Sicherlich, mit dem Thron beginnt schon das Unheil. Jemanden so hoch leben zu lassen, muss ja irgendwie begründet werden und funktioniert am besten, indem ich die Person idealisiere. Es macht die Sache auch so schön einfach. Das machen, was Beyoncé sagt, wird schon stimmen. Da ist ein Ich-stimme-nicht-mit-all-Ihren-Ansichten-überein schon ein grober Verstoß im kritiklosen Happyland. Dabei sollte das doch der Normalfall sein. Niemand kann mit all meinen Positionen übereinstimmen, denn dann gäbe es mich doppelt. Und das ist leider noch nicht möglich. Was kann ich also von meinen Vorbildern erwarten? Am besten nicht viel mehr, als du realistischerweise von dir selbst erwarten kannst. S05 [00:16:33]: Ich würde sagen, dass Charlotte Roche für mich im Moment die präsenteste Feministin, mit der ich mich am meisten beschäftige und auch identifizieren kann, eben auch wegen ihrer (.) vermeintlichen Widersprüchlichkeit, weil sie ja dann doch auch nicht so vordergründig und ganz korrekt in erster Front mitspielt, sondern ich finde gerade auch im Podcast kriegt man mit, dass sie doch auch viele weibliche Zuschreibungen so bedient, die ich von mir selber auch kenne, wo ich jetzt aber gesagt hätte, ich schäme mich da irgendwie für, wenn ich jetzt sagen würde, ich bin echt eine astreine Feministin. Dann kann ich nicht wollen, dass ich einen Partner habe, der mich beschützt, zum Beispiel. Und da bin ich voll froh, dass es Charlotte Roche gibt, die das anders lebt und zu der ich trotzdem sagen würde, krasse Feministin und schon so früh und jetzt habe ich endlich einen Begriff dafür. S04 [00:17:23]: Mit dem Podcast ist übrigens Pardiologie gemeint. Ich mag den auch und ja, ich hatte schon großen Spaß dabei, Charlotte Roche als Role Model abzufeiern. Aber dieser Bewunderung kann ja irgendwie niemand standhalten. Ein kritischer Blick scheint da besser als Nachsicht. (.....) Das durfte ich neulich auch wieder lernen. So schrieb mir eine Hörerin, dass sie es schwierig findet, dass ich zu Beginn der siebten Folge zum Thema Bildet Banden Hannah Arendt zitiere, ohne sie einzuordnen. Da hat die Hörerin recht. Zum einen gilt Hannah Arendt zwar als emanzipiert. Feminismus war in ihrer Arbeit aber kein vollgründiges Thema. Zum anderen hat sie sich rassistisch geäußert. Muss ich Hannah Arendt deswegen von meiner Pinnwand abnehmen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Was ich muss, ist sie für mich oder eben im Podcast einzuordnen. Zwar verwundern ihre rassistischen Äußerungen für die damalige Zeit, also Mitte des letzten Jahrhunderts, nicht allzu sehr. Denn genauso wie heute gehörte Rassismus auch damals zur Grundlage für Fortschritt und Reichtum. [00:18:26] Aber das legitimiert ihre Einstellung ja nicht. Es bleibt also an mir, mich von diesen Teilen ihrer Aussagen und Texte zu distanzieren, ohne gleich all ihre anderen Gedanken zu entwerten. Nichtsdestotrotz hätte ich auch jemanden zitieren können, der oder die sich bewusst für Feminismus eingesetzt hat und dazu Banden bildete. Die Hörerin schlägt Audrey Lorde vor. Schwarz, lesbisch, Mutter, Kämpferin, Dichterin. So beschrieb sie sich selbst. In ihrem Essay The Transformation of Silence into Language and Action schreibt sie darüber, wie die Diagnose Brustkrebs sie innerhalb von drei Wochen zum Umdenken brachte. Denn was sie jetzt, dem Tode näher denn je, am meisten bereute, war ihr Schweigen. Zu schweigen sollte sie eigentlich schützen, doch jetzt wurde ihr klar, dass sie so oder so sterben musste. (......) Audrey Lorde lebte 14 Jahre mit der Krankheit, bis sie daran verstarb. Doch sie nutzte ihre Zeit, sie verbündete sich mit anderen Frauen, nutzte ihre Worte, um Unterschiede zu überbrücken. [00:19:29] Denn sie war der Ansicht, dass es nicht die Unterschiede sind, die uns auseinander treiben, sondern das Schweigen. (...) S11 [00:19:39]: Ich finde es eher schwierig zu sagen, ab wann ist man Feministin. Also reicht es zu sagen, ja, ich bin dafür, dass alle Geschlechter gleich behandelt werden und die gleichen Rechte und Chancen in der Welt haben. Reicht es, um zu sagen, ich bin Feministin? Oder gehört dazu auch, dass ich handele, dass ich versuche, das irgendwie in meine Taten mit einzubauen und andere Leute versuche, darauf hinzuweisen, wenn Ungerechtigkeiten passieren, geht erst da der Feminismus los. Das finde ich manchmal ein bisschen schwer abzugrenzen. S04 [00:20:12]: Die eigene Stimme zu erheben, ist ein Weg, auf feministische Themen aufmerksam zu machen. Aber was kann feministisches Handeln und Tun noch sein? Diskutieren, okay, vielleicht mal eine Demo. Im von mir viel zitierten Stand-Up-Buch von Julia Korbick zählt sie zwölf fabelhafte feministische Ideen auf. Sich auszutauschen und feministische Themen anzusprechen, ziert auch hier Platz Nummer eins. (.) Weiter geht's mit dem Hinterfragen des eigenen Verhaltens und der eigenen Privilegien. Danach gilt es, auch andere in die Pflicht zu nehmen. Du hörst, wie irgendjemand unverhohlen den Körper einer anderen Frau kommentiert? Misch dich ein. Julia Korbick rät weiterhin übrigens auch dazu, sich Vorbilder zu suchen. Nicht um zu 100% so sein zu wollen wie die Person, sondern um sich inspirieren zu lassen. Auch selbst Vorbild zu sein gehört dazu. Und da ist es ja dann umso wichtiger, sich klar zu machen, dass vorbildlich sein nicht perfekt sein bedeutet. Denn Julia Korbick ist sich sicher, ob du willst oder nicht, andere nehmen dich wahr. [00:21:13] Also lass uns versuchen, unser Bestes zu geben, selbstbewusst und ohne Scham. Das ist schon mal die Hälfte ihrer Ideen. Sich weiterhin zu informieren, mutmachende Zitate für schwere Zeiten zu sammeln, im Netz feministische Artikel positiv zu kommentieren und am besten noch über Social Media zu teilen, führt die Liste fort. Mit Bring the woman in schlägt Julia Korbick vor, den eigenen Wirkungskreis zu nutzen, um Frauen eine Plattform zu geben. Sei es die Literaturliste in der Schule oder an der Uni oder sonst wo, das nächste Nachbarschaftsfest oder wenn du eh schon Boss bist und bestimmst, wer an deiner Seite den Laden schmeißt. Verhelfe Frauen und Minderheiten zu mehr Präsenz, wenn du es kannst. (.) Zuletzt geht es um Spandenbilden, diesem Vorhaben habe ich eine ganze Podcast-Folge gewidmet. Und es geht darum, dein Recht wählen zu gehen zu nutzen. Du merkst, es gibt viele Möglichkeiten, feministisch zu handeln. Nimm dir nicht alles auf einmal vor, das sind Ideen, also Inspirationen, die ich auch nochmal auf meiner Webseite aufzählen werde. [00:22:15] Alles Step by Step. Für mich nimmt es alleine schon so viel Platz ein, mich und meine Privilegien zu hinterfragen. Ich habe viele Normvorstellungen davon, wie ich sein sollte und das clasht regelmäßig mit dem, wie ich bin. Da stellt sich die Frage, was ich ändern muss. Meine Vorstellungen vom perfekten Ich oder dann lieber einfach mich selbst. (.........) Tröstlich ist, dass es vielen so geht. Die feministische Punkrock-Sängerin Kathleen Hannah kennst du ja von der letzten Folge. Sie hatte zum Beispiel das Problem, dass sie nicht kontrollieren konnte, ob sie sich als Feministin in den Beastie Boy Frontman verliebt oder nicht. (.....) S00 [00:23:06]: Ich hatte in den 80ern jemanden, der geschrieben hat, dass Mädchen meine Laundry machen. (.) Ich fragte mich, was das bedeutet, dass ich ein feministischer Künstler bin und ich diese Person verliebe. (..) Ich habe dann gemerkt, dass man nicht legislieren kann, mit wem man verliebt ist. Ich war total verliebt mit ihm und ich würde ihn nicht verlieben. S04 [00:23:27]: Feministinnen, die sich in einigermaßen unreflektierte Dudes verlieben, sind das eine. Männerdominierte Hobbys, deren Communities sogar eher frauenfeindlich eingestellt sind, eine der anderen Baustellen. Gaming, Motorradfahren? Als Frau eh schon ungewöhnlich und als Feministin... S21 [00:23:45]: Ich war schon immer eher in Männerdominierten Szenen, so was wie am Gaming, so in Konsolen oder am PC. Und dann später halt auch im Motorradfahren. Nachdem ich dann vor zwei Jahren den Führerschein gemacht habe, bin ich auf Facebook Motorradgruppen beigetreten, um Veranstaltungen in der Region im Blick zu haben oder dass man sich über die gemeinsame Motorradmarke austauschen kann. Da ist mir sehr schnell aufgefallen, dass überall Sexismus und sexistische Witze gemacht werden. Die Frau wird entweder als Spielverderber dargestellt, der dem Mann das Moped verbieten will, sie ist so die Uncoole dann, oder sie ist halt so das Pin-up und wird so halbnackt auf den Maschinen immer dargestellt. Was natürlich irgendwie gar keinen Sinn ergibt, weil damit wird man sich direkt den Unterschenkel wegbrennen am heißen Motor, aber egal. Und viele Frauen in diesen Gruppen positionieren sich als Cool-Girl und teilen dann auch selbst solche Witze und finden das dann auch richtig witzig und kommentieren auch das darunter und liken das. Und einmal war es mir dann endgültig genug und normalerweise versuche ich mich im Online-Bereich sehr zurückzuhalten, [00:24:51] weil ich einfach keine Lust auf diesen ganzen Stress habe. Und dann habe ich aber darunter kommentiert, ey das ist doch sexistisch und hier sind noch viele weibliche Fahrer. Wir wollen das doch gar nicht sehen, das ist doch nicht normal witzig. Und dann haben andere Frauen mich direkt angefeindet, dass ich doch bitte den Stock aus dem Allerwertesten nehmen sollte, weil sie seien ja auch Frauen und die finden das witzig. Und viele Frauen in der Szene machen halt wirklich auf diesen Cool-Girls, das ist so eine internalisierte Misogynie und sie versuchen sich über die Erniedrigung von anderen Frauen bei den Männern anzubiedern, weil das kommt natürlich super an, wenn so eine biertrinkende, motorradfahrende Frau dann auch frauenfeindliche Witze macht. Und das macht mich in dem Moment dann einfach so unglaublich wütend und mir fehlen dann auch die Argumente vor lauter Wut und ich würde am liebsten einfach das Notebook aus dem Fenster schmeißen und dann auch im Sinne von Pick Your Battle, weil ich wollte es da nicht stehen lassen, ich wollte aber auch jetzt nicht diskutieren. Also habe ich ganz ehrlich, ich habe es dem Admin gepetzt, habe gesagt, dass ich das sexistisch finde und dass ich das unangemessen finde, dass sowas in solchen Gruppen geteilt wird, wo man sich über Motorräder austauschen sollte und nicht, wo Frauen erniedrigt werden sollten. [00:25:54] Und dann wurde das dann auch gelöscht. Also ja, kann man drüber denken, was man will, aber manchmal fehlt einem selbst auch einfach die Energie, sich in so einen Online-Krieg zu bewegen. S04 [00:26:06]: Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Nachdem ich auf die antifeministischen Kommentare unter den Podcast-Folgen auf YouTube immer nur hätte schreiben können, ja, das sage ich in der Folge, hörst die halt einfach an, habe ich die Kommentarfunktion nun ausgeschaltet. Denn im Sinne von Pick Your Battles, wie die Sprachnachrichtlerin eben ansprach, sehe ich es eben nicht als meine Aufgabe an, AntifeministInnen zu missionieren. Ich wende mich an Menschen, die eh schon feministisch interessiert sind und einfach nach einer Einführung ins Thema suchen. Wer das Ganze dann immer noch haten möchte, kann das ja per Mail tun. Aber zurück zum Thema. Verliebt Motorradfahren und dazu vielleicht ein bisschen Mucke hören? Hip Hop? (......) S22 [00:26:52]: Ich habe eigentlich schon seit Ende der 90er deutschen Hip Hop gehört. Also ich höre mir dann auch Sachen an, wo ich jetzt denke, okay, da stehe ich vielleicht nicht unbedingt drauf, finde aber irgendwie die Beats cool oder so. Also ich strafe mal eine 187 oder Schindy oder was auch immer und merke dann nach einer Weile, okay, ich kann mir nicht nochmal einen Track mehr anhören, einfach deswegen, weil es die ganze Zeit um die Bitches und die Nutten geht, die irgendwie was auch immer was machen. Und gleichzeitig habe ich schon gemerkt, dass ich da auch so eine Ignoranz, also so ein Nicht-Hören-Wollen entwickelt habe. Und zwar geht es mir da sowohl im spanischsprachigen Reggaeton so als auch bei englischen Texten natürlich, also auch im Deutschrap, dass ich merke, es gibt so einen Modus, in den ich schalte. Das ist dann so der Party- oder Gute-Laune-Modus, wo ich das einfach ignoriere. Ich weiß dann schon, was es heißt und ich höre das auch, aber ich will es einfach ignorieren, weil ich so merke, wenn ich mich jedes einzelne Mal davon beeinflussen lasse in meiner Stimmung, dann hätte ich die ganze Zeit schlechte Laune und will mich nicht die ganze Zeit so unterkriegen lassen. (...) S04 [00:28:00]: Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass frauenfeindliche Äußerungen im Deutschrap keine Ausnahmen sind. Auch ich habe mitbekommen, dass Leute trotz antisemitischer Texte Preise bekommen. Und als Gangsterrapper immer den strammsten von allen zu spielen, sieht mir nicht nach Auflösung der Geschlechterrollen, sondern vor allem nach harter Arbeit aus. Aber ganz ehrlich, ich habe von der Szene, wenn sich das so pauschal sagen lässt, echt überhaupt keine Ahnung. Der Soundtrack meiner Jugend stammt nicht aus diesem Genre und auf eine der legendären queer-feministischen Hip-Hop-Partys der Homies wäre ich ohne wärmste Empfehlung niemals gelandet. Hip-Hop scheint mir aber auf dem besten Weg, die musikalische Welt zu regieren und damit auch einen großen Teil unserer Lebensrealität. Salwa Homsi ist Musikjournalistin, legt auf und setzt sich generell viel mit Hip-Hop und Feminismen auseinander. Sie bekommt ständig Nachrichten, in denen junge Feministinnen fragen, wie sie ihren Musikgeschmack mit ihren politischen Einstellungen vereinen können. S01 [00:28:58]: Also die schreiben Feministinnen und sagen, ja okay, ich finde das irgendwie scheiße, aber ich höre es trotzdem, wie soll ich damit umgehen? Und Dr. Homsi soll antworten. S06 [00:29:06]: Dr. Homsi, genau. Kennst du doch diese Kategorie in der Bravo, wo Dr. Homsi erklären musste, wie ihr mit Deutschrap umzugehen habt? Nein, ich freue mich ja dann über sowas, weil diese Frage stelle ich mir immer noch regelmäßig. Diese Frage musst du dir stellen. Ich sage dann immer, dass ich ausmache, wenn ich es nicht mehr ertragen kann. Das klingt jetzt so blöd, aber ich feiere auch die 187-Straßenwande bis zu einem gewissen Maße, aber ich muss auch häufig ausmachen, wenn Jesus rappt. Übertragen wir es jetzt mal nur auf den Sexismus. Als Frau bist du täglich mit so viel Sexismus konfrontiert. Warum sollte ich jetzt in der Musik da plötzlich sagen, ja das höre ich jetzt nicht, weil? Also weißt du, was mir den ganzen Tag auf Arbeit passiert, im Internet, auf der Straße? Natürlich ist das in der Musik auch so, damit will ich das nicht entschuldigen oder legitimieren oder whatever. Aber klar ist das dann da auch da und klar muss ich dann da genauso einen Weg finden, damit umzugehen, wie wenn ich im Sommer in einer Hotpants durch die U-Bahn laufe. Was glaubst du, wie viele andere Sachen den ganzen Tag passieren als Frau, wo du sagst, ich kann ja nicht die ganze Welt jetzt ändern. Aber ja, das ist halt, das ist schwierig. Also soll man jetzt gar keinen Rap mehr hören, das ist doch auch keine Lösung. (....) S04 [00:30:13]: Salwa Humsey macht gerade auch regelmäßig Insta-Lives mit den Homies. Das sind die DJs und Party-Organisatorinnen Lucia Luciano und Gizem Adiaman, die übrigens auch den sehr empfehlenswerten Podcast RealitäterIn gestartet haben. Die drei haben sich zusammengetan, um regelmäßig zu kritisieren, was so falsch läuft. Zum Beispiel mit ihrer Kampagne Hashtag R. Kelly stumm schalten. Die hat Unterschriften gegen die Auftritte des I Believe I Can Fly Sängers gesammelt, weil ihm einfach seit mehr als 20 Jahren der sexuelle und emotionale Missbrauch von Minderjährigen, deren Freiheitsberaubung als auch Besitz beziehungsweise sogar Produktion von Kinderpornografie vorgeworfen werden. Letztendlich wurden die Konzerte abgesagt, weil R. Kelly inhaftiert wurde. Einer Schuld ist er sich natürlich trotzdem nicht bewusst, gibt ja nur eine sechsteilige Doku, die in über 50 Interviews schildert, was es heißt, R. Kelly zu überleben. (......) S17 [00:31:14]: Gerade der deutsche Hip-Hop ist ja, was Feminismus angeht, eher beschränkt. Es gibt ja irgendwie diese queere feministische Hip-Hop-Szene, die aber ist ja auch, naja, noch nicht so ganz im Mainstream angekommen ist. Und auch jenseits davon, ich feier halt einfach bestimmte Künstler ab. Also ich bin riesiger Haftbefehl-Fan, diese ganze Frankfurter, Offenbacher Hip-Hop-Szene finde ich sehr, sehr cool, kann ich viel mit anfangen. Naja, und es gibt immerhin Schwester Ever, das ist ja schon mal etwas. Aber ja, es ist auf jeden Fall ein ständiger Kampf von irgendwie, nee, das Lied skippe ich jetzt, versus, naja, es ist halt schon eine coole Mucke, die ich halt gerne mag. Ich hoffe auf jeden Fall, dass die Entwicklung weitergeht wie in den USA, wo, oder auch in Großbritannien, viel selbstverständlicher ist, dass Rapper halt keine Sexisten sind oder auch einfach eine super große feministische und queere Hip-Hop-Szene einfach den Mainstream teilweise ja schon bestimmt. S04 [00:32:02]: Und es tut sich ja auch was. Das ist zum Beispiel auf der in den Shownotes verlinkten Spotify-Playlist der Homies zu beobachten. Die wird nämlich jeden Monat mit den neuesten musikalischen Fundstücken aktualisiert. (.) Boyfriends von heute, die sich damals sexistisch geäußert haben, Macho geprägte Hobbys oder eben Hip-Hop, es gibt Dinge, die können aus feministischer Sicht schon irgendwie grenzwertig sein. Aber wie damit letztendlich umgegangen wird, muss von jedem und jeder selbst entschieden werden. Was meiner Ansicht nach nicht zur Diskussion steht, ist, wenn feministische Bewegungen den gleichen Quatsch machen wie die dominierende Gesellschaft. Und das ist, Individuen und Bevölkerungsgruppen an den Rand zu drängen, sie zu marginalisieren. Wenn sich Frauen of Color, Transpersonen, queere Frauen, religiöse Frauen, Ältere oder ganz Junge, Arme, Alleinerziehende und so weiter nicht von feministischen Themen angesprochen fühlen, ist das ziemlich bitter und auch einfach nicht hilfreich. Denn dann bleibt es bei dem Feminismus für eine kleine Führungskräfte-Elite. [00:33:05] Ich halte übrigens auch nichts davon, Männer auszuschließen, aber darum geht's in der nächsten Podcast-Folge. (.) Diesen Druck auf die feministische Bewegung ein möglichst breites Spektrum abzubilden und anzusprechen, spüre ich auch für diesen Podcast. Ich hab keine Ahnung, wie gut es mir gelingt, denn gleichzeitig ist ja auch klar, dass ich hier am Ende die Deutungshoheit habe und es dann automatisch aus einer recht privilegierten Perspektive passiert. So schreibt auch Reni Edo-Lodge in ihrem Buch, warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche, auf die kann man Feministin sein und zum Beispiel Nagellack tragen oder sich Schminken fragen, statt nach High Heels und Lippenstift zu fragen, sind die drängenden Fragen, die wir uns schon länger hätten stellen müssen, kann man Feministin und gegen Abtreibung sein? Kann man Feministin sein und vorsätzlich nichts von Rassismus wissen wollen? S10 [00:33:54]: Ich finde es unfeministisch, wenn man sagt, Frauen dürfen kein Kopftuch tragen oder so. Das geht in meinen Augen gar nicht, denn jede Frau sollte da selber drüber bestimmen dürfen und sich nicht reinreden lassen. S04 [00:34:17]: Und ziehen wir mal wieder Frau Stokowski zurate, steht da geschrieben, Eine politische Einstellung, die andere Menschen bevormundet, ausgrenzt oder beleidigt, hat mit dem, was ich unter Feminismus verstehe, nichts zu tun. Dasselbe gilt für die Frage, ob Frauen sich so kleiden dürfen, dass sie Männern gefallen. Natürlich dürfen sie das, denn so ziemlich alle Sätze, die mit »im Feminismus dürfen Frauen nicht anfangen« sind falsch. (.......) Irgendwie halten uns diese Fragen rund um Konsum und Schönheitsideale auch einfach nur beschäftigt, oder? Hauptsache wir haben keine Zeit mehr für die großen Fragen rund um Diskriminierungen. Und das ist doch völlig schief. Warum fühle ich mich unemanzipierter, wenn ich den Boden wische, für alle koche oder mit pinkem Glitzernagelakrom experimentiere, als wenn ich wiederholt entdecke, dass ich Rassismus immer noch für ein Randproblem halte? Solidarität ist der Kern einer sozialen Bewegung. Deswegen unterstütze Wohnen, wenn du kannst, ob in High Heels oder Barfuß. [00:35:25] Und wen jetzt nochmal genau? Andrea Dworkin schreibt in ihrem Buch »Rechter und linker Frauenhass« Feminismus ist die politische Praxis des Kampfes gegen männliche Vorherrschaft, im Interesse von Frauen als Klasse, inklusive aller Frauen, die du nicht leiden kannst, inklusive aller Frauen, die du nicht um dich haben willst, inklusive aller Frauen, die deine besten Freundinnen waren, aber mit denen du nichts mehr zu tun haben willst. Es spielt keine Rolle, wer diese individuellen Frauen sind. (.) Um die Kräfte dafür parat zu haben, ist es super wichtig, dass wir uns in der restlichen Zeit nicht mit unseren normierten Vorstellungen von der Superfeministin oder dem Superfeminist fertig machen. Tatsächlich kann ja das Verhalten in Geschlechterrollen auch Kraftspendend sein, quasi als Guilty Pleasure. Erstmal. (.) S09 [00:36:17]: Also mein Guilty Pleasure betrifft das Wäsche falten. Ich liebe es einfach Wäsche zu falten. Und so richtig spießig ordentlich, dass ich das dann alles so ganz akkurat in Schubladen einsortiere. (.) Mach mal ein Kondo. Ja, genau! (...) Ich liebe das auch. Ich finde das etwas so meditatives. (.) S13 [00:36:40]: Manchmal habe ich auch gar keine Lust, inspiriert zu werden und möchte mich einfach nur berieseln lassen, ohne dass dabei dann ein Gedankenkarussell anspringt. Und das mache ich tatsächlich dann auf solchen Seiten, bei denen es um irgendwelche blöden Promi-Geschichten geht, in denen total komische Frauenbilder gezeigt werden, die nicht so viel mit Feminismus zu tun haben. In denen halt die typischen Stereotypen dargestellt werden und die Rollenbilder vermittelt werden, die ich eigentlich auch nicht unterstütze, aber dennoch konsumiere ich das, um einfach mal abzuschalten und mich da vielleicht auch darüber lustig zu machen oder so. S07 [00:37:17]: Was ich zum Beispiel wahnsinnig gerne mache, ist zur Pediküre gehen. Ich finde das halt mega Entspannung, mega geil, wenn meine Füße dann da schön aussehen und ich mich damit selber nicht beschäftigen muss. Und interessanterweise, wenn ich das Leuten erzähle, sind immer alle voll erstaunt. Also wirklich, du gehst zur Pediküre? Das ist ja so super girlyhaft. Und ich fühle mich dann gar nicht in dem Sinn, dass ich mir denke, oh Gott, das ist jetzt so voll unemanzipiert. Ich finde es voll witzig, dass die Leute das dann so als so ein Clash empfinden mit dem, wie sie mich sonst sehen. S04 [00:37:43]: Tatsächlich empfinde ich mittlerweile eine fast diebische Freude daran, mich an Girly-Kram zu ergötzen. Nicht zufällig ist das Badezimmer inzwischen rosasilbrig glitzernd und die Putzmusik sehr viel poppiger geworden. Ich glaube, ich war mal cooler, aber so bin ich einfach besser gelaunt. Und bevor ich dann wieder in den Bad Feminist-Gedankenstrudel gerate, denke ich an Roxane Gay, die da sagt, S15 [00:38:04]: Ich bin ein Feministin, aber ein ziemlich schlechter Feministin. Oh, also nenne ich mich ein schlechter Feministin. Oder zumindest, ich habe ein Essay geschrieben und dann habe ich ein Buch genannt, Bad Feminist. Und dann in Interviews haben die Leute angefangen, mich als THE Bad Feminist zu nennen. (.) Also, was mit mir als ein bisschen ein Inneres Lachen angefangen hat und eine willige Provokation, ist jetzt ein Ding. S04 [00:38:26]: Ihre Worte nahmen für mich erstmal ganz schön viel Druck aus dem perfekten Feminist-In-Label. Auch bei Madonna gab es diese Herangehensweise schon zu hören. S12 [00:38:35]: Camille Paglia, der berühmte feministische Schriftsteller, sagte, dass ich Frauen zurücksetze, indem ich mich sexuell objektiviere. Oh, dachte ich. Also, wenn du ein Feminist bist, hast du keine Sexualität. Du verweigerst sie. Also sagte ich, ich bin ein anderer Art Feministin. Ich bin ein schlechter Feministin. (....) S04 [00:38:59]: Mit dem Guilty Feminist wurde dem Phänomen ein ganzer Podcast gewidmet. So beginnt fast jede Podcast-Folge mit S09 [00:39:07]: I'm a feminist, but S04 [00:39:12]: Es ist also keine Unmöglichkeit, sich einfach schlechte Feministin zu nennen. Wenn es hilft. Letztendlich wird aber auch diese Folge wieder darauf hinauslaufen, worum es Feministinnen vor allem geht. Freiheit S20 [00:39:22]: Ich finde ja Ambivalenz grundsätzlich was richtig, richtig Schönes. Und ich glaube, das zieht sich durch mein ganzes Leben. Und deswegen finde ich es auch irgendwie ziemlich cool, dass ich einerseits Maschinenbauingenieurin bin, Kickboxen mache und sehr viel mehr Ahnung von Fahrrädern habe als so mancher Typ. Und andererseits unglaublich gerne koche, auch für meinen Freund. Im Winter gerne zu Hause sitze und irgendwie Stricke und Nähe und immer noch Gossip Girl und Gimmer Girls feiere. Das ist für mich tatsächlich auch der wahre Feminismus. Ist irgendwie nicht das Wichtige daran, sich Dinge zu verbieten oder Geschlechterklischees genau nicht zu entsprechen, sondern frei zu sein, so wie man ist und wie man sein möchte und sich nicht irgendwas zu verbieten in die eine oder in die andere Richtung. S04 [00:40:15]: Auch Rapperin Suki meinte im Taz-Podcast Passierte Tomaten. S03 [00:40:20]: Ich habe feministische Lebenserfahrungen. Ich hatte meine Awakenings und Situationen, wo ich gemerkt habe, das ist so toll, ich glaube, das liegt am Feminismus oder so. Also das sind die Momente, zum Beispiel den eigenen Körper oder die eigene Sexualität irgendwie anders anzunehmen und sich nicht mehr abfacken zu lassen mit irgendwelchen blöden mediatisierten Erzählungen, die nichts mit mir zu tun haben. Ich würde versuchen, das immer so zu sagen, als ich mache jetzt irgendwas nicht mehr oder es ist jetzt irgendwie schwieriger geworden, sondern es ist entspannter geworden. Also nicht zu sagen, ich habe mich da rausgekämpft und so, sondern ich kann jetzt an der Stelle voll gut chillen. (...) S04 [00:40:59]: Ich danke dir nun schon zum neunten Male, dass du die Ohren gespitzt und Synapsen in Rage versetzt hast. Wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, werden die Folgen immer komplexer. Ich kann mich da nicht so richtig beherrschen, aber das führt dann eben auch dazu, dass es alles ein bisschen länger braucht. Außerdem gab es den erfreulichen Zwischenfall eines Auftrags von Audible. So kannst du dort gern mal beim Bring mir was bei Podcast vorbeischauen und mich in der neunten Folge berichten lassen, wie man kocht, wenn man aktuell in einer Gefängniszelle eingesperrt ist. Ansonsten danke ich Andreas und Judith für ihre Paypal-Zahlung und ende mit dem leidenschaftlichsten Guilty Pleasure, den ich unter meinen Sprachnachrichten finden konnte. S07 [00:41:39]: Genau, und ja, Pediküre ist echt eine richtig geile Sache. Ich kann es jedem nur empfehlen. Auch Männern. Jeden. S04 [00:41:46]: Ich verbleibe mit feministisch vorsätzlichen Grüßen. Tschüss!